Letzten Samstag hatte ich die Möglichlichkeit die neue Alpine A110 ausgiebig zu testen.
Da schon der Eine oder Andere gefragt hat, hier ein kleiner Fahrbericht:




Kommen wir erst mal zur Optik. Die Alpine gefällt mir live wirklich gut. Das 4 Augen Gesicht was mich auf den ersten Bilder immer abgeschreckt hat, wirkt in der Realität um Welten stimmiger. Insgesamt ein schöner Sportwagen mit gelungen Proportionen und dem richtigen Schuss Retro ohne dabei unmodern zu wirken.



Auch innen weiß die Alpine durchaus zu gefallen.
Schalensitze, Leder, blaue Ziernähte, in Wagenfarbe Lackierte Interieurteile sowie Alu und Carbon Optik (ist aber großteils beides Plastik) lassen wenig Wünsche offen.
Im Detail kann das Auto allerdings nicht ganz mit der Verarbeitung eines entsprechend ausgestattet Porsche mithalten der kostet dafür auch grausig viel mehr)
Manches klappert und wackelt doch (an dieser Stelle sei die Lenksäule genannt). Im großen und ganzen aber nichts, was mich abschrecken würde.Die Sabelt Sitze sind super bequem und bieten tollen Seitenhalt.





Und jetzt kommen wir auch schon zu einem der Knack und für mich persönlich auch absoluten Negativpunkte.
Die Ergonomie passt mir einfach nicht. Selbst wenn der Sabelt Schalensitz ganz vorne auf Anschlag steht, komme ich nur unbequem an die Pedalen.
Jetzt bin ich mit meinen 1.72 natürlich kein Riese. Aber dass Interessenten mit meiner Statur gar keine angenehmen Sitzposition einnehmen können (das erste mal in allen Autos die ich je gefahren bin übrigens) hat mich dann doch irritiert.
Fahren ging zwar, aber mehr mit den Fußspitzen und wegen der etwas zu wenig steilen Lehne (was man im Gegensatz zur Längsverstellung des Sitzes wenigstens mit einem Schraubenschlüssel einstellen könnte) leicht liegend, aber bequem ist was anderes.

Der nächste Punkt der mich gestört hat, sind die Schaltwippen.
Die liegen im Grunde gut erreichbar hinter dem Lenkrad und haben eine angenehme Haptik (sie bestehen aus Aluminium und nicht aus Plastik), aber der Teufel steckt hier im Detail.
Die Paddles sind für meinen Geschmack zu hoch montiert und dazu auch noch deutlich zu kurz. Soll heißen sie beginnen ca. auf halber Höhe hinter dem Lenkrad und gehen praktisch nur nach oben. Fährt man jetzt eine Rechtskurve ist es nicht mehr möglich mir der rechten Hand am Paddle hochzuschalten. Man greift einfach ins leere.
Ferrari, Lamborghini und auch Alfa montieren ja nicht ohne Grund extra langen Schaltsicheln. Wenn man sich für Paddles entscheidet die sich nicht mitdrehen müssen sie entsprechend lang sein damit sowas nicht passiert. Hier hat Renault einfach gepennt.

Einen detaillierten Bericht zum Infotainment mit dem grausigen Bedienhebel am Lenkrad (welchen man während der Fahrt noch nicht mal sieht, da das Lernrad im Weg ist und man daher die Bedienung blind auswendig lernen müsste) erspare ich euch lieber. Wegen dem Zeugs kaufe ich mir ohnehin keinen Sportwagen.
Das Navi ist aber durchaus in Ordnung, recht fix und navigiert bestens.
Auch die Telemetriedaten bei denen man sich so ziemlich alles ansehen kann was das Herz begehrt verdienen ein großes Lob.
Egal ob G Messer, Getriebeöl Temperatur, Verwendete Leistung, Laptimer. Es fehlt nichts. Wirklich jedes kleine technische Detail lässt sich abrufen. Das ist richtig gut gemacht und weckt den Spieltrieb.


Jetzt aber zum wichtigsten Punkt. Dem Fahrverhalten.
Positiv fällt sofort das niedrige Gewicht der Alpine auf. Wie das Auto einlenkt ist wirklich genial. Die Lenkung ist Renault super gelungen, viel Rückmeldung und präzise. Das Auto reagiert so zackig wie kaum etwas anderes in deieser Klasse.
Hier sehe ich die Alpine vor dem 982 und dem 4C.
Das Fahrwerk hingegen ist mir eine deutliche Spur zu weich. Der Aufbau der Alpine wankt doch überraschend stark und die Reifen beginnen ebenfalls schon sehr früh um Gnade zu winselen. Bei einigen Landstraßenkurven reichen 70-80 km/h bereits aus um die Gummis zum schreien zu bringen.
Das ganze ist wohl so gewollt um ein spaßiges leicht queres Fahrverhalten zu ermöglichen. Gefällt aber sicher nicht jedem. Mit zb nicht wirklich. Da ist mir das auf Linie getrimmte Fahrverhalten eines Porsches doch lieber (und denn lann man bei bedarf ja auch schön mit dem Heck schwänzelen lassen, nur eben nicht so schnell). Das würde ich der Alpine allerdings nicht als Kritik auslegen. Sie bedient damit nur einen anderen Fahrer bzw. Geschmackstyp.

Der 1.8er Turbomotor geht sehr ordentlich und ist für die Landstraße perfekt dosiert. Nicht zu viel und nicht zu wenig. Das Getriebe hat vorbildlicher Weise einen vollständig manuellen Modus und reagiert sehr flink.
Die Fahrmodi, Nomal, Sport und Track unterscheiden sich sowohl in der Getriebeabstufung als auch bei der Lautstärke und der ESP Einstellung. Im Track Modus ist das ESP aus und man kann nur manuell schalten. Dafür zucken dann rote Warnlappen an der Drehzahlgrenze (ähnlich wie das Ferrari in den LED Lenkrädern auch macht) und man bekommt einen akustischen Warnton wenn es Zeit zum hochschalten ist. So kann man sich voll auf die Strecke konzentrieren und lediglich aus den Augenwinkeln wahrnehmen wenn man schalten sollte.
Das Funktioniert richtig gut und macht Laune.

Der Sound ist in Sport und Track nochmals ein Stück lauter als auf normal.
Womit wir gleich beim Stichwort wären.
Dem Sound bzw. Klangbild. Und da ist der Alpine vor allem eins: laut , besonders beim ausdrehen. Ganz schön laut sogar. Dazu gibt’s auf Sport und Track starkes Backfire.
Ob das jetzt schön klingt oder nicht muss jeder selbst entscheiden. Nuancenvoller als der viel diskutierte Klang des 4 Zyl. Boxer T des 982 ist es mMn nicht und wer mit einem Boxer 4 Zylinder nicht klarkommt, wird wohl auch mit der Alpine soundtechnisch eher nicht glücklich werden. Mit einem HDZ Sauger Sound ist das jedenfalls nicht zu vergleichen.
Doch weder würde ich das Klangbild als schlecht noch als unemotional bezeichnen. Der Boxer B4 brummt etwas mehr , der R4 bollert mehr.


Einer der goßen Kritikpunkte bei Turbo Motoren ist ja immer auch das Ansprechverhalten. Hier setzt Porsche aktuell bei den 4 Zylinder Turbos für mich klar die Benchmark.
Ein von Grund auf als Sportmotor konzipierter Boxer mit den Spezifikationen:; Drehfreudig bis fast zum Begrenzer, bereits ab unter 2000 Umdrehungen vollen Schub und Anti- Ladedruck- Verlust System stehen bei Renault einem Baukasten 0815 Motor (welcher z.b auch im Espace seinen Dienst tut) mit sanfter Leistungsspritze gegenüber.

Der 1.8er macht seine Sache im Grund recht ordentlich. Beschleunigt man in einem hohen Gang durch, bemerkt man nur einen leichten Schubzugewinn wenn der Ladedruck da ist. Dieser setzt vergleichsweise soft ein. Von Drehmoment wellen wird man in der Kurve schon mal nicht überfallen.
Problematisch ist aber das raus beschleunigen aus engen Kehren. Hier fehlt mir das fehlen des Anti- Ladedruckverlust- System des 982 wirklich sehr Negativ auf.
Man kommt angerauscht, Bremspunkt, Einlenken und geht aufs Gas und dann passiert .....................nichts, man ist aus der Kurve raus und dann erst ist der Ladedruck wieder da.
So was mag vor 10 Jahren State of the Art gewesen sein, heute ist es einfach nicht genug im Konkurrenzumfeld der Turbo Sportmotoren. Es geht schlicht viel besser.
Natürlich ist das irgendwie verständlich.
Renault hat für so ein kleines Projekt wie die Alpine nicht die Möglichkeiten einen gesonderten Sportmotor zu entwickeln. Aber wenn man den direkten Vergleich hat fällt das eben negativ auf. Ob es stört oder man es als Charakterzug des Turbomotors begreift muss jeder für sich selbst entscheiden. Für einen Kurvenräuber ist es mMn jedenfalls ein echter Minuspunkt. Die Bremse hingegen funktioniert tadellos, nur die ABS Abstimmung war zu Beginn für mich etwas ungewohnt.


Hier ein paar Impressionen:












Mein Fazit zur Alpine:
Renault hat einen wirklich schönen Sportwagen gebaut. Ein Auto was auch im Alltag nicht zu hart ist und mit dem man auch viel Spaß haben kann, gerade wenn man gerne etwas quer fährt den leichten Drift liebt und das zackige Einlenkverhalten eines Leichtbauautos.
Schneller ist die Alpine nicht als ein 982 weder quer noch längsdynamisch. Dazu hat sie wirklich extrem wenig Stauraum (allerdings auch 2 Kofferräume wie ein Boxster/Cayman).
Ergonomie und Bedienkonzept sind teils speziell. Sollte man ausprobieren ob man damit klar kommt.
Mir hat die Probefahrt Spaß gemacht und sie hat meinen automobilen Horizont erweitert. Wenngleich bereits recht schnell für mich klar war, dass die Alpine für mich wegen der Sitzposition, der Ansprechverzögerung und den zu kurzen Schaltwippen durchs Raster fällt.

Auch ja, Spritverbrauch war überraschend und erfreulich niedrieg. 9.7 Liter inklusive 220 auf der Autobahn, flotte Landstraße und Stadtverkehr durch Stuttgart. Hier macht sich das geringe Gewicht positiv bemerkbar. Es war allerdings wegen der Verkehrslage auch kein Dauervollgas sonder mehr sportlicher Drittelmix. Wenn er dann bei Attacke 12 -13 Liter braucht geht das für mich mehr als in Ordnung.

Ich kann eine Probefahrt im Alpine auf jeden Fall empfehlen. Das Auto fährt nochmal ganz anders als ein Mittelmotor Porsche. Wo der 982 es einem so einfach macht und unheimliches Vertrauen schenkt, erfordert die Alpine etwas mehr Mut am Volant. Aber gerade das wird auch seine Fans finden und begeistern.
Glückwunsch an den ersten Käufer hier im Forum an dieser Stelle, ich bin sicher du wirst jede menge Spaß mit dem Auto haben