Zitat Zitat von mactuch Beitrag anzeigen
Mal ganz ehrlich, Kollegen: Da wird jemand daheim ausgeraubt und alles was viele hier übrig haben ist "Selber schuld!" ???

Es mag sicherlich leichtsinnig sein, eine so umfangreiche Sammlung nicht irgendwie zu sichern, aber seit wann ist denn das Einbruchsopfer selber schuld? Das würde ich gelten lassen, wenn er ein Schild draußen an der Tür mit Verweis "Hier Uhrensammlung - bitte bedienen Sie sich!" angebracht hätte, doch das war ja schließlich nicht der Fall, oder? Schuldig ist der Dieb, niemand sonst.

Wenn man Euch die Uhr im Gedränge vom Arm klaut, seid Ihr dann auch selbst schuld, weil ihr überhaupt eine getragen habt? Wenn eine Frau belästigt wird, ist sie dann auch selbst schuld, nur weil Sie vielleicht keinen figurenförmigen XXXL-Sack getragen hat? Wenn eine Bank überfallen wird und die Täter mit der Beute entkommen, ist die dann auch selber schuld, nur weil sie keine Selbstschussanlagen installiert hat?

Freilich wäre mehr Sorgfalt beim Schutz der eigenen Wertsachen beim Opfer empfehlenswert und angebracht gewesen, aber zu sagen, er sei selber schuld dreht in meinen Augen die Welt auf den Kopf! Hinterher sind als immer schlauer...
Matthias, ich denke, Du vermischst hier zu viele Dinge miteinander.

In erster Linie handelt es sich hier um einen Wohnungseinbruch. Sowas steht nicht in Verbindung mit einem Trickdiebstahl, einer sexuellen Belästigung oder einem Banküberfall.

Klammern wir doch die anderen schlimmen Dinge einmal aus und halten uns fokussiert den geschilderten Wohnungseinbruch vor Augen.

Was heißt es denn überhaupt konkret, wenn man einem Opfer "selbst schuld" vorwirft?

Wir kennen doch überhaupt keinen Hintergrund und keinerlei Umstände des Geschehens, zumindest mir sind sie nicht weiter bekannt.

Vielleicht fand der Einbruch im Wochenendhaus des Geschädigten statt, wo er nur seine 60 Uhren herumliegen hat, die er ohnehin so gut wie nicht mehr trägt, weil sie ihm eigentlich gar nicht mehr gefallen. Seine "Kernsammlung" mit weiteren 300 Uhren befindet sich dagegen an seinem Hauptwohnsitz und ist sicher in Tresor untergebracht.

Vielleicht hat der Geschädigte auch eine geniale Versicherung und zahlt dafür horrende Beiträge, die ihm einen Rundumschutz auch ohne Tresor bieten. Oder er hat gar keine Versicherung, weil sie ihm zu teuer war. Oder, oder, oder...

Vielleicht diente die installierte Videoüberwachung zu Beobachtung seiner Haustiere, wenn Herrchen und Frauchen unterwegs waren. Oder er hatte sie installiert, weil er den Verdacht hegte, dass sein Sohn heimlich eine seiner heißgeliebten Uhren trägt.

Vielleicht ist er top versichert, aber die Versicherung wird nicht bezahlen, weil er die Kellertür hat offen stehen lassen. Vielleicht, vielleicht, vielleicht...


In jedem Fall hätte man diese Misere mit relativ wenig Aufwand zumindest in diesem Ausmaß durchaus verhindern können.

Natürlich ist es schlimm, dass man seine Wertsachen in seinen eigenen vier Wänden nicht mehr offen herumliegen lassen kann, ohne Frage. Aber ein gewisses Maß an Verantwortungsbewusstsein gehört nun mal zum Leben dazu. Und zwar in vielen Bereichen, nicht nur den materiellen Besitzstand betreffend.

Im übrigen bedeutet zumindest für mich der Begriff "selbst schuld" -den ich persönlich übrigens hier nicht verwendet habe- nicht gleich, dass einem die volle Schuld trifft. Aber eine gewisse Teilschuld ist hier nicht von der Hand zu leugnen. Wenn ich mein Auto doof an der Ecke parke, darf ich mich auch nicht ärgern, wenn ein anderer daran hängen bleibt. Isso.

Und "selbst schuld" würde ich auch nicht gleich mit Empathielosigkeit verbinden. Man kann durchaus auch Mitleid für jemanden empfinden, auf den dieses Attribut zutrifft.