Liebe Rolex-Fans,
nachdem am 30.04.08 die Patentanmeldung zum Ringlock-System der neuen Deepsea (Patentanmeldung-Nr. EP 1916576A1, „Boîte de montre-bracelet étanche“) veröffentlicht wurde, möchte ich nachfolgend einige Erläuterungen zur Funktion des Ringlock-Systems geben. Interessanterweise sind in der Patentanmeldung nicht nur die üblichen Angaben zur Konstruktionsweise des neuen Systems, sondern auch Vergleichstabellen geeigneter bzw. ungeeigneter Werkstoffe, sowie der erforderlichen Gehäusehöhen mit und ohne Ringlock-System enthalten. Aber beginnen wir der Reihe nach:
Zunächst ein Bild der bisher üblichen Konstruktion einer Taucheruhr, wobei Rolex in der Patentanmeldung das Gehäuse der Sea-Dweller 16600 als Beispiel verwendet:
(Quelle: EP1916576A1 mit eigenhändigen Ergänzungen)
Die aus dem Wasserdruck resultierenden Kräfte werden vom Saphirglas (3) zum Gehäuseboden (1) über das Uhrengehäuse (5) geführt, welches entsprechend dimensioniert werden muß. Die Dimensionen lassen sich bei einer Uhr mit einer Testtiefe von 1550 bzw. einer zulässigen Tauchtiefe von 1200 m (Sea-Dweller 16600) noch einigermaßen in Grenzen halten, aber bei Tiefen von 4900 (!) bzw. 3900 m würden die Dimensionen kaum noch tragbare Ausmaße erreichen.
Um die Abmessungen einer Uhr für derartig hohe Wasserdrücke trotzdem in tragbaren Grenzen zu halten, muß der Kraftfluß zwischen Glas, Gehäuse und Boden optimiert werden. Dies erfolgt in sehr geschickter Weise durch das Ringlock-System:
(Quelle: EP1916576A1)
Die resultierenden Kräfte werden bei diesem System vom Saphirglas (3), über einen innenliegenden Ring (2) direkt und unter Umgehung des Gehäuses (5) zum Gehäuseboden (1) geführt. Der Kraftfluß verläuft damit senkrecht innerhalb der Zone SR. Somit hat das Gehäuse (5) „nur“ noch die auf ihm selbst und auf der Lünette (9) lastende Wasserkraft zu übertragen, die jedoch aufgrund der kleineren Fläche geringer als die auf dem Saphirglas lastende Wasserkraft ist. Das Gehäuse selbst wird also erheblich entlastet und kann entsprechend dünner dimensioniert werden. Der Gehäuseboden selbst wird durch einen äußeren Ring (6) gehalten, der in das Gehäuse (5) geschraubt wird und die übliche Riffelung für den Rolex-Gehäuseöffner aufweist.
Die Uhr besteht also aus zwei statisch weitgehend unabhängigen Teilbereichen:
1. dem hochbelasteten Innenteil bestehend aus Glas (3), Innenring (2) und Gehäuseboden (1)
2. dem geringer belasteten Außenteil bestehend aus Lünette (9), Gehäuse (5) und Haltering (6)
Da der relativ kleine Innenring nun die gesamte auf das Saphirglas resultierende Wasserkraft übertragen muß, ist ein hochdruckfester Werkstoff erforderlich. Desweiteren wird zur weiteren Bauhöhen- und Gewichtsreduzierung erstmals bei Rolex ein Gehäuseboden aus Titan verwendet. Die nachfolgenden Vergleichstabellen zeigen die geeigneten und ungeeigneten Werkstoffe für Glas und Boden (Tabelle 1), sowie den Innenring (Tabelle 2):
(Quelle: EP1916576A1)
Rolex hat sich für die Verwendung der folgenden Werkstoffe entschieden:
Gehäuseboden: Titan TA6V Grade 5, Titanlegierung mit Vanadium- und Aluminiumanteilen und ca. 4-fach höherer zulässiger Biegebeanspruchung gegenüber Edelstahl AISI 904L (900 zu 250 Mpa) bei gleichzeitig ca. 1,75-fach geringerem Gewicht.
Innenring: Biodur 108, austenitischer Edelstahl mit hohem Stickstoffanteil und ca. 3-fach höherer zulässiger Druckbeanspruchung gegenüber Edelstahl AISI 904L (770 zu 250 Mpa).
Nun stellt sich die Frage, warum für den rein druckbelasteten Innenring nicht Zirkon oder Saphir verwendet wurde, da doch beide Werkstoffe eine wesentlich höhere zulässige Druckbelastung als Biodur 108 aufweisen. Nun, der Innenring muß für die Aufzugswelle eine Bohrung aufweisen, die aber bei einem Stahlring wesentlich einfacher zu realisieren ist, als bei einem Ring aus sehr hartem Zirkon oder Saphir.
Aber auch Titan weist eine höhere zulässige Druckbelastung als Biodur 108 auf, warum wurde für den Innenring dann nicht Titan als Werkstoff ausgewählt? Die Antwort gibt ein Blick auf den Elastizitätsmodul von Titan, der wesentlich kleiner als der von Biodur 108 (114000 zu 195000 Mpa) ist. Somit würde der rein druckbelastete Innenring aus Titan größeren Verformungen unterliegen, die dann wieder mit einer größeren Bauhöhe kompensiert werden müssten. Übrigens wäre Biodur 108 als Werkstoff für den Gehäuseboden selbst wiederum ungeeignet, da die zul. Druckbeanspruchung zwar sehr hoch, dafür aber die für den Gehäuseboden maßgebende zulässige Biegebeanspruchung gering ist.
Wie Ihr seht, ist nicht nur die Konstruktion der Deepsea, sondern auch die Werkstoffauswahl ausgesprochen komplex. Abschließend kommen wir nun zu der entscheidenden Vergleichstabelle, die die Bauhöhen von Deepsea (zul. Tauchtiefe 3900 m, Testtiefe 4900 m) und Sea-Dweller (zul. Tauchtiefe 1200 m, Testtiefe 1550 m) jeweils in konventioneller Technik und unter Anwendung des Ringlock-Systems aufzeigt:
(Quelle: EP1916576A1)
Die Zeilen zeigen von oben nach unten die Bauhöhen von Glas, Gehäuseboden, Innenring und die Gesamtbauhöhe der Uhr. Die Spalten zeigen von links nach rechts:
1. Eine spezielle Sea-Dweller 16600 mit Ringlock-System
2. Die Deepsea mit Ringlock-System, wie sie in Basel vorgestellt wurde
3. Die allseits bekannte Sea-Dweller 16600 ohne Ringlock-System
4. Eine Deepsea ohne Ringlock-System
Wäre die Deepsea ohne das Ringlock-System in der gleichen Weise wie die Sea-Dweller 16600 konstruiert worden, so hätte allein die Dicke des Gehäusebodens 5 mm und die gesamte Gehäusedicke 19,7 mm (!) betragen. Durch das Ringlock-System sind bei der Deepsea also insgesamt 2,02 mm Gesamthöhe eingespart worden. Bei einer Sea-Dweller 16600 ließen sich mit dem Ringlock-System aufgrund des geringeren Wasserdruckes allerdings nur 1,02 mm Gesamthöhe sparen.
Der Aufwand zur Realisierung der Deepsea ist sowohl konstruktiv, als auch werkstofftechnisch sehr hoch und macht aus einer „profanen Taucheruhr“ ein absolutes High-Tech Produkt.
Viele Grüße
Matthias
Ergebnis 1 bis 20 von 28
Baum-Darstellung
-
13.05.2008, 06:53 #1
Das Ringlock-System der Deepsea
The difference between men and boys is the price of their toys.
Ähnliche Themen
-
Espressomaschine mit E.S.E. System
Von trolldich im Forum Off TopicAntworten: 7Letzter Beitrag: 30.11.2009, 20:02 -
CMS-System für Homepage
Von Newbie01 im Forum Off TopicAntworten: 25Letzter Beitrag: 14.05.2009, 15:53 -
Deepsea oder nicht Deepsea....
Von AndyS im Forum Off TopicAntworten: 20Letzter Beitrag: 29.11.2008, 11:49 -
Inside the Deepsea: The Ringlock-System in Detail
Von Prof. Rolex im Forum English discussion boardAntworten: 9Letzter Beitrag: 18.07.2008, 09:35 -
Bose System
Von naples-sun im Forum Off TopicAntworten: 27Letzter Beitrag: 20.08.2005, 03:16
Lesezeichen