Zitat Zitat von Tempusfugit Beitrag anzeigen
Erzähl mal mehr davon ;-)
Schön, dass Du fragst. Es war am Sonntag, 30. Mai 2010 (ich erzähl später, warum ich das immer noch weiß bzw. nachvollziehen kann). Ca. 6 Uhr morgen, Rental Car Return von Hertz am Flughafen San Diego. Wie an den meisten amerikanischen Flughäfen wird man mit dem Courtesy Shuttle Bus zu seinem Abflugterminal gebracht. In San Diego sind derer zwei vorhanden. Beim Einsteigen in den Bus wird vom Fahrer in der Regel abgefragt, welche Airline man für den Weitertransport gebucht habe, um so die Haltepunkte zu ermitteln. An jenem bereits recht sonnigen Morgen bestieg ich mit einem weiteren Fahrgast den Bus. Mein temporärer Gefährte hatte SouthWest gebucht (Terminal 1), ich - völlig überraschend - United Airlines (ebenfalls Terminal 1). Der Kollege wandte sich nach links und nahm im hinteren Bereich des Busses Platz, ich setzte mich rechts neben die mittlere Zustiegstüre. Als der Fahrer bereits den Motor anließ, um uns pflichtgemäß zu unserem Terminal zu fahren, stieg ein weiterer Fahrgast zu. Ziemlich groß, kräftige Statur, weiße Haare, hellbrauner Sommeranzug. Mir kam er entfernt bekannt vor, allerdings hatte ich am Wochenende relativ viel Football geschaut und hielt ihn ggf. für einen ehemaligen Spieler oder Coach (von der Statur hätte das gepasst). Er setzte sich dann neben mich und antwortete auf die Frage: "Welche Fluglinie" (ich übersetze das jetzt mal alles), dass er das nicht wisse und erst nachsehen müsste. Ich sah ihn dann etwas despektierlich mit leicht erhobenen Augenbrauen an (erwähnte ich, dass es Sonntag früh am Morgen war) und stellte die eher rhetorisch gemeinte Frage, ob er denn einer dieser Business Kasper sei, die so beschäftigt seien, dass sie nicht einmal wüssten, wo sie gerade hinmüssten. Er ging gleich in die Defensive (während er in seinem Akten Trolley wühlte) und meinte, dass er schon wisse, dass er nach Dallas müsse, aber nicht, welche Fluglinie sein Büro für ihn gebucht hätte. Wir haben dann noch kurz geplaudert und als ich erwähnte, dass ich noch nie in Texas gewesen sei, aber auch nicht traurig darüber, sagte er mit einem verschmitzten Lächeln, dass es ihn da auch nicht wirklich hinziehe (auch das wird sich gleich auflösen). Seine Fluglinie war übrigens American Airlines und damit am Terminal 2 lokalisiert.
Wir hatten inzwischen den ersten Stopp am Terminal 1 erreicht und ich verabschiedete mich freundlich. Auch der anfängliche Reisegefährte erhob sich erwartungsgemäß, wusste ich doch, dass er ebenfalls am ersten Stopp den Bus verlassen wollte. Allerdings sauste er plötzlich an mir vorbei, schüttele meinem inzwischen ehemaligen Sitznachbar enthusiasmiert die Hand und ließ einen Wortschwall epischen Ausmaßes folgen (den ich aber akustisch nicht verstehen konnte). Ich verließ den Bus im Bewusstsein, dass ich mit meiner Vermutung, einer in irgendeiner Form bekannteren Persönlichkeit die Sitzbank geteilt zu haben, richtig gelegen hatte.
Auf der Rolltreppe ins Terminal erreichte mich der Kollege dann und fragte mich ganz aufgeregt, ob ich wüsste, neben wem ich da gesessen habe. Ich bestätigte, dass er mir zwar bekannt vorgekommen sei, ich aber gerade nicht wüsste, woher. Nun, erwiderte mein nun erneuter Kurzzeitgefährte: "Das war Al Gore".
Nun fiel es mir wie die berühmten Schuppen von den Augen. Zu meiner Ehrenrettung muss ich allerdings sagen, dass ich ihn bis dato nur im schwarzen Anzug mit dunklen Haaren wahrgenommen hatte. Darüber hinaus ging ich davon aus, dass zwar sicher der ein oder andere Nobelpreisträger regulär den Shuttlebus der Mietwagengesellschaft nehmen würde - aber ein ehemaliger Vizepräsident?
Ärgerlich war im Nachhinein vor allem, dass ich ihn in seinem Wahlkampf gegen George W. Bush (read my lips - no more Texans) im Jahre 2000 finanziell unterstützt hatte. Ich kaufte für 200 USD ein Konvolut aus diversen Aufklebern und ähnlichen Wahlkampfartikeln. Immerhin war auch ein kleiner Plüschesel dabei, den ich bis heute in Ehren halte. Naja, dennoch hätte ich die Kohle natürlich gern wieder gehabt...
P.S. Das Datum lässt sich deshalb so einfach rekonstruieren, weil direkt nach meiner Rückkehr nach Deutschland am Dienstag, den 01. Juni 2010 bekannt gegeben wurde, dass sich das Ehepaar Tipper (den Namen fand ich schon immer Klasse) und Albert Gore getrennt hätten. Danach wurde mir auch klar, warum auch ein ehemaliger Vizepräsident mal eher "unter dem Radar" unterwegs sein möchte...