Krass. Mit diesem Wort muss mein Fahrbericht über den C63 AMG einfach beginnen. Das ist mir spätestens klar, als ich auf dem Beifahrersitz des palladiumsilbernen C63S sitze, der gerade über die Curbs des Autódromo Internacional do Algarve räubert.



The race is on – Testfahrten auf dem Autódromo Internacional do Algarve


“Erstaunlich, was ein Serienfahrzeug heute so alles kann, oder?” fragt mich der Instruktor, neben welchem ich Platz genommen habe. “Und dabei werden viele damit nur morgens die Kinder in den Kindergarten bringen.”





Ich muss schmunzeln. Da hat er Recht, denke ich mir. Oder mal schnell zum Einkaufen fahren. Aber irgendwie war das doch schon immer so. Ich bin mir sicher, schon der erste schnelle “Babybenz”, der 190 E 2.3-16 vor gut dreißig Jahren, wurde eher für schnelle Rundenzeiten zwischen heimischer Garage und Supermarkt genutzt denn wirklich auf der Rennstrecke.





“Babybenz” – dieses Wort würde heute wohl niemandem mehr einfallen beim Blick auf den Mercedes-AMG C 63, Baujahr 2015. Das liegt nicht nur an den gut 30 Zentimetern Längenzuwachs über die Jahrzehnte sondern vor allem an den schon abartig großen Lufteinlässen der Frontschürze, den fast unanständigen Kotflügelverbreiterungen und den zwei äußerst prägnanten Powerdomes auf der Motorhaube.



Mercedes-AMG C 63 Limousine in designo diamantweiß bright


Hier kommt was Dickes. Wer das nicht schon auf den ersten Blick bemerkt, der hat von Autos nun wirklich keine Ahnung und dem hilft der AMG dann eben auch noch akustisch auf die Sprünge. Mit dem kraftvollen Sound eines Supersportlers.





Downsizing, mein neues “Lieblingswort”, welches inzwischen in keiner Fahrzeugvorstellung mehr fehlen darf, ist allerdings auch beim C-Klasse Spitzenmodell angesagt. Beim Hubraum nämlich. Der schrumpft von 6,2 auf 4,0 Liter.





Geblieben aber ist man bei acht Zylindern, was alleine ja schon erfreulich ist. Unterstützt werden sie nun aber auch noch von zwei Turboladern, welche innerhalb des Zylinder-V angeordnet sind. Ein “heißes Innen-V” nennen das die Fachleute. Gut zu wissen.





Ebenfalls gut zu wissen, dass der Neue nun rund 32 % weniger verbraucht als sein Vorgänger und man somit im sparsamsten Achtzylinder-High-Performance-Fahrzeug weltweit (8,2 Liter, 192g CO2) unterwegs ist. Das beruhigt dann auch noch gleich das grüne Gewissen.





Hier auf der knapp 4,7 Kilometer langen Rundstrecke nördlich von Portimão dürfte der Verbrauch heute dann allerdings doch den ein oder anderen Liter über den Werksangaben liegen.





Spaß kostet halt. Sprit, Reifen und Geld. Im Falle des AMG C 63 beginnt der Spaß bei 76.100,50 Euro, der AMG C 63 S startet bei 84.371 Euro.





Was man dafür bekommt ist – Krass! 476 PS im Falle des C 63, 510 PS sogar beim S. Das entspricht einer Literleistung von 119,5 bzw. 128,1 PS bzw. einem Leistungsgewicht von 3,4 (S: 3,2) Kilogramm pro PS.





Der Motor, eng verwandt mit dem des neuen Mercedes-AMG GT, entwickelt beim C 63 650 Nm Drehmoment, beim C 63 S gar 700 Nm.



Mercedes-AMG C 63 S in brillantblau metallic


Auf kurvigen Bergstrecken bedeutet das einen Höllen-Spaß, auf der Rennstrecke fühlt man sich augenblicklich wie in der guten alten DTM. Für meinen Instruktor allerdings gleicht der Kurs eher eine Spazierfahrt. Ganz lässig, ohne die geringste Mühe, steuert er den AMG durch die Kurven, mit einer Hand am Walkie-Talkie. Wir sind nämlich nicht alleine. Hinter uns: drei weitere C 63 S.





In einem davon saß ich ein paar Minuten zuvor und durfte selbst mein “Können” beweisen. Jetzt, als Beifahrer eines Profis, weiß ich, dass bei meiner eigenen Rundenzeit wohl nur noch die gehäkelte Toilettenrolle und der gute alte Wackeldackel auf der Hutablage gefehlt hätten, um das Bild perfekt zu machen.



Maske und Helm alleine machen noch keinen Rennfahrer


Ob der Kommentar eingangs auf mich gemünzt war? Könnte schon sein. Der Test auf Alltagstauglichkeit eines solchen Renngefährts liegt mir in der Tat schon deutlich mehr. Verlassen wir daher die Rennstrecke und beginnen mit einer im Alltag recht wichtigen Disziplin: dem Ampelstart. 4,1 Sekunden braucht der C 63 aus dem Stand auf Tempo 100. Der S schafft es sogar in 4,0 Sekunden.



Dafür bleibt, selbst ohne Helm….



… ein Rennfahrer stets Rennfahrer. DTM Legende und Mercedes Instruktor Bernd Schneider


Damit auch weniger versierte Fahrer wie ich damit nicht überfordert sind, gibt es die Race Start Funktion. Mit dem linken Fuß die Bremse gedrückt halten, beide Schaltpaddles ziehen, schon erscheint eine Informationsmeldung auf dem Display. Kurz durch Ziehen des rechten Paddles bestätigen, nun Gaspedal bis zum Anschlag durchdrücken und bei Grün dann einfach nur noch den Fuß von der Bremse nehmen.





Mich drückt es in den wunderbaren Performance Sitz und ich kann der Geschwindigkeitseinblendung des Head-up Displays kaum noch folgen weil gleichzeitig einfach zu viele Endorphine ausgeschüttet werden. Was war das bitte? Krass!! Am Besten gleich nochmal!





Zur puren Beschleunigung gesellt sich der atemberaubende Sound des V8, in dem Fall noch einmal gesteigert durch die Performance Abgasanlage mit drei Klappen (1.190 Euro).





Nee, dezent ist anders. Auf der kurvigen Bergstraße zwischen São Marcos da Serra und Monchique drehen sich Passanten reihenweise um, wenn das AMG Speedshift MCT 7-Gang Sportgetriebe lautstark herunterschaltet. Zwischengas und Fehlzündung inklusive. Ich liebe diese Symphonie beim SLS und die des C 63 kommt da akustisch schon sehr sehr nahe heran.





Die Einheimischen sind, zumindest hier in der ländlicheren Region Portugals, ebenso begeistert. “Bonito” ruft etwa die ältere Frau, die am Straßenrand Orangen und Zitronen verkauft und schaut sich das Hinterteil des C 63 ganz genau an.



“Bonito” der C 63 findet erste Fans


Ein LKW Fahrer gestikuliert, man möge ihn doch bitte überholen und dabei mal so richtig aufs Gas treten. Kein Problem. Ein langes Ziehen am Schaltpaddle, schon wechselt das Getriebe in den niedrigsten verfügbaren Gang und es knallt verrucht aus dem Auspuff. Ein potenter Sound, der in deutschen Großstädten allerdings schätzungsweise auf nicht ganz so viel Zuspruch stoßen wird wie hier.





Gar kein Problem, denn fairerweise muss man an dieser Stelle erwähnen – es geht auch anders. Mit dem Dynamic Select Rädchen auf der Mittelkonsole kann man zwischen den Fahrprogrammen Comfort, Sport und Sport+ wählen. Je nach gewähltem Programm ändern sich Parameter wie Fahrwerk, Lenkung, ESP und Spritsparfunktion, Start-Stopp und Segeln inklusive. Beim S-Modell steht noch ein zusätzliches Race Fahrprogramm für den Einsatz auf der Rennstrecke zur Verfügung.



Displays in Carbon-Optik und spezielles AMG Menü


Und wem diese vordefinierten Programme nicht reichen, der kann sich im Individual Modus sein eigenes Fahrprogramm zusammenstellen und abspeichern. Etwa die Dämpfereinstellung in Comfort, dazu die Abgasanlage in Sport Plus und das ESP in den Sport Handling Mode um nur eine Möglichkeit zu nennen.





Alle Funktionen lassen sich auch noch durch Knöpfe in der Mittelkonsole schnell verstellen, sodass man beispielsweise in jedem Programm den Auspuff bei der nächtlichen Heimkehr direkt leise schalten kann. Die Nachbarn werden es danken.



Dynamic Select und Knöpfe für den manuellen Schaltmodus, Dämpfer und ESP


Hier und heute bleibe ich allerdings im Sport+ Modus mit straffem Fahrwerk, lautem Sound aber voller ESP Unterstützung. Diese erlaubt sogar kleinere Drifts, erweist sich aber ansonsten als Rundum Sorglos Paket. Der C 63 macht einen riesen Spaß. Und er ist verdammt nochmal richtig krass!!








In ihm trifft DTM auf Luxus im S-Klasse Format. Die Verarbeitung im Innenraum ist äußerst hochwertig und selbst das freistehende Display über der Mittelkonsole, normalerweise nicht ganz so meins, wirkt hier erstaunlich wenig als Fremdkörper.



AMG Performance Lenkrad mit 12-Uhr-Markierung


Schade allerdings, und für mich ein wenig unverständlich, dass die hübsche IWC Borduhr nicht bei allen Versionen mit dabei ist. Ihr Einsatz hängt indes von den gewählten Zierelementen ab. Für diese Info muss man die Preisliste recht genau studieren. Und die ist Mercedes-typisch äußerst umfangreich.



LED Intelligent Light System


Manche Optionen wie Sitzheizung, Rückfahrkamera, Keyless-Go oder das Ablagenpaket sollten meines Erachtens bei einem solchen Auto zwar zur Serienausstattung gehören, zumindest bei den sicherheitsrelevanten Features lassen sich die Stuttgarter aber nicht lumpen.



AMG Carbon-Paket Exterieur II



Teil des AMG Carbon-Paket Exterieur I


Adaptive Break, Attention Assist, Kollisionswarner, Brems-, Seitenwind- und Lenk-Assistent sind mit an Bord, auf Wunsch noch unterstützt vom Totwinkel-und Spurhalte-Assistent, Distronic, Parktronic, 360-Grad-Kamera und und und.





Meine Empfehlung ist das AMG Performance Lenkrad in Nappa-Leder mit Microfasereinsätzen (481,95 Euro, Serie im S), die Performance Sitze mit integrierten Kopfstützen (2.320,50 Euro), sowie – für die Optik – die 19″ AMG Schmiederäder im Kreuzspeichen Design (2.558,50 Euro bzw. 1.547 Euro beim S).



AMG Performance Sitz


Diese Optionen bereits inklusive hat das Sondermodell Mercedes-AMG C 63 Edition 1, welches zum Verkaufsstart für einen Aufpreis von 14.220,50 Euro bzw. 11.781 Euro beim “S” angeboten wird. Hinzu kommen hier noch allerhand rote Akzente und Zierelemente, die das Auto für meine Begriffe optisch allerdings ein wenig zu – krass – machen.



Mercedes-AMG C 63 S Edition 1 in Sonderlackierung designo iridiumsilber magno





AMG C 63 oder AMG C 63 S? Normal oder als Edition 1? Als ob dies allein die Wahl nicht schon schwierig genug machen würde, gibt es alle Modelle neben der Limousine ab April auch noch als T-Modell.



Mercedes-AMG C 63 T-Modell in palladiumsilber metallic





Mit 77.766,50 Euro für den C 63 und 86.037 Euro für den C 63 S liegt das T-Modell preislich nur geringfügig über der Limousine. Dafür gewinnt man – natürlich – Kofferraum, bis zu 1.510 Liter fasst dieser, verliert dafür aber auf Grund des 70 Kilo höheren Gewichts eine Zehntel Sekunde beim Sprint.



Kofferraumvergleich: C 63 Limousine…



… und C 63 T-Modell


Kindergarten, Supermarkt oder Nordschleife, hier könnte das bevorzugte Einsatzgebiet tatsächlich eine Rolle spielen, obwohl man sich auch den “T” durchaus rennstreckentauglich – oder besser gesagt noch rennstreckentauglicher - ausstaffieren kann.



19-Zoll AMG Schmiederäder im Kreuzspeichen-Design





Gipfelnd in der exklusiv für den S erhältlichen AMG Keramik Hochleistungsbremsanlage für 4.998 Euro, den Sportreifen für 714 Euro oder dem AMG Driver’s Package für 3.213 Euro (892,50 Euro beim S), welches neben einer Teilnahme an der AMG Driving Academy auch die Heraufsetzung der Höchstgeschwindigkeitsbegrenzung beinhaltet.



AMG Keramik Hochleistungsbremsanlage


Hier wird dann aber doch nochmal zwischen Limousine und T-Modell unterschieden. Denn während die Limousine statt der serienmäßigen 250 km/h dann bis auf 290 km/h kommt, ist beim T-Modell schon 10 km/h früher Schluss. Durchaus relevant, weniger für die Nordschleife denn für die Fahrt zum Supermarkt. Sollte der Weg dorthin nämlich über eine unbeschränkte Autobahn führen, ein paar Sekunden wären da sicherlich schon noch drin.





Mein Fazit: der Mercedes-AMG C 63 strotzt schon optisch vor Kraft. Der machohafte Auftritt mag vielleicht nicht jedem gefallen, muss er aber auch nicht. Mit rund 40.000 Einheiten war der letzte C 63 AMG das meistverkaufte AMG Modell. Der Neue wird da sicher nahtlos dran anknüpfen. Er ist eine Spaßmaschine mit perfekter Alltagstauglichkeit. Unter der Woche Supermarkt, am Wochenende Rennstrecke – mit ihm geht beides. Auf Knopfdruck, in erstaunlicher Perfektion und faszinierender Kompromisslosigkeit. Das ist verblüffend und irgendwie – extrem krass.