Schach ist mehr als nur ein Spiel. Es ist Philosophie, Wissenschaft und Kunst. Es ist, wie Goethe formulierte, ein „Probierstein des Gehirns“. Es ist eine unerschöpfliche Quelle der Inspiration bezüglich Taktik und Strategie. Und die gewonnenen Erkenntnisse lassen sich nicht selten in völlig andere Lebensbereiche übertragen.

Sehen wir uns doch mal folgende Stellung aus der Partie Lasker-Capablanca (St. Petersburg, 1914) an. Lasker bot Remis an, Capablanca akzeptierte.




Aber warum? Weiß besitzt einen Mehrbauern und hat sich bereits bedrohlich der gegnerischen Grundlinie genähert. Nach 1. Kg5 Kh8 folgt 2. h6. Und das ist der Moment, in dem sich die Spreu vom Weizen trennt.




Denn an dieser Stelle ist die Versuchung groß, dem Offensichtlichen nachzugeben, sozusagen im Affekt zu handeln: 2. …g7xh6?




Die Folgen sind fatal! 3. Kg5xh6 Kg8 4. g7. Damit wird der schwarze König auf f7 gezwungen, Weiß kann problemlos den Bauern durchbringen und gewinnt.




Kehren wir also zum 2. Zug zurück. Richtig ist hier einzig und allein 2. …Kg8!




Rückt Weiß nun vor, so ergibt sich sofort ein Patt: 3. h7 Kh8.




Auch der Tausch des Bauern auf g7 (3. h6xg7 Kg8xg7) hilft nicht weiter.




Wenn Schwarz keinen kapitalen Fehler begeht, hat Weiß keine Chance den Bauern umzuwandeln. Die beiden Großmeister haben das natürlich nicht ausgespielt, sondern sofort gesehen und sich auf Remis geeinigt.

Was bleibt? Die Erkenntnis, dass eine auf den ersten schnellen Blick scheinbar eindeutige Angelegenheit für Weiß mit ein bisschen Abstand und sorgfältiger Analyse doch ein Remis ergibt. Übertragen auf völlig andere Lebensbereiche sieht das dann so aus:































Thilo, my friend!!! Was für ein Deal, sowas habe ich noch nicht erlebt! Das Spiel wogt hin und her. Emotion pur! Großes Drama! „Black“ friday! Sunday, bloody sunday! Eins steht fest: Das ist keine einfache 5711 mehr. Das ist DIE 5711!!! Danke für alles!




Sorry für die grottigen Bilder, schlechtes Licht in München heute morgen.


Gruß

Erik


P.S.: Ortsnamen und Daten flößen Vertrauen ein. Sie animieren den geneigten Leser Behauptungen anzuerkennen, die sich mit geringem Rechercheaufwand als erstunken und erlogen herausstellen. Lasker und Capablanca haben zwar 1914 in St. Petersburg gegeneinander gespielt, jedoch nie und nimmer so ein profanes Endspiel. Aber was soll man machen? Der Threadtitel „Studie aus „Schachmati w SR“, T.B.Gorgijew, 1936“ lässt doch so einiges an Grandeur vermissen.