Vorwort: Nein, ich habe noch nie einen Ferrari besessen.

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Gestern sehr früh morgens bekam ich in der Redaktion einen Ferrari -Schlüssel überreicht mit der Bitte, das Fahrzeug für Fotoaufnahmen zu übernehmen. Welcher Ferrari??? Auf dem dunklen Gelände hatte ich gar keinen Ferrari wahrgenommen! Bevor ich also frierend durch die Reihen der eingefrorenen Testfahrzeuge tigere, drücke ich den Türöffner, und es blinkt tatsächlich in einer dunklen Ecke. Erst jetzt nehme ich ihn wahr: ein nachtblauer GTC4 Lusso, der erste, den ich live gesehen habe. Der erste Eindruck erweckt kaum Respekt, das Auto erinnert mich fast ein wenig an den rasenden Turnschuh meines Bruders, das Z1-Coupé, nur etwas größer.

Im Innenraum erst einmal Ruhe bewahren: Die Bedienung ist für mich ungewohnt, fast alles befindet sich im Lenkrad. Beim Starten ein kurzes Gebrüll, dann brabbelt der fette Motor in leicht erhöhtem Leerlauf. Der Rückwärtsgang wird über einen Knopf in der Mittelkonsole eingelegt, Kameras schalten sich ein. Vorsichtig schaukle ich das Ding aus der Parklücke. Wie geht es jetzt wieder vorwärts? Na klar, die Schaltwippe.

Bei drei Grad Minus im vorsichtigen Regen-Modus auf der salzfeuchten Industriestraße taste ich mich mit dem Auto Richtung Autobahn. Berufsverkehr. Kaum jemand der Verkehrsteilnehmer nimmt das Auto wahr. Es wird heller, ich drehe den Button im Lenkrad von Rain auf Comfort und trete aufs Gas. Die Front hebt sich leicht an, etwas Schlupf an den Vorderrädern bei 120km/h, und dieses Geschoss bellt wie ein Kampfhund, um mit Urgewalt nach vorn zu schießen. Ich erschrecke kurz, denn plötzlich und in Sekundenbruchteilen erscheinen immer mehr rote Leuchten im Lenkradkranz, was mir zuvor nicht bewusst war. Das Ding ist im Berufsverkehr mit Vorsicht zu genießen. Der Sound ist brachial. Das hätte ich diesem vollledernen Luxusteilchen nicht zugetraut. A real dog of two head.

Nach 200km geht es an die Tankstelle am Zielort, einem malerischen Städtchen. Zweihundert Meter vorher halte ich an, um nicht coram publico erst an der Zapfsäule nach dem Öffner des Tankdeckels suchen zu müssen. Dort interessiert sich niemand für den Ferrari, dessen Schönheit sich erst dem zweiten Blick offenbart. 130 Euro später ändert sich dies schlagartig. Beim Anlassen gibt der riesige Zwölfzylinder ohne mein Zutun einen Brüll von sich, der alle Köpfe fliegen lässt.

Am Treffpunkt ist es endlich hell und sonnig, der Blaue glitzert im Schnee. Der Tester hat Winterreifen, Gott sei Dank, auch wenn sie beinahe an Intermediates erinnern. Erst jetzt habe ich Gelegenheit, mich mit dem Auto näher zu befassen. Albern: ein klappriger Gurtbringer aus Hartplastik, aber sonst

Gimmicks wie ein zuschaltbares zweites Display im Dash mit Drehzahlmesser pp. für den Beifahrer entdecke ich erst jetzt. Nach weiteren Stunden mit Fotofahrten und Detailaufnahmen in allen Blickwinkeln wechsle ich für Vergleichsfotos auf einen Porsche. Den Porsche mit dem längsten Namen, den ich bisher las:

"PORSCHE PANAMERA TURBO S E-HYBRID SPORT TOURISMO"

Was für ein Name! Schnell stelle ich fest, dass dieses "Elektroauto" dem Schönling aus Maranello auch in puncto Fahrleistungen kaum nachsteht. Das Ding kann gefühlt ALLES. Aus dem Lutschbonbon der Urversion ist ein bildhübsches Auto geworden.

Am Abend geht es zurück über die volle A61. Ich darf das Fahrzeug wählen und nehme den Porsche. Das Navi lotst mich wegen der vielen Staus bei Brühl von der Bahn und leitet mich durch die Kölner Innenstadt. Längst habe ich die vielen Anzeigemöglichkeiten durchgescrollt und verharre bei der Darstellung des E-Modus. Gleichnamigen stelle ich per Drehknopf im Lenkrad ein und rausche beinahe lautlos durch die City. Meine erste elektrische Fahrt.

Beide Autos sind für mich finanziell nicht erreichbar. Aber immer noch ist mir die schnelle Vorbeifahrt unseres Testchefs im GTC im Ohr und der helle aggressive Sound des Zwölfenders, der sich beim Entfernen in einen bösen Bass wandelt, der jedem NASCAR zur Ehre gereichen würde. Fast schon bekomme ich ein schlechtes Gewissen, als ich darüber sinniere, doch den Porsche besser zu finden, der mir gar beinahe wie das beste Auto der Welt vorkommt.

Ein Dé*jà-vu: es erinnert mich an meine erste Ferrari-Fahrt Ende der Achtziger Jahre. Es gilt, einen brandneuen 328 GTS in Belgien abzuholen. Enzo war gerade ein paar Wochen tot, und es gab quasi keine Ferraris mehr zu kaufen. Besonders die Preise für Modelle ohne Kat, wenn sie zu seinen Lebzeiten gebaut wurden, schossen in astronomische Höhen. Was für ein Auto! Selbstbeherrschung ist gefragt, das Ding war neu. Mittags wird es vom stolzen Eigentümer übernommen. Am Nachmittag dann geht es von Stuttgart aus zurück an den Niederrhein, in einem 560 SEC. 300 PS - einsteigen, losfahren. Alles passt sofort, die Bedienung ist selbst erklärend. Als Strichacht-Fahrer komme ich sofort klar.

Auch hier entschied ich mich trotz aller Emotionen seinerzeit gedanklich für den Benz. Und hatte ein schlechtes Gewissen dabei