Viele von uns verbinden Haute Horlogerie sicherlich (auch) mit der Handfinissage von Werkskomponenten .
Unterscheidet doch gerade diese ,
eine vollständig industriell hergestellte Uhr , von einem Stück "Handwerkskunst".
Ein Begriff übrigens , der von kaum einer anderen Branche derartig instrumentalisiert und überstrapaziert wird .
Ich bin ,bis vor ein paar Monaten davon ausgegangen, dass ein Hersteller wie AP ,selbst einem Massenkaliber (wie dem meines 44mm Offshore Chronos) ein klein wenig Handfinissage angedeihen lässt .
Nun las ich vor ein paar Monaten genüsslich die Autobiografie von AP und stieß ,
zum Ende des Buches hin, auf diesen Absatz ...
Ich bin fast vom Stuhl gefallen .
Um ehrlich zu sein, hielt ich diese Selbstauskunft für einen Witz .
Nach mehreren freundlichen E-Mails (Inhalt in Kurzform : "Welche Form von Handfinissage lassen ihren Standardkalibern angedeihen") welche alle keiner Antwort seitens AP würdig waren (was für ein Service!)
und mehreren Telefonaten mit der AP Servicehotline (niemand war zuständig), konnte ich doch noch Kontakt zu AP Uhrmachern herstellen.
Diese Uhrmacher (die sehr freundlich waren) , einer hatte bei AP in der Produktion (ua. der 3126 Kaliber) gearbeitet , sagten zu mir , dass sämtliche Standardkaliber wohl vollständig (!) maschinell finissiert sind .
Wirklich genaue Angaben , zb. ob vielleicht nicht wenigstens eine Handfinissage Technik (zB. Perlage) angewendet wird ,
konnte aber auch niemand machen (nur das "früher" einmal "manches" händisch ausgeführt wurde).
Ich persönlich empfinde dies nicht gerade als angenehm.
Bedeutet dies nun tatsächlich, dass bei AP ,unter 100k , Handwerkskunst (bei der Werksfinissage) nicht mehr vorhanden ist ?
Schaut euch mal Manufakturführungen von AP oder deren Eigenauskünfte zum Thema Handfinissage an ...
Was dort nicht erwähnt wird (bezüglich der Standardkaliber) spricht Bände .
Dies soll kein Bashing Thread werden .
Ich bin nach wie vor sehr glücklich mit meiner Offshore und werde sie nicht wieder hergeben.
AP selber schweigen sich (größtenteils) zu dem Thema aus.
Und ich habe außer den schwammigen Angaben der AP Biografie nur die Meinung zweier (immerhin AP) Uhrmacher .
Das ist ja nichts offizielles ...
weshalb es schön wäre ,
wenn irgendjemand mehr zu dem Thema beitragen kann .
Vielleicht könnte Percy ja mit seinen guten Kontakten nach Le Brassus Licht ins Dunkel bringen ?
Ich wäre jedem der konstruktiv zu diesem Thema beitragen kann dankbar .
Lg
Ergebnis 1 bis 20 von 91
Thema: AP und Handfinissage
Hybrid-Darstellung
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02.06.2019, 10:50 #1
AP und Handfinissage
Geändert von JamesMcCloud (02.06.2019 um 10:59 Uhr)
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02.06.2019, 11:56 #2
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Danke für die interessante Info! Bei einer Firma, die seit Jahren Fremdkaliber in Uhren zwischen 25k und 80k einbaut (Chronos), würde mich der von dir beschriebene Sachverhalt auch nicht wundern...
Eine schöne Uhr zeigt die Zeit an, eine schöne Frau lässt sie vergessen. - Maurice Chevalier
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02.06.2019, 12:19 #3ehemaliges mitgliedGast
Vielen Dank für die gleichermaßen bedauerliche wie erhellende Information, James!
Zwar besitze ich keine Uhr mehr von AP, dennoch könnte ich mir denken, dass dies bei anderen Herstellern der so genannten „Haute Horlogerie“ genauso gehandhabt wird.
Vermutlich werden die Uhren der Zukunft vollständig von KI-gesteuerten Robotern entworfen, hergestellt – und getragen!
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02.06.2019, 13:01 #4
Kaufe dir eine Grand Seiko, wenn du eine Uhr mit Handarbeit möchtest!
Dort wird das Gehäuse von Menschen an Maschinen geschliffen.
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02.06.2019, 13:16 #5
Wieviele Uhren baut AP im Jahr? Ca 40000?
Das jedes verbaute Werk komplett per Hand finissiert wird, ist dabei absolut unwahrscheinlich. Ich habe keinen detaillierten Einblick in Audemars Piguet, halte aber gewisse Parallelen zu anderen Häusern der Haute Horlogerie für sehr wahrscheinlich.
Und da gilt, dass Standardkaliber im Einstiegssegment weitestgehend maschinell, d.h. aber nicht zwingend industriell, dekoriert werden und bei der nachfolgenden Qualitätskontrolle wenn nötig mit der Hand nachgearbeitet wird. Dies trifft auf ein AP 3126 genauso zu wie auf ein 324SC von PP, ein 1315 von Blancpain oder ein 1326 von Vacheron Constantin. Man bedenke, dass handwerkliche Tätigkeiten oft sowieso unter Zuhilfenahme von Maschinen erfolgen, die Perlage ist dafür ein sehr gutes Beispiel.
In den Kollektionen, die von den Häusern der Haute Horlogerie zugeordnet werden, ist der Anteil an reiner Handarbeit deutlich höher. Als Beispiel kann hier die Anglierung dienen. Eine handpolierte Anglage ist unter dem Mikroskop im übrigen deutlich ungleichmäßiger als eine maschinelle Anglage.
Ich denke, je nach Produktionsvolumen und -segment nutzt jeder Hersteller der Haute Horlogerie unterscheidliche Stufen der Veredelung, und hält somit auch die notwendigen Handwerkskünste vor. AP konzentriert sie in der Einstiegskollektion auf Feinarbeiten an Gehäuse und Band, Blancpain nutzt sie z.B. in der Einstiegskollektion für die Handanglage des Basiskalibers 1315.
Ein Aspekt noch, der auch Beachtung verdient: die Werkzeuge, welche die Manufakturen der Haute Horlogerie für die Herstellung der Werksteile benötigen, werden dort auch selbst hergestellt... und dies meist per Hand und teilweise unter dem Mikroskop für besonders kleine Wertteile.
Der Begriff Manufaktur erklärt sich somit nicht nur durch die Dekoration der Uhrwerke, sondern auch durch die Fertigungsteife und die im Hause vorhandenen Handwerkskünste.
Grüsse
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02.06.2019, 13:20 #6
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02.06.2019, 13:30 #7
Vielen Dank für deinen fundierten Kommentar.
Bitte beachte aber das hier keine Diskussion über Handfinissage allgemein gestartet werden sollte sondern es hier einzig und allein um selbige bei AP Kalibern gehen soll .
Desweiteren schrieb ich , dass mir sehr wohl bewusst ist , dass in Massenkalibern nicht so viel Handarbeit steckt .
Was andere tun , spielt hier nicht wirklich eine Rolle . Desweiteren muss ich dich bezüglich PP korrigieren .
Alle Basiskaliber werden in der gleichen Qualität ( bei gleichen Bauteilen ) finissert wie komplizierte Modelle .Dies wurde übrigens in einem aktuellen Interview vom (bis vor kurzem) Präsidenten von PP USA bestätigt .
Jedes 324er oder 215er Kaliber wird von Hand angliert , perliert etc.
Darüber lässt sich im Netz genug nachlesen und sämtliche Mitarbeiter im Genfer Stammhaus bestätigen dies auf Nachfrage .
Gleiches gilt für ALS und eingeschränkt für VC.
Genau solche Richtigstellungen wollte ich vermeiden .
Bitte bei AP bleiben .Geändert von JamesMcCloud (02.06.2019 um 13:33 Uhr)
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02.06.2019, 13:36 #8
Wie Du meinst...
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02.06.2019, 13:46 #9
Lieber Shorty
,
ich wollte dich hier nicht abwürgen und schätze deinen ausführlichen Kommentar .
Er war nur leider etwas am eigentlich Thema vorbei .
Und was ich über PP geschrieben habe, ist kein Fanboy Gehabe, sondern wird von PP selbst so kommuniziert.
Ich will hier keine Glaubenskriege anfangen .
Meine eingangs formulierte Frage ist nur, ob AP wirklich alle Standardkaliber maschinell (einer Rolex ähnlich ) finissieren lassen .
Deshalb richtet sich dieser Thread primär an Menschen die aktiv etwas zur Aufklärung dieser Frage beitragen können.
Hätte ich die durchaus zweifelhaften Praktiken (bezüglich der Diskrepanz zwischen tatsächlichem Handwerk und Selbstdarstellung in der Werbung) der HH Fabrikanten genauer erörtern wollen, hätte ich dies im allgemeinen HH Bereich gepostet .
Geändert von JamesMcCloud (02.06.2019 um 13:49 Uhr)
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02.06.2019, 14:10 #10ehemaliges mitgliedGast
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02.06.2019, 14:10 #11
Alles gut, ich respektiere Deinen Ansatz absolut.
Es ist auch wirklich obsolet, hier generelle Aspekte betreffend Anspruch und Wirklichkeit der prestigeträchtigen Hersteller zu diskutieren. Ich betone somit einzig und allein meinen Punkt der realistischen Einschätzung bei gewissen Volumina an Jahresproduktion...
Ich bedaure, speziell hinsichtlich AP nichts weiteres beitragen zu können, verfolge die Diskussion aber mal interessiert weiter
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02.06.2019, 14:12 #12
Nee nee, unschuldig bin ich wahrlich nicht
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02.06.2019, 14:25 #13
Jürgen
Ich habe mich an deinem Beitrag nicht gestört.
Nur Eloys Verweis auf Seiko und das schleifen von Gehäusen war wirklich total daneben .
LgGeändert von JamesMcCloud (02.06.2019 um 14:29 Uhr)
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02.06.2019, 14:26 #14
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02.06.2019, 14:26 #15
Also als ich einmal AP besichtigt habe und die Produktionsstraße der "normalen" Drei-Zeiger-Kaliber sehen konnte, wurde mir klar, dass da weder etwas per Hand finissiert wird (im Gegensatz zur Produktion bei GO bspw.), noch auch nur ein Uhrmacher etwas mit der Montage einer Uhr zu tun hat.
Die Werke werden von Technikerinnen (die angelernt wurden) in Baugruppen montiert. Die einzelne Mitarbeiterin erhält quasi 40 Werke in einer Plastikschale, nimmt diese einzeln raus und fügt dann ein paar Zahnräder...Schrauben...was auch immer hinzu. Dann verschwindet das Werk wieder in der großen Kiste und sie macht dasselbe beim nächsten usw. usw.
Wenn das gesamte Werk sozusagen montiert ist, wird es maschinell geölt und dann wird (wieder maschinell) die Genauigkeit per Laser gemessen (ähnlich wie beim Auswuchten eines Reifens)...stimmt etwas aus Sicht der Maschine nicht, dann wird von der Maschine mitgeteilt, dass die Regulierschraube XY um XY Umdrehungen rein- oder rausgedreht werden muss. Wenn die Maschine dann grünes Licht gegeben hat, wird das Werk eingefasst ins Gehäuse. Dann kommt das Band dran und ab zur Auslieferung.
Der Leiter eines solchen Ateliers ist (soweit uns gesagt wurde) zumeist ein Uhrmacher.
Die "wirklichen" Uhrmacher, die also diesen Beruf gelernt haben, sind nur in den Ateliers für die großen Komplikationen zu finden. Dort allerdings montieren Sie, soweit ich es einschätzen kann, die Uhr komplett. Aber auch dort wird möglichst wenig von Hand finissiert...wie uns gesagt wurde, da die maschinelle Bearbeitung immer gleichmäßiger ist, als die menschliche Hand.
Die Regulierung bei den großen Komplikationen erfolgt dann auch eher per Hand...klar führt die Messung eine Zeitwaage durch, welche Schraube aber wie zu bewegen ist und, ob die Spirale bspw. verbogen werden muss...das entscheidet der Uhrmacher völlig selbstständig.
Fraglich ist auch, was "von Hand" bedeutet...meinst Du damit, dass jemand eine Platte mit XY Komponenten unter einem Schleifapparat von Hand durchschiebt oder meinst Du, dass die einzelne Politur jedes einzelnen Teils quasi von Hand ausgeführt wird?
Den größten "von Hand" Bearbeitungsanteil konnte ich in Glashütte sehen. Bei GO war dies sehr beeindruckend, wobei ich denke, dass andere Firme, wie ALS usw. dem in nichts nachstehen.
In der Schweiz generell (JLC, PP, VC ... diese habe ich besichtigt) wird meines Erachtens versucht, möglichst günstig und maschinell vorzugehen, auch bei PP konnten wir das sehen...wenn ich es nicht falsch verstanden habe. Es waren zum Zeitpunkt der Besichtigung bei PP etwa 20 Chinesinnen (da auch in dieser Branche nicht ausreichend Arbeitskräfte aus der Gegend rekrutiert werden können)...hätten sicher aber auch eine andere Herkunft haben können...damit beschäftigt, Kleinteile in unglaublicher Anzahl von einer Maschine zur nächsten zu bringen usw. von Hand wurde da teilweise poliert, aber nicht ausschließlich.
Das Marketing relativiert das Ganze dann wieder. Aber das ist nur meine Meinung
Mein Tip...besuche die für Dich interessanten Firmen und mach Dir selbst einen Eindruck.Geändert von uhrenfan_rolex (02.06.2019 um 14:31 Uhr) Grund: Ergänzung
Beste Grüße, uhrenfan_rolex
"Man reist nicht um anzukommen, sondern um zu reisen (J.W.v.Goethe)."
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02.06.2019, 14:31 #16
Da muss ich leider nochmal reinspringen... was Du beschreibst, ist die Assemblierung der Uhr. Jegliche Dekoration wird vorher an den einzelnen Bauteilen vorgenommen. Ob und in welchem Umfang dies maschinell oder per Hand geschieht, ist Deinem Beitrag nicht zu entnehmen...
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02.06.2019, 14:36 #17
Wenn das so gehandhabt wird finde ich das schade und bin etwas enttäuscht.
Offtopic:
Dennoch darf man nicht vergessen, das z.b. Das Band deutlich mehr Handarbeit benötigt, als das anderer Hersteller.
Nur 1/3 der Zeit geht in den Schliff des Bandes.
Hinsichtlich dessen gleicht sich der Handarbeitsaufwand im Vergleich zu anderen Herstellern aus.VG Ardi
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02.06.2019, 14:39 #18
Vielen Dank für deinen ausführlichen und der Sache absolut dienlichen Beitrag .
Was du schreibst finde ich dennoch absolut beschämend für den Hersteller .
In Anbetracht der Tatsache , dass die Werke (in der Breite) absolut unterirdische Gangwerte haben und meistens nicht mal 5 Jahre problemlos durchlaufen ,
ist dieser Mangel an Handwerk noch schwerer zu verdauen.
Man hätte sonst ala Rolex argumentieren können, dass die Uhren dafür präziser und zuverlässiger laufen ...
Zum Thema was ist Handfinissage ...
Bei Anlage zB. reicht es , wenn jemand mit dem batteriebetriebenen Werkzeug angliert.
LgGeändert von JamesMcCloud (02.06.2019 um 14:47 Uhr)
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02.06.2019, 14:46 #19
Richtig...soweit ich es sehen konnte, wurde (zumindest bei PP) manche Teile komplett von Hand poliert (also das einzelne kleine Zahnrad) und andere maschinell...welche Teile dann für welches Kaliber verwendet werden konnte ich nicht erkennen. Es ist sicherlich schwer als Außenstehender da eine abschließende Erkenntnis zu gewinnen, zumal die Firmen es Dir nicht völlig offenbaren werden.
Das erschien mir auch so...Metallbänder sind super aufwendig in der Herstellung...
Sehe ich auch so...daher habe ich mich auch von Herstellern, wie AP, JLC, VC usw. abgewandt. Mir ist nicht mehr klar, wofür man das viele Geld eigentlich ausgibt bzw. welchen Gegenwert man dafür erhält, wenngleich das wieder eine lange Diskussion nach sich ziehen könnte ;-)Geändert von uhrenfan_rolex (02.06.2019 um 14:47 Uhr)
Beste Grüße, uhrenfan_rolex
"Man reist nicht um anzukommen, sondern um zu reisen (J.W.v.Goethe)."
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02.06.2019, 15:19 #20
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