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  1. #1
    PREMIUM MEMBER Avatar von Bullit
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    Inside 5513 - Part II

    Welcome back. Weiter geht's mit meiner 5513. Was die Themen Sauna und Ländercode für die Uhr sind, sind wahrscheinlich die Themen Reinigung und Ölen für das Werk. Jeder hat 'ne Meinung, jeder weiß es besser und die anderen haben sowieso keine Ahnung. Eine gute Reinigungsmaschine ist natürlich das Optimum. Aber für die paar Uhren, die ich im Jahr anpacke, so ein Trumm in die Bude stellen? Och nö. Daher habe ich mir nach einigen Experimenten selber meine kleine Reinigungsstraße gebastelt.

    Schritt 1: Grobe Vorreinigung mit Reinigungsstäbchen und Putzholz. Dann Sichtkontrolle auf Schäden (Ausbrüche, Riefen, Grate). Vermessen der Zapfen fällt leider aus, da ich die Soll-Werte ja gar nicht kenne.

    Schritt 2: Ultraschallreinigung der Einzelteile (außer Unruh und Anker) in spezieller Reinigungslösung. Hierzu wird ein High-Tech-Multicomponent-Drahtgeflechtträger (also zwei zerlegte Tee-Siebe vom Kaufhof) in ein Aldi-US-Gerät gelegt.

    Schritt 3: Spülen der Teile in destilliertem Wasser.

    Schritt 4: Spülen und Entwässern der Teile mit Hilfe von Wundbenzin.

    Schritt 5: Trocknen.

    Schritt 6: Sonderbehandlung für Unruh und Anker: Spülen in One-Dip (Bergeon-Spezial-Teufelszeug).














    Bei der folgenden Montage werde ich nicht auf jede einzelne zu ölende Stelle eingehen, die findet der geneigte Nachahmer im Ölplan. Es sei nur kurz angemerkt, dass Öl nicht gleich Öl ist. Ich verwende in diesem Fall allein 6 verschiedene Schmierstoffe:

    - dünnflüssiges Öl für schnelllaufende, wenig belastete Zapfen (z.B. Unruh)
    - zähflüssiges Öl für stärker belastete Zapfen (z.B. Minutenrad)
    - Fett (z.B. für Aufzug)
    - Spezialöl für Ankerpaletten
    - Spezialfett für die Innenwand des Federhauses
    - Silikonfett für Dichtungen





    Los geht's mit der Montage. Erstmal bekommt die Federhauswand ihr Fett weg, anschließend gönne ich der Uhr eine neue Zugfeder.











    Die Steine erhalten nach der Reinigung ein Tröpfchen Öl (auf den Deckstein, dann Lochstein drüberstülpen). Dann einsetzen und Räderwerkmontage.





    Die Räderwerkbrücke ist immer wieder eine Herausforderung. 4 munter in der Gegend rumwackelnde filigrane Zapfen in die entsprechenden Löcher der Brücke reinbugsieren - kein Job für Grobmotoriker und/oder Ungeduldige. Ein paar Tropfen Öl in die Lagersteine, dann der Pustetest. Wenn alle Räder so leichtgängig laufen wie gewünscht, dann reicht schon ein Luftzug um das System in Drehung zu versetzen.





    https://vimeo.com/170316593


    Sieht gut aus, läuft wie ein Uhrwerk. Winkelhebelschraube, Federhausbrücke, Kronrad, Gesperr und Sekundentrieb wieder drauf.














    Aufzugswelle und Hebelwerk, hier und da bisschen fetten. Ein paar Zähne aufziehen und schauen, ob das Räderwerk weich abläuft. Tut es.





    Jetzt kommt der Anker rein. Dann wird die Ausgangspalette geölt und der Anker 4 mal mit einem Zahnstocher betätigt - so verteilt sich das Öl auf mehrere Zähne des Ankerrads. Diese Prozedur wird noch 2 mal wiederholt. Dann befindet sich die richtige Menge Öl im System Anker - Ankerrad und verteilt sich nach ein paar Stunden Laufzeit automatisch gleichmäßig auf Zähne und Paletten.





    Die Rückkehr der Unruh.





    Der Moment der Wahrheit - Aufziehen - Läuft!

    Hier mal ein Zeitlupen-Video (25% Geschwindigkeit) zur Veranschaulichung der Arbeitsweise der Hemmung. Man kann gut die "pumpende" Spirale der Unruh erkennen. Beim Null-Durchgang betätigt die Unruh den Anker. Auch schön zu sehen, wie sich mit jedem Schritt des Ankerrads das über diverse Zwischenräder damit gekoppelte zentrale Zahnrad (auf dem ja der Sekundenzeiger sitzt) einen Schritt weiterdreht - die Erklärung für den ruckelnden Lauf des Sekundenzeigers.


    https://vimeo.com/170316303


    So, das lassen wir jetzt erstmal 24 Stunden einlaufen, bevor es zum ersten Mal auf die Zeitwaage geht. Inzwischen wird der Rotor wieder zusammengesetzt und geschmiert.











    24 Stunden später, Zeit für eine erste Analyse. Die Zeitwaage weist einen Abfallfehler von 2.0 ms aus, zu viel. Das lässt sich über den Hebel links an der Unruh einstellen. Die Gangabweichung beträgt 30 s pro Tag und kann über den unteren Hebel reguliert werden. Amplitude passt.








    Das sieht doch schon viel besser aus. So werde ich das Werk erst mal einbauen und das Gangverhalten in der Praxis beobachten.





    Schon mal die Zifferblatt- und die Werkhalteschrauben einsetzen.





    Minutenrohr und Stundenrad montieren.








    Blatt wieder drauf und mit den seitlichen Schrauben sichern, dann Zeiger drauf.











    Werk montieren (und vorher 5 mal kontrollieren, dass das Glas von innen auch wirklich sauber ist und kein Fussel zwischen Blatt und Glas durch die Gegend fliegt, über den man sich später ärgern müsste). Automatik wieder drauf.








    Dichtung fetten, Deckel druff und Band ran. Geschafft.











    Beobachtete Gangwerte nach 2 Tagen am Arm: jeweils -7 Sekunden pro Tag. Also nochmal leicht nachjustiert und jetzt +1 Sekunde pro Tag. Passt fürs Erste. So lasse ich sie jetzt mal laufen.

    War die Operation also ein Erfolg? Das werde ich in 5 Jahren wissen. Wenn die Uhr dann immer noch so gut läuft und sich kein Öl auf die Sichtseite des Blatts oder in die Leuchtmasse der Zeiger vorgearbeitet und diese unschön verfärbt hat, dann war das gute Arbeit. Unabhängig davon hat die ganze Aktion aber einen Riesenspaß gemacht (also mal abgesehen von den 2 Stunden, während denen ich auf Knien über den Küchenboden gerutscht bin, um diese verdammte runtergefallene Schraube wiederzufinden ). Es sei noch angemerkt, dass der gesamte Ablauf keineswegs so glatt über die Bühne ging, wie dieser Thread nahelegt. Mangels Erfahrung bin ich in x Sackgassen gerannt oder habe für bestimmte Arbeitsschritte Stunden statt Minuten gebraucht. Egal, bei der nächsten Uhr wird’s deutlich besser laufen. Und eine Wunschliste für die nächsten Spezialwerkzeuge, die ich unbedingt noch brauche, gibt’s auch schon.

    Nochmal ein Riesen-Dankeschön nach Wien für die Unterstützung!

    In Teil 1 kam ja die Frage nach Arbeitsplatz und Werkzeug auf. Da ich in einer eher kleinen Stadtwohnung lebe, muss der Küchentisch als Arbeitsplatz herhalten, die Höhenanpassung auf ein ergonomisch passendes Niveau erfolgt über eine IKEA-Holzkiste. Das Reinigungsequipment und die Schmierstoffe habe ich ja schon weiter oben gezeigt, hier die weiteren verwendeten Werkzeuge.





    Zeitwaage, Staub-Ausbläser, Arbeitsunterlage, Gehäuseöffner, Gehäusehalter, Ölnapf, Lupen, Schraubendreher, Werkhalter, Montagekissen, Zeigersetzer, Ölgeber, Pinzetten, Zifferblattschutz, Zeigerabheber, SD-Band-Tool, Minutenrohrabheber, Flachzange, Putzhölzer, Zahnstocher und Rodico-Masse. Der obligatorische 1328-Behälter fehlt im Bild, war aber natürlich dabei.


    Danke fürs Reinschauen.


    Gruß

    Erik
    "Ich bin Mr. Wolf. Ich löse Probleme."


  2. #2
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    Einfach nur

  3. #3
    PREMIUM MEMBER Avatar von november bravo
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    Cool, gut gemacht.

  4. #4
    PREMIUM MEMBER Avatar von mojohh
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    Wahnsinn, vielen Dank!

  5. #5
    Steve McQueen Avatar von Vanessa
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    Verbrauch 1328/Uhrwerk?
    Gruß,

    Michi

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  6. #6
    GMT-Master Avatar von ErimSee
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    Ganz groß!
    Grüße aus Berlin
    Volker

  7. #7
    GMT-Master
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    *verneig* Hammermässige Arbeit.
    Als du die 7 Sekunden nach zwei Tagen festgestellt hast, hast du das Uhrwerk dann extra noch einmal heraus genommen, oder geht die Einstellung auch "von hinten"? Sorry, falls die Frage etwas "zu doof" ist, aber ich frage mich das gerade wirklich
    Viele Grüße, Phil

  8. #8
    PREMIUM MEMBER Avatar von Bullit
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    Zitat Zitat von Vanessa Beitrag anzeigen
    Verbrauch 1328/Uhrwerk?
    8 Einheiten.

    Gruß

    Erik
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  9. #9
    Steve McQueen Avatar von AndreasL
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    Sieht doch genial aus und zum Glück hast Du nicht Deine Fluche während der Suche auf dem Boden gefilmt.

  10. #10
    PREMIUM MEMBER Avatar von Bullit
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    Zitat Zitat von ph1l Beitrag anzeigen
    Als du die 7 Sekunden nach zwei Tagen festgestellt hast, hast du das Uhrwerk dann extra noch einmal heraus genommen, oder geht die Einstellung auch "von hinten?
    Man muss nur den Deckel aufschrauben, dann kommt man problemlos an den Einstellrücker ran.

    Gruß

    Erik
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  11. #11
    Respekt! Gaaaaanz grosses Kino!

    Danke fürs zeigen!

    G.

  12. #12
    Steve McQueen Avatar von Vanessa
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    Zitat Zitat von Bullit Beitrag anzeigen
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    Gruß

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    Gruß,

    Michi

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  13. #13
    PREMIUM MEMBER Avatar von FriendlyAlien
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    absolut genial.
    Gruß Robert


  14. #14
    PREMIUM MEMBER Avatar von Jacek
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    am geilsten finde ich den "High-Tech-Multicomponent-Drahtgeflechtträger"

    „Wir werden vom Schicksal hart oder weich geklopft; es kommt auf das Material an.“

  15. #15
    Klasse Doku. Besten Dank!

    Ach ja, sollte es zu einer Sammelbestellung des High-Tech-Multicomponent-Drahtgeflechtträger kommen bin ich selbstverständlich dabei.
    Geändert von 1325fritz (13.06.2016 um 21:17 Uhr)
    Gruß Fritz

  16. #16
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    Wahnsinn!!
    Liebe Grüsse, Guy

  17. #17
    Yacht-Master Avatar von marcel-wien
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    Zitat Zitat von Bullit Beitrag anzeigen
    Nochmal ein Riesen-Dankeschön nach Wien für die Unterstützung!
    Gerne, aber den Großteil hast du ja selbst erledigt

  18. #18
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    Einfach nur .

    Ich finde es toll, wenn man sich an derartige Filigran-Arbeit heranwagt. Hoffentlich läuft das Werk und läuft und läuft ohne die von Dir angedeuteten "Auslauf-Möglichkeiten".
    Viele Grüße

    Ariane

  19. #19
    PREMIUM PFÄLZER Avatar von heintzi
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    Genial
    Es grüßt der Stephan


  20. #20
    Deepsea Avatar von dirkm
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    Einfach nur der Hammer!
    Grüße
    Dirk

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