Herr Gerber ist Uhrmacher und Händler von Vintage-Uhren. Sein Geschäft befindet sich in Zürich. Habe den Bericht heute auf der Heimfahrt in der Weltwoche überflogen und stell ihn für Interessierte einfach mal wertneutral hier ein

Jim Gerber, Experte für Vintage-Uhren, über die goldene Ära der Branche, die gesuchtesten Modelle, schwarze Zifferblätter und Diamanten.

Sind Vintage-Uhren dasselbe wie Collector’s Watches, also Sammleruhren?

Das würde ich nicht sagen. Ich denke, unter Collector’s Watches fallen auch solche, die neu sind, mit Komplikationen. Mittels gezielter Marketingstrategie durch limitierte Editionen werden sie zu Sammleruhren gemacht.

In welche Zeit fallen Vintage-Uhren?

Für mich geht das bis kurz vor die achtziger Jahre. Die achtziger Jahre sind für mich nicht besonders sehenswert, vielleicht bin ich da noch zu nah dran. Etwa Hublot war sehr stark damals und erlebt jetzt auch ein Revival. Richtige Ikonen kann ich nicht ausmachen. Die erfolgreichsten Modelle der Achtziger sind aus den Siebzigern, wie die «Royal Oak» von Audemars Piguet. Sehr gut verkauften sich auch die IWC «Ingenieur» oder die «Nautilus» von Patek Philippe.

Ist Patek Philippe der Rolls-Royce unter den Uhren?

Bei den Vintage-Modellen auf alle Fälle.

Welche Jahre brachten in Ihren Augen die schönsten Uhren hervor?

Wenn ich von Patek Philippe ausgehe, datieren die schönsten von Ende der dreissiger bis Mitte der fünfziger Jahre.

Welche Rolex-Modelle sind am gesuchtesten?

Die Sportmodelle der Sechziger und Siebziger, aber es gibt auch Liebhaber für die sehr wertvollen Rolex-Chronografen aus den dreissiger und vierziger Jahren.

Wie populär ist das schwarze Zifferblatt?

Viele sehen es gern, aber es ist nicht für jedes Handgelenk gut. Das erkennt man auch an den Produktionszahlen. Eine wirklich kleidsame Uhr hat statt eines weissen eher ein blaues Zifferblatt.

Welchen Durchmesser hat die klassische Vintage-Uhr?

Der beste Wurf war 31 mm, was aber den meisten zu klein ist. Ich würde sagen, 36 mm ist eine gute Grösse, ohne Krone. Ich selber finde auch 38 bis 41 mm sehr schön.

Heisst das, dass die kleinen Art-Déco-Uhren zurzeit schwer verkäuflich sind?

Man muss unterscheiden zwischen Vintage-Uhren- und Neuuhren-Käufern. Der Vintage-Uhren-Liebhaber tendiert selten zu grossen Uhren. Art-Déco-Uhren gehen oft an Frauen.

Wie viele Diamanten verträgt die europäische Herrenuhr?

Für mich mindestens zwölf. Aber ich stehe auf Diamantuhren. So etwas ist halt nicht für jeden Tag. Legendär ist zum Beispiel die «Mystérieuse» von Jaeger-LeCoultre, die ursprünglich von Cartier kommt. Cartier hat sie dann zusammen mit Jaeger-LeCoultre gebaut.

Sind Gehäuse aus Gelbgold noch immer beliebt?

Wieder, muss man sagen. Lange Zeit war Stahl das Mass aller Dinge. Durch das Revival der Siebziger und Achtziger wurde Gold wieder ganz wichtig. Gelb- und auch Rotgold, das eigentlich immer stark war. Rotgold ist das Männergold. Vor allem das richtige satte Rot, das es heute nur mehr selten gibt. Es sieht gut aus auf der Haut, und im Gegensatz zum weichen Gelbgold besteht es aus einer sehr harten Goldlegierung.

Wie viel kostet ein erstklassiges Lederband?

Das hängt von der Lederart ab: Ein Kroko ab 180, ein schönes Lederarmband gibt es ab 90 Franken.

Welche Qualitätsuhrenmarke ist unterbewertet?

Vielleicht immer noch ein bisschen Jaeger-LeCoultre. Aber eigentlich ist jede Marke ziemlich begehrt, es gibt keinen «Sleeper» mehr.

Spüren Sie die Krise?

Als sie einsetzte im Oktober, war der Einbruch enorm. Niemand liess sich mehr zum Kauf bewegen. Im Februar/März kehrte es, und seither ist die Lust nach schönen Vintage-Uhren ungebrochen. Es läuft sogar fast besser als vor der Krise.

Wie viele Uhren besitzen Sie nur für sich?

Drei: zwei Patek Philippe und eine Bulova Accutron «Spaceview».


Quelle: Weltwoche 41/09