Liebe Rolex-Fans,
in dem Thread zu meiner neuen Milgauss 116400 (Detaillierte Vorstellung meiner neuen Milgauss) hatte ich versprochen einen Beitrag über die spezielle Technik der Milgauss zu schreiben. Hier nun der versprochene Beitrag, der sich mit dem Magnetfeldschutz der Milgauss und den diesem zugrunde liegenden physikalischen Prinzipien in hoffentlich allgemeinverständlicher Form beschäftigt.

Armbanduhren mit mechanischem Werk können auf Magnetfelder in unterschiedlicher Weise reagieren. Insbesondere Unruh, Spirale und Hemmung sind je nach verwendetem Material sehr empfindlich gegen Magnetfelder, die das Uhrwerk im Extremfall sogar zum Stillstand bringen können.

Die DIN 8309 definiert eine Uhr als antimagnetisch, wenn sie einer magnetischen Flußdichte von 60 Gauss widerstehen kann. Soll die Uhr aber gegen stärkere Magnetfelder geschützt werden, so sind besondere Maßnahmen erforderlich. Dabei gelten die bereits in den 50er Jahren durch die erste Rolex Milgauss und die erste IWC Ingenieur eingeführte Grenze von 1000 Gauss (ca. 80000 A/m) noch heute als Standard für hochgradig antimagnetische Uhren.

Es gibt nun grundsätzlich zwei Möglichkeiten ein Uhrwerk gegen den Einfluß von Magnetfelder zu schützen:

1. Die Herstellung des Uhrwerkes oder zumindest der Unruh- und Hemmungsgruppe aus paramagnetischem oder gar amagnetischem Material

und/oder

2. Der Schutz des Uhrwerkes gegen das Eindringen von magnetischen Feldern durch ein zusätzliches Innengehäuse aus ferromagnetischem Material.

Heute ist bei hochgradig antimagnetischen Uhren zumeist eine Kombination aus 1. und 2. zu finden, da die Versuche Uhrwerke nur unter Verwendung spezieller Materialien, jedoch ohne zusätzlichen Magnetfeldschutz auszurüsten, nicht sehr erfolgreich waren.

Als Beispiel hierfür gilt die 1989 von IWC eingeführte Ingenieur 500000 A/m (Kaliber 35790), die Magnetfeldern bis zu 500000 A/m (ca. 6250 Gauss) ohne zusätzliches Innengehäuse widerstand. Die verwendete Spirale aus einer Niob-Zirkon-Legierung war zwar unempfindlich gegen Magnetfelder, aber leider extrem empfindlich gegen Temperaturschwankungen, was zu sehr bescheidenen Gangwerten der Uhr am Handgelenk führte. Trotz zahlreicher Bemühungen waren die Probleme nicht in den Griff zu bekommen und IWC nahm die Ingenieur 500000 A/m nach nur vier Jahren und weniger als 3000 gefertigten Exemplaren wieder vom Markt.

Wie funktioniert nun aber der Schutz des gesamten Uhrwerkes gegen das Eindringen von magnetischen Feldern? Hierzu wird das physikalische Prinzip des Faradayschen Käfigs angewendet, der bekanntlich auch vor Blitzschlägen schützt.

Das physikalische Grundprinzip: Besteht eine allseits geschlossene Hülle aus einem elektrischen Leiter, so wird der Innenraum der Hülle von äußerlich wirkenden elektrischen Feldern komplett abgeschirmt und bleibt feldfrei.

Aufgrund der engen Wechselwirkung von Elektrizität und Magnetismus schützt der Faradaysche Käfig aber nicht nur vor elektrischen, sondern auch vor magnetischen Feldern. Im Gegensatz zur Abschirmung gegen elektrische Felder (hier reicht bereits ein einfacher Drahtgeflechtkäfig aus leitendem Material aus), sind zur Abschirmung gegen Magnetfelder einige Besonderheiten bei der Konstruktion des Faradayschen Käfig zu beachten.

Um eine möglichst gute Abschirmung zu gewährleisten, muß der Käfig aus sehr leicht magnetisierbarem Material bestehen und sollte komplett geschlossen sein, damit sich ein magnetisches Feld ungestört in der Hülle bilden und so den Innenraum abschirmen kann. Dafür bieten sich ferromagnetische Werkstoffe mit hoher magnetischer Leitfähigkeit (sog. Permeabilität) an.

Ferromagnetische Werkstoffe können aber durch eine Magnetfeld selbst auf Dauer magnetisiert werden, was zwar bei Speichermedien erwünscht, bei Uhren jedoch unerwünscht ist. Der Grad der verbleibenden Magnetisierung nach Entfernen des äußeren Magnetfeldes wird als Remanenz bezeichnet. Für die Abschirmung eines Uhrwerkes wird also ein ferromagnetischer Werkstoff benötigt, der eine hohe Permeabilität bei gleichzeitig möglichst niedriger Remanenz aufweist.

Ein diese Forderung erfüllender ferromagnetischer Werkstoff ist das sogenannte Weicheisen, bei dem es sich um nur geringfügig legiertes oder völlig unlegiertes Reineisen mit ferritischem Gefüge handelt. Dieses Material eignet sich aber leider überhaupt nicht für die Herstellung von Uhrengehäusen, daher ist der Faradaysche Käfig lediglich als vor den Unbillen des Tragealltages geschütztes Innengehäuse verwendbar. Dadurch werden die Uhrengehäuse naturgemäß etwas größer, da diese nun nicht nur das Uhrwerk, sondern auch noch das zusätzliche Innengehäuse aufnehmen müssen.

Wie sieht so ein Innengehäuse aber nun aus? Nachfolgend ein Bild aus dem Booklet zur Milgauss 116400:



Das Innengehäuse der 116400 besteht aus insgesamt zwei Teilen. Einem oberen Teil, welches auf der Zifferblattseite des Werkes mittels dreier Schrauben befestigt wird und auf welches dann das Zifferblatt aufgesetzt wird. Und einem unteren Teil, welches in das äußere Uhrengehäuse geschraubt wird. Beide Teile bilden in zusammengebauten Zustand dann den Faradayschen Käfig des Uhrwerkes.

Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, daß der Faradaysche Käfig an zwei Stellen offen ist: an der Bohrung für die Zeigerwellen und an der Bohrung für die Aufzugskronenwelle. Dies ist zwar für einen vor elektrischer Ladung schützenden Faradayschen Käfig unproblematisch, erlaubt aber den Austritt magnetischer Feldlinien (wenn auch nur geringer Flußdichte) in das Innere. Hier liegt übrigens auch der Grund für die „Datumslosigkeit“ der Milgauss, denn ein Datumsfenster würde eine weitere Öffnung im Innengehäuse und somit eine weitere Imperfektion des Faradayschen Käfigs bedingen.

Eine Besonderheit der 116400 ist das verschraubte untere Innengehäuseteil, welches bei den Vorgängermodellen der Milgauss (6541 und 1019) nur eingelegt wurde und mittels einer kreuzförmigen Feder durch den äußeren Gehäuseboden gehalten wurde.

Nachfolgend der eingeschraubte untere Teil des Innengehäuses (mit „Pfeil B“ gekennzeichnet, dem physikalischen Symbol für den Vektor der magnetischen Flußdichte):

(Quelle: Kristian Haagen)

Nachfolgend die komplett geöffnete Milgauss mit dem unteren Innengehäuseteil (am Außenrand ist das Gewinde zu sehen) und dem Bodendeckel des Außengehäuses:

(Quelle: Kristian Haagen)

Nachfolgend noch einmal das komplett geöffnete Gehäuse, gut zu sehen ist auch der obere Teil des Innengehäuses (wird zumeist mit einem Werkhaltering verwechselt) mit der Öffnung für die Kronenwelle:

(Quelle: Kristian Haagen)

Am inneren Rand des Außengehäuses ist auch das gemeinsame Gewinde zu sehen, in welches zunächst das untere Innengehäuseteil und dann der Bodendeckel des Außengehäuses geschraubt wird.

Das Innengehäuse stellt zwar den wichtigsten Teil des Magnetfeldschutzes der Milgauss dar, aber bedingt durch die Öffnungen im Innengehäuse (s.o.) können bei Anliegen eines äußeren Magnetfeldes von 1000 Gauss in ungünstigen Fällen noch ca. 200 Gauss im Uhrwerk „ankommen“. Daher wird bei dem in der Milgauss 116400 verwendeten Kaliber 3131 nicht nur die schon mehrfach besprochene Parachrom bleu Spirale, sondern auch erstmals ein Ankerrad aus amorphem Nickel-Phosphor verwendet. Dieses Ankerrad verfügt über paramagnetische Eigenschaften und wird bisher nur bei dem Kaliber 3131 verwendet.

Übrigens ist Rolex in dem Booklet zur Milgauss 116400 ein „kleiner“ Fehler unterlaufen. Es ist zu lesen, daß die Milgauss einer magnetischen Induktion (=Flußdichte) bis zu 1000 Gauss bzw. Tesla widersteht. 1000 Gauss entsprechen aber „nur“ 0,1 Tesla und Rolex hat sich in seiner Beschreibung schlichtweg um den Faktor 10000 geirrt. Eine „Miltesla“, die einer magnetischen Flußdichte von 1000 Tesla (=10 Mio Gauss!) widerstehen könnte, würde jede Deepsea als Kinderuhr erscheinen lassen……

Viele Grüße
Matthias