Seite 7 von 19 ErsteErste ... 5678917 ... LetzteLetzte
Ergebnis 121 bis 140 von 370
  1. #121
    PREMIUM MEMBER Avatar von Bullit
    Registriert seit
    12.11.2006
    Ort
    München
    Beiträge
    5.010
    Max, danke für den tollen Beitrag. Macht mir mal wieder bewusst, auf was für einer guten Stelle ich eigentlich hocke.

    Und wenn die Hütte abbezahlt ist, geh zum Spiegel - die Schreibe passt.

    Gruß

    Erik
    "Ich bin Mr. Wolf. Ich löse Probleme."


  2. #122
    Freccione Avatar von RBLU
    Registriert seit
    23.06.2008
    Ort
    Bayern und etwas US
    Beiträge
    4.850
    Zitat Zitat von hadi Beitrag anzeigen
    Klar, ist ja nichts leichter im Leben, als seinen Traumjob zu finden - sorry, selbst gut ausgebildete Menschen, welche sehr wohl über den Tellerrand hinausschauen, müssen nur all zu oft einfach "irgendwas" machen - mangels Alternativen.

    Davon abgesehen, ist man irgendwann in diesem Rad drin, hat sein Leben und das seiner Familie nach dem Verdienst ausgerichtet, ist es alles andere als einfach, zu sagen: "ok, bin knapp vorm burnout, hör ich halt mit dem Job auf".
    Eigentlich hat Max das recht gut beschrieben, aber irgendwie stoert es mich nicht in einem US Unternehmen zu arbeiten. Ich moechte nicht behaupten, dass ich in allen Aspekten mein Traumjob habe, aber gestresst fuehle ich mich eigentlich nicht.
    Gruss,
    Bernhard

  3. #123
    Sea-Dweller Avatar von domer
    Registriert seit
    23.06.2014
    Ort
    Hennef
    Beiträge
    806
    Zitat Zitat von Departed Beitrag anzeigen
    Und ganz konträr gibt's dazu noch die IT als Inhouse Dienstleister und klassischer Unterstützungsprozess. Dort ist man als Mitarbeiter nur ein Kostenfaktor, der reduziert werden muss. Keine Benefits, nichts. Ziel zu 100% erreichen, fix Gehalt bekommen und Schnauze halten.
    Kann auch sehr sehr demotivierend sein. Vorallem wenn man jung ist und nach mehr strebt.
    Auf der anderen Seite geht es einem dann doch wieder zu gut, um ein Wechsel zu riskieren.
    Kommt mir bekannt vor.....
    Grüße vom Dom

    Gesuche bitte im SC einstellen.

  4. #124
    ehemaliges mitglied
    Gast
    Das zeigt uns doch wie krank unser Wirtschaftssystem geworden ist. Wo Mitarbeiter wie Brennstoff verheizt werden. Kommt ja eh genug Material nach. Alles im Namen des Mammons. Gesundheit kann man nicht kaufen, Glück gibts sogar umsonst, man muss es nur zulassen.
    Im stationären Einzelhandel haben wir hier zwar gerade Kackzeiten aber ich hoffe nie so tief zu fallen Danke.

  5. #125
    Datejust-Gott Avatar von R.O. Lex
    Registriert seit
    28.02.2004
    Beiträge
    11.568
    Themenstarter
    Max, danke für Deinen Beitrag! Mein Einstieg in das Thema war wohl tatsächlich etwas ungeschickt. Aber dann, mehr als 4700 Hits und mehr als 120 Beiträge (OK, ein Gutteil davon Hasstiraden gegen mich) in weniger als 24 Stunden, das findet sich hier nicht alle Tage. Und es scheint mir, als läge das Thema doch mehreren am Herzen als es zunächst den Anschein hatte.

    Und wenn ich Max' Beitrag ergänzen darf: Was auch sehr gerne genommen wird, die eigenen Ziele auf die der Mitarbeiter herunter zu brechen. Soweit in Ordnung, es erbringt das gesamte Team / die gesamte Abteilung die Leistung des Teamleiters / des Abteilungsleiters. So mancher Team- / Abteilungsleiter baut da aber gerne noch ein Loading ein. Das wird dann "Uplift" genannt.

    Beispiel: Der Manager hat als 100% Zielvorgabe 100.000 (Euro Umsatz, verkaufte Einheiten, was immer) und fünf Mitarbeiter. Denen gibt er dann nicht jeweils 20.000 für ihre 100% Zielvorgaben, sondern 25.000. Das Ergebnis ist offensichtlich: Selbst wenn die Mitarbeiter nur zu 80% performen, so hat der Manager sein 100% Ziel erreicht. Und wenn die Mitarbeiter ihre individuellen Ziele erreichen, so hat der Manager bereits 25% overperformed. Und wenn er selbst auch noch ein wenig operativ tätig ist, dann kommt er schnell auf 130%, 150% oder mehr. Mit den von Max beschriebenen Auswirkungen auf's Salär.

    Bei nur einer Führungsebene mag das noch angehen. Bei drei oder mehr Ebenen, wie dies in großen Konzernen die Regel ist, kann man sich unschwer vorstellen, was das für das Einkommen der oberen Führungsebenen und den Druck auf die Subalternen bedeutet.

  6. #126
    Freccione Avatar von Herman
    Registriert seit
    21.09.2009
    Ort
    Ghetto di nix o
    Beiträge
    6.522
    Blog-Einträge
    3
    Zitat Zitat von R.O. Lex Beitrag anzeigen
    ... mehr als 4700 Hits und mehr als 120 Beiträge ...
    Wie vielen likes und followers würde das in etwa entsprechen?

  7. #127
    Freccione Avatar von mask
    Registriert seit
    29.01.2007
    Ort
    Niedersachsen
    Beiträge
    6.901
    M
    Zitat Zitat von Dr. h.c. Albern Beitrag anzeigen
    Tue mich grundsätzlich bisserl schwer, weil für mich schwer erkennbar warum ein Verkäufer bei Erfüllung / Überschreitung gewisser Planzahlen mit solchen Inzentives belohnt wird - der Entwickler (beispielsweise) des geilen Autos da aber komplett aussen vor bleibt...
    ... aber auch hier gilt: Augen auf bei der Berufswahl.

    Ich als Arbeitgeber würde das anders handhaben - aber es sei jedem gegönnt....
    Das ist übrigens nicht richtig . Im Konzern bekommen alle, vom Chefentwickler bis zum Bandarbeiter jedes Jahr eine ordentliche Bonizahlung. Man könnte auch sagen VW schenkt jedem der zigtausend Werksangehörigen mindestens je eine Rolex pro Jahr.
    Wir im Handel gehen was das betrifft komplett leer aus. Und, soll ich deshalb anderen nix gönnen ?

    Und der vermeintliche private "Großaktionär" welcher um die Höhe seiner Rendite bangt weil der Hersteller denjenigen Dank zollt die überhaupt den Laden nach vorne bringen, für welchen Quatsch gibt der wohl privat sein Geld aus ?

    Ich finde es immer amüsant wenn Leute meinen nur weil Sie einen verschwindend geringen Anteil an Aktien eines riesigen Weltkonzerns halten meinen, man wisse es besser mit den vorhanden Geldern umzugehen. Sollen doch alle die, die durch nichts tun mit VW Aktien in den letzten knapp 10 Jahren wirklich gut verdient haben einfach mal dankbar sein und in seliger Gewissheit abends einschlafen, dass die Verantwortlichen bei Audi, VW usw. das Thema Mitarbeitermotivation schon ganz ordentlich spielen.
    Geändert von mask (23.09.2015 um 22:12 Uhr)


    Grüße Dirk

  8. #128
    Freccione Avatar von pelue
    Registriert seit
    11.03.2004
    Beiträge
    5.841
    Danke, Miguel das Thema, dass viele von (offensichtlich) beschäftigt.
    Super, dass der Thread forenkonform läuft. Dafür danke an alle Beteiligten
    Max, der beste Beitrag, den ich seit langem gelesen habe. Vielen Dank für Deine Mühe!
    Tut gut zu hören, dass auch Leute die vordergründig das System mittragen, zu den Zweiflern gehören.
    Gruß Peter

    "The only true currency in this bankrupt world, is what you share with someone else when you're uncool."
    -Lester Bangs

  9. #129
    Datejust-Gott Avatar von R.O. Lex
    Registriert seit
    28.02.2004
    Beiträge
    11.568
    Themenstarter
    Zitat Zitat von Herman Beitrag anzeigen
    Wie vielen likes und followers würde das in etwa entsprechen?
    Keine Ahnung, ist mir ehrlich gesagt auch ziemlich egal.

  10. #130
    PREMIUM MEMBER
    Registriert seit
    27.02.2008
    Ort
    Room 641A, 611 Folsom Street, San Francisco, CA 94107
    Beiträge
    9.309
    Zitat Zitat von AndreasL Beitrag anzeigen
    Die besten Wünsche an Frank und Ralf.

    Und Danke Max für den Einblick. Frage mich nur wo der vermeindliche Fehler liegt bzw. wer der Gewinner von dem Spiel ist. Sind es die x.000 Mitarbeiter, die xx.000 Eur über ein paar Jahre lang mehr verdienen oder sind es die Köpfe (also xx Personen, die xx Mio. mehr bekommen) oder die Investoren, die ein paar Prozent mehr bekommen?
    Die Hauptgewinner sind die investierten Parteien. Die knüpfen an die enorme Bezahlung des CEOs sportliche Ziele, wie ein binnen 12 Monaten um 15% steigenden Aktienkurs, während das Unternehmen mindestens die Hälfte des Gewinns nach Steuern, den man sich bei 15% des Umsatzes wünscht, als Rendite abführt. Die Investoren haben in der Regel das Ziel, nach wenigen Jahren mit signifikantem Veräusserungsgewinn und gleichzeitig vernünftiger Rendite wieder auszusteigen und weiter zu ziehen. Es gilt als langfristig, wenn ein Investor mit einem Engagement von vier Jahren rechnet, üblich sind zwei. Die langfristige Unternehmensentwicklung liegt also nicht im Interessenfeld dieser Investoren.
    Die Familie, die den Konzern in dritter Generation erbt, schlachtet nicht die Kuh, deren goldene Milch sie trinkt, sie gefährden sie nichtmal, sondern kümmert sich. Die Investoren, die sich von dem vielen Gold in der Kuh einfach eine neue kaufen und auch diese wieder schlachten, sehen das vielleicht anders und das liegt auch an den Phasen des Unternehmenslebenszyklus, in denen sie sich mit einem Investment einbringen. Ein langfristiger Investor kann zum Unternehmenserfolg beitragen, in irgendeiner Form. Er bringt Technik mit oder Kontakte oder Mitarbeiter oder einfach das Geld, den langen Atem und die Geduld, um das Unternehmen aus eigenen Kräften zu entwickeln. Der kurzfristige Investor ist jedoch am realwirtschaftlichen Betrieb des Unternehmens nur so weit interessiert, wie es seinem Ziel der Steigerung der Marktkapitalisierung des Unternehmens zuträglich ist.

    In der Regel werden die Unternehmen aus einer klugen Produktidee heraus geboren. Dann sind sie am innovativsten. Das Unternehmen wächst, professionalisiert sich, Investoren kommen an Bord, mit dem Ziel, das Unternehmen in ein paar Jahren so groß zu machen, dass man es an die Börse bringen und zu einem vielfachen des eigenen Investments zu veräussern. Das sind die Venture-Kapitalisten. Die Unternehmen wachsen weiter, sind aber häufig noch Zuschussgeschäfte, die einen langfristigen Investor brauchen. Haben die Unternehmen das Glück, einen solchen zu finden, werden sie über 10-15 Jahre groß und profitabel gemacht. In der Regel ist dieser langfristige Investor recht günstig eingestiegen und lässt sich dann seinen Erfolg beim Verkauf des Unternehmens vergolden. Bis dahin ist das alles noch super, gesund und mit guter Stimmung, weil langfristig gedacht und gearbeitet wurde. Jetzt, wo das Unternehmen groß und profitabel ist, aber nicht unbedingt technikbezogenen Investoren in die Hände fällt, dreht sich der Ton. Das Unternehmen muss weiter an Wert zulegen, und zwar schnell. Ausserdem muss weiterhin die tolle Dividende abgeführt werden. Damit alle auf das Unternehmen scharf werden und der Wert so rasant wächst, dass er bedeutender als die erwirtschaftete Rendite ist, müssen die Analystenmeinungen stimmen, sonst kauft der Markt nicht. Die Analysten stehen darauf, wenn die Unternehmenssubstanz rasant wächst und beurteilen dabei selten die langfristige Geschäftslage, sondern Quartal für Quartal. Die Umsätze müssen also schnell steil steigen. Da die Investoren nach zwei Jahren wieder raus sind, ist es ihnen egal, ob das mit Methoden geschieht, die dem Unternehmen im dritten Jahr in den Rücken fallen.
    Das ist dann der Beginn vom Abstieg. Die Budgets für die Entwicklung werden zurück gefahren, dann wird der Service und Support in Drittweltländer verlagert, dann wird die eigene Unternehmens-IT outgesourct. Gleichzeitig trimmt man die Vertriebsorganisation auf Leistung und enormes Wachstum. Dafür heuert man sich ein paar richtige Haie an. Charismatisch-psychopathische Typen, die wissen, wie man richtig schnell den Vertrieb ans Laufen bringt.
    Dann beginnt der Ausverkauf. Man zehrt solange von der Produktsubstanz, wie es nur geht, weil mit der abnehmenden Entwicklungskostenumlage der Gewinn steigt. Genauso fährt man die Service-Leistungen den Kunden gegenüber immer weiter zurück und vertraut darauf, dass innerhalb der wenigen Jahre, in denen man das Unternehmen leitet, schon nicht so viele abspringen werden. Das überkompensiert man eh mit aggressiver Marktstrategie, um den Umsatz dennoch hoch zu bringen. Weil bis dahin der Vertrieb immer schärfer werden muss, werden immer schärfere, skrupellosere, kurzfristig denkende und agierende Typen gesucht, die sich von viel Geld ködern lassen und gleichzeitig ködert man sie mit immer mehr Geld.
    Und dann steigt man am besten wieder aus, solange der Eimer viel wert ist. Einen Plan für danach gibts in dieser Strategie nicht.

    Im Unternehmen gehts dann meist hoch her. Der neue kommt, merkt, wie es ums Unternehmen bestellt ist, entlässt prophylaktisch 10% der Mitarbeiter, trifft weitere Einsparmaßnahmen, macht den Vertrieb noch schärfer. Zwei Jahre durchhalten, die Braut hübsch machen und dann raus mit Gewinn.
    Eines Tages verbrennt sich irgendeiner dran die Finger. Dann werden die Unternehmen in irgendetwas anderes eingegliedert, denn sie beinhalten ja noch einen gewissen Restwert, allein in Form der Patente. So ähnlich läuft es immer wieder und so kostet es immer wieder tausende Mitarbeiter ihre Arbeitsplätze.

    Neben den Investoren und des Spitzenmanagements sind sicherlich gut 10% der Mitarbeiter auf der absoluten Gewinnerseite. Das sind die oberen Kasten des Vertriebs. Faustregel: Je mehr Umsatz pro Kunde und je weniger Kunden auf der Liste, desto mehr Geld bekommt der Vertriebler als Grundgehalt, der Bemessungsgrundlage für alles weitere. Das sind Leute, die in der Regel Gehälter vergleichbar zur Geschäftsführern in hübschen Mittelstandsunternehmen kassieren.
    Die anderen 90% bekommen vom großen Kuchen wenig ab. Häufig kassieren 10% der Mitarbeiter 25% der Gesamtgehaltssumme in diesen Unternehmen, bekommen also im Schnitt das dreifache der anderen. Das sind quasi die Kriegsgewinnler in dem Spiel. Man beutet zugunsten der Investoren das eigene Unternehmen immer weiter aus und sucht sich dann einfach das nächste. Die Investoren sind dafür dankbar und bezahlen sehr gut.

    Es sind also ein paar Tausend Mitarbeiter, das Top-Management und die Investoren, die von dem System profitieren.

  11. #131
    ehemaliges mitglied
    Gast
    Und das soll gut sein? Greed is definitely not good.

  12. #132
    Um einen Enblick in den Sachverhalt aus Max' ersten Beitrag aus Sicht eines (ehemaligen) Mitarbeiters der Finanzbranche zu bekommen, empfehle ich das Buch "Why I left Goldman Sachs" von Greg Smith. Teilweise sicherlich fragwürdig, aber im Kern wirklich interessant.

    Vielen Dank für die vielen sehr lesenswerten Beiträge, besonders an Max.
    Viele Grüße,
    Nils

  13. #133
    ehemaliges mitglied
    Gast
    Zitat Zitat von R.O. Lex Beitrag anzeigen
    ... (OK, ein Gutteil davon Hasstiraden gegen mich) in weniger als 24 Stunden,...
    ... die auch - trotz Klarstellung deinerseits - nur bedingt bis gar nicht zurückgenommen wurden. Finde ich bemerkenswert - Dinge werden interpretiert und die eigene Interpretation dann dem TE (in dem Fall dir) vorgeworfen.

    Auch dieses Beispiel zeigt, wie Diskussionen heutzutage - leider viel zu oft - laufen:
    Es wird sich empört - der Empörte hat scheinbar jedes Recht auf den vermeintlich Schuldigen einzudreschen - und die Empörung reicht als Rechtfertigung vollumfänglich aus - ein imho mehr als bedenklicher Ansatz.

    Kurz zu den Ausführungen von Max - nach den ganzen Danksagungen und den Nominierungen zum Post des Jahres sicher nicht ungefährlich - aber sei's drum:
    Ich war in den Top 3 IT-Unternehmen in Deutschland tätig - die beschriebene Vorgehensweise konnte ich dort bei KEINEM Unternehmen (Gott sei Dank) erkennen.
    Natürlich ist die Welt voller Beispiele wo Systeme pervertiert werden und Menschen dies zu ihrem Vorteil ausnutzen. Dies kommt aber auch in Kirchen oder z.B. gemeinnützigen Organisationen vor.

    Wenn aber gleichsam die Gewinn-/Profit Analysten Orientierung angeprangert wird (damit meine ich selbstredend nicht Max), dann Frage ich mich, wie man es schafft die Doppelmoral die mit solch einer Aussage zum Ausdruck kommt, guten Gewissens gleichsam anzuprangern und auf der anderen Seite davon zu profitieren.

    Mask: Stimmt was du du sagst zum Thema unternehmensweiter Boni - dies ist aber eine Zahlung, die allen auf Basis des allgemeinen Unternehmenserfolges zuteil wird. Meine "(Auf)Forderung" war aber, die individuelle Leistung präziser zu honorieren. Dazu gehört eben auch die etablierte Belohnungskultur nicht nur auf Ein- und Verkauf zu beschränken.

    Disclaimer: Diese Ausführungen sind nicht mal Ansatz von Neidgedanken geprägt, sondern sollen zur sachlichen Auseinandersetzung des von Miguel aufgeworfenen
    Themas beitragen....
    .... und wenn ich eins in 20 Jahren Personalarbeit jeden Tag vor Augen geführt bekomme: Beim Thema Comp&Ben ist Gerechtigkeit ein höchst individuell wahrgenommes Thema, was gerade im Vergleich in Sekunden von höchster Zufriedenheit in völlige Unzufriedenheit wechseln kann.

  14. #134
    Gesperrter User
    Registriert seit
    11.02.2014
    Ort
    Norddeutschland
    Beiträge
    4.061
    Chefcook: Wahnsinns Beitrag, Hut ab. Ich kann mir vorstellen, ohne es zu wissen, bei welchem Großkonzern du tätig bist. Schön auch deine soziale Ansicht entgegen der Unternehmensphilosophie und das Denken wie ein Unternehmen lang- und nicht nur mittel- bzw. kurzfristig "gesund" bleiben kann. Ich empfehle Dir, soweit dies in irgendeiner Form möglich ist, den Betriebsratsvorsitz in deinem Unternehmen anzustreben. Mit dem ganzen, in deiner Position befindlichen erworbenen Know-How Lage, könntest du zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Ein sehr gutes Gehalt für die nächsten 4 Jahre, nämlich das, das du das letzte Jahr erhalten hast und die Möglichkeit die morbide Geschäftspolitik sinnvoll zu verbessern. In erster Linie für die Mitarbeiter und natürlich auch für das langfristige sichere gesunde Weiterbestehen des Konzerns.

  15. #135
    Gesperrter User
    Registriert seit
    15.01.2009
    Beiträge
    8.006
    Zitat Zitat von Dr. h.c. Albern Beitrag anzeigen
    Ich war in den Top 3 IT-Unternehmen in Deutschland tätig - die beschriebene Vorgehensweise konnte ich dort bei KEINEM Unternehmen (Gott sei Dank) erkennen.
    Tja, Zeiten ändern sich, und wer nicht mit der Zeit geht, der geht mit der Zeit
    Geändert von avalanche (23.09.2015 um 23:48 Uhr)

  16. #136
    Freccione Avatar von mask
    Registriert seit
    29.01.2007
    Ort
    Niedersachsen
    Beiträge
    6.901
    Zitat Zitat von Chefcook Beitrag anzeigen
    Sich jetzt in der Diskussion auf Dirks wohlverdienten und realistisch betrachtet auch nicht übertriebenen Wochenendausflug nach Monaco zu versteifen, halte ich nicht für zielführend, bzw. am eigentlichen Problem vorbei gedacht. Zudem ist Dirk ja aller Wahrscheinlichkeit nach gar kein Audi-Mitarbeiter, sondern eines Audi-Händlers, der die Mitarbeiter dieses Partnerunternehmens für ihre Leistungen rund um seine Produkte belohnen möchte. Zurecht.

    Um das von Miguel vermutlich eigentlich gemeinte Problem zu betrachten, muss man meiner Meinung nach zu allererst anschauen, wie Vertriebler mit Incentives gelockt werden, denn da unterscheiden sich Unternehmen und ihre Kulturen im internationalen Umfeld gewaltig. In deutschen Maschinenbauunternehmen ist es meines Erachtens eher üblich ist, dass der Vertriebler zwischen 15% und 30% des Zielgehalts als variablen Gehaltsbestandteil bekommt und sehr häufig ist dabei überhaupt nur die Hälfte davon von seiner direkten Leistung abhängig und die andere Hälfte an die Gesamtunternehmens- oder Gesamtabteilungsentwicklung gekoppelt. Wenn überhaupt; ich kenne genügend, die im Vertrieb 100% fix haben und deren Arbeitgeber auf ihre persönliche Leistungsbereitschaft vertraut. Gerade bei diesen Mitarbeitern wirken Incentives in Form von Reisen und Geschenken enorm. Auch ist die Ziellerreichung derer mit variablem Gehaltsbestandteil häufig gedeckelt, so dass die Frage, ob Du ein Top-Performer bist oder nicht im Gehalt alles in Allem irgendwas um maximal 15% über das Zielgehalt ausgemacht hat. Und das ist schon sehr viel Geld.
    Man kann solche Systeme durchaus motivierend, gerecht und in Einklang mit den Unternehmenszielen gestalten und wie hier richtig angemerkt wurde, darf Erfolg nicht nur gerecht belohnt werden, sondern muss sogar belohnt werden. Ich gebe auch Bernhard völlig recht, dass die Incentive-Reise oder ein Geschenk, das sich der Mitarbeiter selbst nicht leisten wollen würde, selbst wenn er das Geld in Form eines Bonus bekäme, viel motivierender sein kann, als der Geldbetrag selbst.

    Es gibt jedoch meiner Meinung nach auch gewisse prozentuale Grenzen, die das Fixgehalt nicht unterschreiten sollte und es sollten im variablen Gehalt auch die Unternehmensentwicklung insgesamt berücksichtigt werden. Ziele müssen realistisch gesetzt werden, um motivierend zu bleiben und es ist nicht nur empfehlenswert, sondern sogar notwendig, dass es eine Deckelung nach oben gibt. Es darf nicht möglich sein, dass die Mitarbeiter in einem Bereich auf Kosten der Gesamtunternehmensentwicklung die eigenen Taschen füllen, was leider in vielen Branchen und Unternehmen üblich geworden ist, so mein Eindruck. Und schlimmer noch: Es darf nicht möglich sein, dass sich die Mitarbeiter im Streben nach eigener Einkommensmaximierung selbst gesundheitlichen Gefahren aussetzen und es darf auch nicht möglich sein, dass es ein Gehaltsgefälle zwischen Vertrieb und anderen Funktionen gleicher hierarchischer Ebene gibt, das den anderen noch ein Drittel dessen zugesteht, was der Vertriebler einsteckt. Das sorgt für Unfrieden und Demotivation unter den Angestellten. Der Arbeitgeber hat hier eine Verantwortung den Arbeitnehmern gegenüber, die er gefälligst wahrnehmen muss. Wie immer im Leben gilt: Man muss Maß halten, denn die Maßlosigkeit kippt schnell ins Gegenteil.

    Ich sage das, weil ich im Moment selbst einer von denen bin, der sich die Taschen auf Kosten der Kollegen voll macht. Ich selbst als Maschinenbauingenieur, der irgendwann des schnöden Mammons wegen selbst im Großkundenvertrieb in der IT gelandet ist, sehe selbst eine erhebliche Diskrepanz zwischen strategisch nachhaltiger Entwicklung der Mitarbeiter und des Unternehmens und der Bezahlungsanreize im Vertrieb, sowohl im Vertrieb erklärungsbedürftiger Industriegüter wie auch im B2C-Vertrieb.
    Anfangs habe ich das offen gestanden noch nicht durchstiegen. Inzwischen schon und ich sehe es mit einer Mischung aus Resignation und Zynismus. Ich kann es eh nicht ändern (dazu bin ich ein zu kleines Licht) und lange mache ich es auch nicht mehr mit, bis ich mir wieder was anderes suche, denn es macht keinen Spaß und beeinträchtigt meine Lebensqualität. Bis dahin würde ich aber gern noch ein wenig Geld einstecken, weil ich wahrscheinlich nie wieder so einfach so viel Geld verdienen werde. Ausserdem: Dann wäre die Hütte bezahlt.

    In amerikanischen IT-Unternehmen habe ich ganz anderes kennengelernt, als im deutschen mittelständischen Maschinenbau. Vom Zielgehalt sind da eher 50% variabel und hängen voll von der individuellen Zielerreichung ab. Oder noch mehr variabel. Letztes Jahr waren nur 28% meiner Bezahlung Fixgehalt, der Rest waren variable Gehaltsbestandteile und Boni darüber hinaus. Die Unternehmensentwicklung interessiert nicht und gerade in der IT auf Herstellerseite häufig noch nicht mal die Rentabilität, sondern nur der Umsatz. 85% Discount, wenn man einen Konkurrenten wo rausdrängen muss? Kein Problem, scheißegal, ob das Unternehmen daran noch was verdient. Hauptsache Umsatz und den Marktanteil ausgebaut, denn das zählt bei den Analysten.
    Übererfüllung der Ziele wird mit enormen Geldanreizen belegt. In meinem Fall bekomme ich für alles über 100% Zielerreichung den vierfachen Betrag auf mein Ziel angerechnet, ohne Deckelung nach oben. Erreiche ich mit meinem Team also 150% meines individuellen Ziels, bekomme ich 300% meines variablen Gehaltsbestandteils ausbezahlt. So läuft auch die einzige Motivation: Geld. Party-Incentives gibts auch, aber die werden in den Motivationsansprachen des CEOs geflissentlich übergangen und eher als Beiwerk gesehen, denn es geht im ja nur um eins: Uns alle reich machen und sich selbst natürlich am meisten. Uns bezieht sich dabei natürlich nur auf den Vertrieb und das Management. Die anderen haben noch nicht geschnallt, wo das viele Geld fließt und entsprechend sind sie dem auch nicht würdig, so die Einstellung.

    Gleichzeitig führt dieses System, das genauso auch auf die Top-Management-Ebenenen weit über mir angewandt wird, zusammen mit den Ansprüchen und dem Druck der Investoren-Spekulanten und der Analystenerwartungen zu einem System, das den Bock zum Gärtner macht: Die Manager, die über die Bezahlungsstrukturen der Mitarbeiter entscheiden, setzen die Anreize nicht entsprechend einer langfristig positiven Geschäftsentwicklung, die zum Beispiel möglichst geringe Nachlässe auf den kalkulierten Listenpreis, Profitabilität, Qualität, Innovation und langfristige Verträge mit den Kunden für Wartung und Support berücksichtigen sollte, um eine möglichst langfristig planbare Ertragslage mit guten Deckungsbeiträgen zu erreichen, sondern entsprechend ihrer eigenen, kurzfristigen Ziele, die eine Aktienkaufempfehlung der Analysten zur Folge hätten. Denn dieses Top-Management wird in der Regel an der Entwicklung des Aktienkurses gemessen. Das Ziel ist ausschließlich Anteilseigner mit ihren kurzfristigen Vorstellungen zu bedienen, die zu meiner großen Ernüchterung immer wieder darlegen, dass sie an der realen Geschäftsentwicklung der Unternehmen keinerlei Interesse haben, sondern das kurzfristige Engagement (meist nur zwei bis drei Jahre) mit einem Veräusserungsgewinn verlassen wollen.
    Einer der Vertreter dieser Investoren hat mir gegenüber das Geschäftsmodell mal wie folgt bezeichnet: "It's like baseball. Hit it big once and then run as fast as you can! Sometimes it's more like fireworks. You'll better be out of reach when it explodes."

    Indem man den Mitarbeitern weder Anreiz auf die Profitabilität oder schlicht Rentabilität der Projekte setzt, sondern einzig und allein auf den Umsatz baut, bis in höchste Management-Ebenenen hinein, wird dem Management der Blick auf das Verhältnis von Geschäfts- zu Kostenvolumen ausgetrieben und stattdessen höchst kurzfristige Umsatzziele verfolgt. Eine langfristige und strategische Unternehmensentwickung ist so quasi unmöglich, weil sie den individuellen Zielen der Mitarbeiter zuwider läuft. Beispiel: Warum sollte ich einen Deal mit 40% Nachlass machen, wenn er erst im nächsten Geschäftsjahr kommt, ich ihn dieses Jahr aber mit 70% Nachlass "kaufen" könnte und - weil ich mein Ziel schon voll habe - dafür vierfach Geld bekomme? Ich verdiene doppelt so viel an dem Deal, wenn ich ihn dieses Jahr zum halben Preis mache (30% x 4 = 120% vom Listenpreis für die Bezahlung, statt nur 60%). Die Firma verdient aber unter Umständen gar nichts mehr daran, sondern legt sogar darauf und wird das auch noch in den Folgejahren tun, denn das Preisniveau wird mit diesem Geschäftsgebaren für die kommenden Jahre bis Jahrzehnte zementiert.
    Ich weiß aber auch nicht, ob mein Arbeitgeber an dem Projekt noch was verdient und es ist mir auch egal. mein Arbeitgeber spricht nicht mit mir darüber, ob meine Projekte profitabel sind. Das schlimme ist aber, dass es meinen Chefs auch egal ist, denn sie profitieren vom gleichen Fehler im System und sind gleichzeitig Wächter über die Discounts und geben ihn mir natürlich frei.

    Gleichzeitig wird durch das überproportional höhere Kompensieren von Zielerreichungen über 100% des individuellen Jahresziels eine Kultur geschaffen, in der sich Leistung erst dann so richtig lohnt, wenn sie deutlich über den Erwartungen liegt. Oder anders gesagt: 130 ist die neue 100. "Auf den Club", so wie Dirk nach Monaco, durfte ich dieses Jahr auch drei mal. Einmal drei Tage in den Alpen zum Skifahren, einmal fünf Tage Florida in den Vergnügungsparks und einmal eine Woche Kreuzfahrt im Mittelmeer. Nächstes Jahr darf ich hoffentlich ne Woche mit nach Bermuda. Natürlich alles mit Business Flügen, all inclusive, meistens mit Ehefrauen und nur in 5-Sterne-Hotels. Vergnügungsparks in Florida teilen wir natürlich nicht mit dem Publikum, sondern gehen erst nach 18 Uhr rein und lassen die dann bis zwei Uhr nachts nur für uns öffnen, damit wir den Park alleine für uns haben. Ein Kreuzfahrtschiff buchen wir zur Not auch einfach aus. In Florida wurde unter allen Teilnehmern noch zwei neue Corvettes verlost (ich habe leider nicht gewonnen). Nächstes Jahr gibts ein paar 911 Carrera GTS zu gewinnen. Die Steuern für solche Dinge legt der Arbeitgeber natürlich noch drauf, damit wir das auch netto haben. Ich war die letzten Jahre nicht mehr selbst im Urlaub, weil mein Arbeitgeber alles für mich organisiert und bezahlt hat.
    Belohnungen und Anerkennung gibts jedoch erst ab 120% Zielerreichung. Für 100% gibts kein Lob, keine Anerkennung, keine Wertschätzung. Die offizielle Meinung dazu ist:Warum auch, der Mitarbeiter hat nur die Erwartungen erfüllt und nicht mehr.

    Das hat Folgen bis hin zur Gesundheit der Mitarbeiter und setzt falsche Anreize, die langfristig zur Gefahr fürs Unternehmen werden könnten.
    Die Leute verdienen ja gut in der IT, also sind die 100%-Ziele ambitioniert. Es werden aber 120%, besser 130% erwartet. Die höheren Zielerreichungen kommen ja nicht von ungefähr. Umsatz bedeutet auch immer Arbeit, immer Projekte, die bearbeitet werden müssen. Sind die Ziele so ausgelegt, dass sie mit einer 45 bis 50 stündigen Arbeitswoche mit etwas glücklicher Fügung des Schicksals noch erreicht werden können, wird die sogenannte "Extrameile" natürlich erwartet und wer sie in Anbetracht der eigenen Stressresistenz, Balance zwischen Berufs- und Privatleben oder anderweitiger Verpflichtungen wie einer jungen Familie, pflegebedürftigen Eltern oder seines ehrenamtlichen Engagements nicht bereit ist zu gehen, wird als Minderleister, Schmarotzer und Nestbeschmutzer betrachtet, auch wenn er sein 100%-Ziel zu jeder Zeit erreicht.
    Warum? Sein Manager und der darüber und der darüber und so weiter wollen den fetten Bonus und jeder von denen erwartet entsprechend eine Übererfüllung der Ziele durch seine Teammitglieder. Ich sollte schon sogenannte Performance Improvement Plans mit Teammitgliedern ausarbeiten, weil sie unterjährig nur bei 95% vom Plan standen und ihre Vertriebsvorschau für das Rest Jahr "nur" 105% des Gesamtziels vorhersagte. Als ich das ablehnte und für unnötig erachtete, wurde ich von der Personalabteilung kontaktiert, damit man mit mir besprechen könne, ob und wie man den Mitarbeiter gegen Abfindung zum Gehen bewegen könnte, denn er sei ein Minderleister. Ihr könnt Euch nicht vorstellen, wie lange es ging, bis ich den Streit vom Tisch hatte und endlich meinen Mitarbeiter in Ruhe arbeiten lassen durfte. Wir sprechen hier nicht von irgendeinem Neuling, der eh bald wieder geht und entsprechend fürs Unternehmen weniger "wert ist", sondern von einem verdienten Mitarbeiter, der seit 15 Jahren im Unternehmen war, fünf mal auf den Club durfte und konstante, gute Leistung abliefert, bei seinen Kunden akzeptiert und geschätzt ist und keinerlei Ansatz für Kritik bietet. Ausser, dass er eben nur fünf von 15 Jahren auf den Club durfte.

    Die Bezahlungssysteme in weiten Teilen des Vertriebs einiger amerikanischer IT-Hersteller haben sich zu völlig unkontrollierten Klüngeleien gewandelt, die hauptsächlich kurzfristigen Erfolg und das Kennen der Tricks im Bezahlsystem belohnen, anstatt dass die gewertete und bezahlte Leistung des Vertriebs mit einer strategischen Ausrichtung des Geschäfts einherginge.
    Die Bezahlsysteme folgen hierbei der Logik des spekulativen Handels und das ist Gift für Unternehmen, deren innere Kultur und langfristige Ertragslage dadurch erheblich beeinträchtigt wird.

    Von einem anderen IT-Unternehmen habe ich erst neulich mitbekommen, dass vom obersten Management für Direktkunden ein sogenannter Change of Channel verordnet wurde. Das Geschäft wird dann nicht mehr direkt mit dem Kunden abgewickelt, sondern über ein drittes Partnerunternehmen. Solche Umsätze werden zusätzlich zu den erwähnten Anreizen, die in ähnlicher Form auch dort gewährt werden, mit dem Faktor 1,3 bezahlt. Die Hintergründe wurden erstaunlicherweise gleich mit dargelegt: Dadurch, dass der Kundenname auf dem Papier wechselt, kann der Umsatz als gewonnener Neukunde ausgewiesen werden. Das ist für die Analysten im nächsten Quartal von höchster Bedeutung und damit eben auch für das Management.
    Die Realität ist jedoch, dass das Partnerunternehmen auch noch was verdienen will, der Kunde aber nicht mehr bezahlt (er wäre ja schön blöd...). Der Umsatz des eigenen Unternehmens sinkt, bei gleichbleibenden Kosten. Es lässt sich jedoch als Neugeschäft darstellen. Das ist eine linke-Tasche-rechte-Tasche Geschichte, bei der dummerweise beim Wechsel der Taschen 10-12% des Umsatzes dieser Geschäfte verloren geht. Es verdienen aber alle in Vertrieb und Geschäftsführung fürstlich daran und der Analyst, der nicht in der Lage ist, die globalen Zusammenhänge von aussen zu erkennen, glaubt an die positive Geschäftsentwicklung, weil so viele "Neukunden" in kurzem Zeitraum gewonnen werden. Im beschriebenen Fall hat man dem Produkt, einem Service, dabei noch einen anderen Namen gegeben, obwohl es die gleiche Dienstleistung ist und von den gleichen Leuten erbracht wird. Das lässt sich nämlich als erfolgreiche Innovation vermarkten: Ein "neues Produkt" hat innerhalb kurzer Zeit viele "Neukunden" gewonnen und ist so Beleg für die "Innovationskraft" des Unternehmens.
    Es ist also kurzfristig durch diese Bezahlanreize eine Win-Win-Situation für Vertriebsmitarbeiter, deren Manager und Analysten, wenn man am eigenen Ast sägt. Man gefährdet dabei aber aktiv die Arbeitsplätze der Kollegen, die die verkaufte Leistung später erbringen sollen, gefährdet den eigenen Erfolg in der Zukunft und schädigt in meiner Meinung nach schon ********ischer Weise das Unternehmen und seine Eigner. Es merkt nur keiner oder es will keiner wahr haben.
    Wir sprechen hier auch nicht von irgendeiner Klitsche, sondern von einem der weltgrößten IT-Unternehmen mit mehreren Zehntausenden Arbeitnehmern.

    Nicht nur, dass diese Orientierung an den Finanzmärkten anstatt an den Bedürfnissen der Mitarbeiter und des Unternehmens den langfristigen Unternehmenserfolg gefährdet, Innovation erschwert und unterbindet, Wissen auffrisst und die Mitarbeiterfluktuation in ungeahnte Höhen treibt. Die Gesundheit der Mitarbeiter wird bewusst und unter Inkaufnahme schwerster persönlicher Konsequenzen für die Mitarbeiter gefährdet, indem sie einer andauernden Druck- und Drohsituation ausgesetzt und zur Übererfüllung ihrer Ziele ohne Grenze nach oben getrieben werden, auch wenn mit diesen Maßnahmen nur ein kurzfristiger "Erfolg" erzielt wird und in der Zukunft die Erreichung der Ziele deutlich erschwert wird.

    Die einen sagen dazu "Personalentwicklung" und fühlen sich gut, denn die Mitarbeiter sind ja hochgradig erfolgreich und verdienen in aller Regel richtig fett Asche. The sky is the limit - in jeder Hinsicht, auch der morbiden. Seit ich in der IT bin, kenne ich plötzlich einen Haufen Leute mit Burnout-Erfahrungen, Herzinfarkten, Schlaganfällen und nicht nur einen, der einen Suizidversuch hinter sich hat, erfolgreich und erfolglos. Als ich mich noch im mittelständischen Maschinenbau rumgetrieben habe, waren das krasse Ausnahmen, die man vielleicht einmal in fünf Jahren irgendwo am Rande mitbekommen hat, bei Leuten jenseits der 50, diesem armen, bemittleidenswerten Kerlen, die sich und ihre Familien kaputt gearbeitet haben und nicht bei Kollegen Mitte 30. Das jemand mit Mitte 30 solche Gehälter kassiert, war jedoch auch die krasse Ausnahme, die man nur irgendwo am Rande mitbekommen hat.
    Und ist der Mitarbeiter dann "verbraucht" (diesen Ausdruck wählte die Personalchefin eines Konkurrenzunternehmens neulich bei einer Veranstaltung allen ernstes), wird er abgefunden und ersetzt.

    Diese Arbeits- und Umgangsweise würde einem natürlich den Vorwurf des menschenverachtenden Heuschreckendaseins einbringen, wenn man das nicht gezielt verschleiern würde.
    Das Triezen der Mitarbeiter wird als "Personalentwicklung" vermarktet und damit die Mitarbeiter sich "entwickelt" statt getriezt fühlen, garniert man das ganze mit Fortbildungsveranstaltungen mit Umfang bis über 60 Stunden im Jahr, die neben der normalen Arbeit laufen müssen und natürlich verpflichtend sind. If you fail to learn, you will fail to earn.
    Das Unternehmen schreibt dann noch einen sogenannten Code of Conduct, also die Verhaltensanweisung an alle. Wir dürfen niemand diskriminieren, wir müssen unsere Kollegen achten, wir müssen immer den Gesamtunternehmenserfolg im Auge haben, wir dürfen nicht bestechen, wir müssen Abweichler melden.
    Dazu noch etwas Hirnwäsche und die Sache ist rund. Nein, wir sind nicht einfach besser als der Wettbewerb. We will crush the competition and the others will beg for mercy once we start the next stage. We are disruptive to their business. We are not 2.0, we are 4.0 and we'll kill all those losers out there, because we'll dictate the speed at which the world rotates! Our wealth will be beyond your imagination! Das ist das Selbstverständnis in diesen Unternehmen. Aus eigener Erfahrung: Es ist erstaunlich schwer, sich diesem Mist zu verschließen, wenn er so verdammt süß entlohnt wird.

    Hinter dieser als Personalentwicklung getarnten Micro-Management-Taktik, der Hirnwäsche und der Verhaltensanweisung versteckt sich das Unternehmen. Die Personalentwicklung dient nur dazu, den Mitarbeitern unter teilweise haarsträubenden Verstößen gegen das deutsche Arbeitsrecht auf die Finger zu gucken (oder zu schlagen, je nachdem). Die Hirnwäsche braucht es, um die Leute motiviert bei der Stange zu halten. An den Verhaltenskodex hält sich das Unternehmen natürlich auch nur soweit, wie es nötig ist, um nicht in rechtliche Schwierigkeiten zu kommen. Von den gleichen Personalern, die über die Einhaltung des Verhaltenskodex wachen, wurden mir schon Beförderungen für Teammitglieder mit Begründungen wie "der kanns zwar, aber er ist zu jung" ausgeschlagen - ungeachtet dessen, dass die Personaler alle drei Monate unterschreiben müssen, dass sie niemanden diskriminieren dürfen. Darauf angesprochen ist die regelmäßige Antwort, dass sie nicht wüssten, wen das interessieren sollte.

    Spricht man diese Situation in einem Gespräch in kleiner Runde an, hört man von Leuten aus dem Topmanagement Sätze wie:
    - "Ja, ich weiß, aber wie sollen wir dann auf unser Einkommen kommen?"
    - "Ja, ich weiß, aber Du verdienst doch daran auch fürstlich!"
    - "Ja, ich weiß, aber die Analysten..."
    - oder auch: "Ja, ich weiß, aber es ist mir egal. Das Unternehmen hat die Halbwertszeit gerade erreicht und die nächsten drei Jahre sahne ich noch ab, bis ich dann mit Abfindung rausgeschmissen werde."

    Diese Leute sind verblüfft, wenn ich sage, dass ich schon mit meinem Grundgehalt + vielleicht 15% variabel völlig zufrieden wäre, wenn ich dafür wüsste, dass die Ziele nicht Jahr für Jahr um 40% steigen, wir endlich mal Einblick und Ziel auf Profitabilität bekämen und wir uns nicht dauernd mit kurzfristigen Helikopter-Maßnahmen, die Order per Mufti beschlossen werden, nachhaltig das Geschäft für die Zukunft versauen und die Erreichung der Ziele in den Folgejahren umso schwieriger machen. Stattdessen wird mir geraten, dass ich mich in die Reihe der Ratten, die eines Tages das sicher sinkende Schiff verlassen, eingliedern sollte, auf dass wir dann gemeinsam das nächste Schiff zum Sinken bringen. "Rats are smart, just like you and me!"

    Zusammenfassend: Die falsche Belohnung und das setzen von Bezahlungsanreizen, die nicht mit einer langfristigen und gesunden Unternehmensstrategie übereinstimmen, sondern lediglich kurzfristige Interessen des Finanzmarkts bedienen, stellen für alle Beteiligten meiner Meinung nach eine hohe und völlig unterschätzte Gefahr dar. Ein Unternehmen darf eben nicht ausgeben, was es will, solange es sich um das eigene Geld handelt, sondern ein Unternehmen hat Verantwortung seinen Mitarbeitern und Eigentümern gegenüber und hat diese Verantwortung beidseitig gefälligst wahrzunehmen.
    Sich als realwirtschaftliches Unternehmen an den Vorstellungen des Finanzmarkts zu orientieren, führt ganze Weltkonzerne in die Kraft- und Bedeutungslosigkeit in Sachen Innovation, Service und Produktentwicklung. Der Finanzmarkt verkennt dabei jedoch völlig, dass der realwirtschaftliche Erfolg des Unternehmens davon abhängt. Der Aktienkurs füttert keine Mitarbeiter, jedoch sind die der Grund für die Bewertung des Unternehmens.

    Corporate Governance ist wieder so ein Schlagwort, so eine Sau, die durchs Dorf getrieben wird. Man gibt dem ganzen mal wieder einen anderen Namen, wenn die Leute darauf kommen, was alles gerade schief läuft. Sobald Unternehmen nicht mehr vom Unternehmertum, sondern von den Finanzmärkten getrieben werden, wird sich die Übernahme von Verantwortung gegenüber Mitarbeitern, Kunden, der Gesellschaft und Umwelt genau in dem Maß ablaufen, in dem es nicht vermeidbar ist.

    Ich habe jetzt gut drei Stunden mit mir gerungen, ob ich diesen Beitrag absenden sollte oder nicht. Bis ich das selbst erlebt habe, hatte ich überhaupt keine Vorstellung davon, was ethisch verwerfliches Geschäftsgebaren ist und wie es sich auswirkt... Aber jetzt genug geklagt und stattdessen ein Buch zum Thema empfohlen: "Die bezifferte Welt: wie die Logik der Finanzmärkte das Wissen der Welt bedroht" von Colin Crouch.
    Gerade endlich mal die Zeit gefunden deinen Beitrag zu lesen Max. Vielen Dank, sehr interessant !!


    Grüße Dirk

  17. #137
    Gesperrter User
    Registriert seit
    11.02.2014
    Ort
    Norddeutschland
    Beiträge
    4.061
    ....Hättest du jetzt aber nicht zitieren müssen, Dirk.

  18. #138
    Steve McQueen Avatar von AndreasL
    Registriert seit
    28.03.2006
    Beiträge
    27.496
    Erneut besten Dank Max. Bin gleich unterwegs; werde es die Tage noch einmal in Ruhe lesen.

  19. #139
    Endgegner Avatar von Donluigi
    Registriert seit
    11.05.2005
    Ort
    Dorfi
    Beiträge
    47.854
    Blog-Einträge
    47
    Keine Fullquotes, bitte

  20. #140
    PREMIUM MEMBER Avatar von jk737
    Registriert seit
    20.04.2006
    Ort
    Wien
    Beiträge
    15.006
    Zitat Zitat von R.O. Lex Beitrag anzeigen
    Max, danke für Deinen Beitrag! Mein Einstieg in das Thema war wohl tatsächlich etwas ungeschickt. Aber dann, mehr als 4700 Hits und mehr als 120 Beiträge (OK, ein Gutteil davon Hasstiraden gegen mich) in weniger als 24 Stunden, das findet sich hier nicht alle Tage. Und es scheint mir, als läge das Thema doch mehreren am Herzen als es zunächst den Anschein hatte.
    Hut an von Deinem Post im anderen Thread. Ich hab diesen Thread und vorallem Deinen Post drüben auch als reine Neidkultur gesehen. Zuerst. Aber das hier hat eine gute Wendung genommen. Respekt

    In gewisser Weise oder vielen Branchen wissen die Mitarbeiter schon vorher worauf sie sich einlassen. Im verkauf wohl nicht. Bei uns - Wirtschaftsanwälten - weiß es aber jeder vorher ganz genau. Und die Zeiten ändern sich, die meisten wollen sich den Stress nicht antun: wir kriegen immer weniger Bewerbungen, sehr viele hören nach ein paar Jahren auf und wechseln in unternehmen. Die die bleiben, arbeiten viel und werden leistungsbezogen bezahlt. Durchaus gutes Grundgehalt und Möglichkeit sehr hoher Boni.
    Grüße -- Jürgen


Lesezeichen

Lesezeichen

Berechtigungen

  • Neue Themen erstellen: Nein
  • Themen beantworten: Nein
  • Anhänge hochladen: Nein
  • Beiträge bearbeiten: Nein
  •