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  1. #81
    Day-Date Avatar von HolderFloh
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    Manchmal konnte eine Flucht so einfach sein...

    Nochmal zu Conrad Schumann:
    Der Filmer und der Fotograf waren zur rechten Zeit am rechten Ort, als dieses unschätzbar wertvolle Film- und Fotodokument entstand.

    Schumann rauchte zuvor hektisch eine Zigarette und schaute abwechselnd nach Westen und zu seinen Kameraden auf der gegenüberliegenden Straßenseite.

    Und dann der Sprung, der wohl den Begriff des Freiheitsdrangs nicht besser hätte verkörpern können.
    East_German_Guard_-_Flickr_-_The_Central_Intelligence_Agency_(1).jpg

    Damit stand er Pate für alle, die sieses System nicht länger ertragen konnten und ebenfalls die Flucht ergriffen (Tunnel, Heißluftballon, Ultraleichtflugzeug etc.). Er hat meine größte Hochachtung verdient!

    In der Nähe des Brandenburger Tores stehen aber auch die Kreuze derer, die diesen Sprung leider nicht geschafft haben und zu Tode kamen:
    Gedenken-an-die-Opfer-bei-der-Flucht-in-den-Westen-an-der-Berliner-Mauer-am-Bran.jpg

    Auch ihnen soll auf ewig gedacht werden.
    Geändert von HolderFloh (11.11.2014 um 20:35 Uhr)


    Gruß
    Oliver


    Ein Fußpilz hätte auch gereicht!

  2. #82
    Yacht-Master
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    9. November 1989

    Zu allererst einige kleine Vorbemerkungen:

    1. O h n e die Grenzöffnung könnte ich hier nicht schreiben.

    2. Stefan (#5): Du sprichst mir aus dem Herzen und danke, dass Dein Ersatzpass im Schreibtisch verblieb.

    3. Oliver (#17): Bitte keinen vorauseilenden Gehorsam bezüglich einer eventuellen Schließung
    dieses Threads bekunden.

    Nun mein kleiner Beitrag:

    Mein Alter 1989: 39 Jahre

    Auch im Osten sollte man es mit Vierzig geschafft haben, mein kleines "Zonenglück" war
    eine intakte Familie, ein stabiler Freundeskreis, eine kleine, gut laufende Firma (die mich bis heute ernährt).

    In diesen verrückten Zeiten haben wir jeden Abend "Ostfernsehen" geschaut, was sonst eher
    nicht der Fall war. ARD, ZDF, Hessen Drei und Bayern Drei waren die normale Fernsehkost.

    Als wir beim Abendessen das Gestammel von Herrn Schabowski gehört haben, "jetzt" ... "unverzüglich", haben wir schon einige Zeit gebraucht, um das zu begreifen.

    Die TV-Nachrichten liefen bis tief in die Nacht und wir haben Rotz und Wasser geheult;
    wir sahen dann die Bilder aus Berlin, aber die 15 km entfernte GÜST Wartha hat an diesem Abend nicht gelockt, sie war noch unerreichbar.

    Freitag früh um 6 Uhr war Arbeitsbeginn, alle Mitarbeiter (damals "Werktätige") waren gekommen.

    Ich fragte: "Wer von Euch war noch nie drüben?"
    Vier meldeten sich, mehr passten auch nicht in den Wartburg.

    Dann sind wir los in Richtung Wartha.

    Vor der GÜST (Grenzübergangsstelle) bildete sich auf der Autobahn eine Fahrzeugschlange, neben überwiegend PKW auch eine "Schwalbe" und ein paar MZ-Motorräder. Es war recht frisch an diesem Morgen.

    Warten war in der DDR eine gängige Angelegenheit, aber es ging recht flott.

    Wir mussten jeder eine sogenannte gelbe Zählkarte ausfüllen (die gab es seit Jahren bei jeder Ein- und Ausreise).

    Dann wurden die Ausweise eingesammelt und neben bzw. über dem Passbild gestempelt.

    Was das sollte, erschloss sich mir damals nicht, heute wissen wir, dass dieser Stempel ein Abschied für immer sein sollte, aber die Ereignisse haben sich überschlagen, keiner hatte offenbar einen klaren Befehl.

    Gegen 8.45 Uhr waren wir in Herleshausen, alle Geschäfte hatten noch geschlossen.
    So war es halt im "Zonenrandgebiet".

    Wir haben eine Zigarette geraucht (F 6 natürlich) und sind wieder in Richtung Heimat gefahren.

    Gegen 10 waren wir wieder in der Firma.

    Am Samstag haben wir uns dann ein "Visum" auf dem Volkspolizeikreisamt in den Ausweis stempeln lassen - ich hatte zuvor nie so freundliche und lockere Volkspolizisten gesehen.

    Die haben gestempelt wie die Teufel und das Visum noch bis zum 12.05.1990 begrenzt.
    Sie wollten wohl noch weitermachen, aber der Lauf der Geschichte hat alles geklärt.

    Auch nach 25 Jahren sind diese Tage aus 1989 noch frisch in unserer Erinnerung.

    Unsere Familie ist dankbar, dass alles so gekommen ist.




  3. #83
    Day-Date Avatar von HolderFloh
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    Peter, ich bin überglücklich, dass dieser Thread weiterhin besteht.


    Btw: Manchmal bin sogar ein wenig neidisch, dass ich in puncto "Leben in der DDR" nicht mitreden kann. Ich kenne nur den Westen von Kindesbeinen an. Daher mangelt es mir an jedweder Vergleichsmöglichkeit zwischen den Systemen. Das ist bestimmt nicht von Nachteil, wenn man beide Seiten kennt, oder?
    Geändert von HolderFloh (11.11.2014 um 21:15 Uhr)


    Gruß
    Oliver


    Ein Fußpilz hätte auch gereicht!

  4. #84
    Day-Date Avatar von HolderFloh
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    Als ich diesen Sommer mit dem Zug nach Berlin fuhr, machte dieser u. a. in Erfurt Halt und ich konnte vom Abteil aus diesen Schriftzug sehen:
    Willy Brandt ans Fenster.jpg

    Ich war durchaus ergriffen von dem Anblick und der Tatsache, in Sichtweite an diesem denkwürdigen Ort gewesen zu sein.


    Das war 1970, als der Mauerfall noch 19 Jahre entfernt war. Die Menschen wollten unbedingt ihn sehen und nicht den anderen (Stoph). Mit Erfolg.

    131217_0216_13_12_20131217_010642_pic_45566113_aufmacher.jpg


    Gruß
    Oliver


    Ein Fußpilz hätte auch gereicht!

  5. #85
    Mil-Sub Avatar von harleygraf
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    Ich hab auch noch meinen alten Ausweis, Peter.
    Das hast Du schön geschrieben - Danke.
    Das einzig Wichtige im Leben sind die Spuren der Liebe, die wir hinterlassen, wenn wir gehen....
    (Albert Schweitzer)


    Greets Stefan

  6. #86
    Double-Red Avatar von Nixus77
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    Stefan, da hast du echt jemanden besonderes getroffen
    Durftest du dir deinen Studiengang selbst auswählen oder wurde dir das zugeteilt?
    Gruß Toan

  7. #87
    Mil-Sub Avatar von harleygraf
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    Zitat Zitat von Nixus77 Beitrag anzeigen
    Stefan, da hast du echt jemanden besonderes getroffen
    Durftest du dir deinen Studiengang selbst auswählen oder wurde dir das zugeteilt?
    Naja.
    Das Studium konnte man sich schon selbst aussuchen.
    Nur erst mal bis zu diesem Punkt zu gelangen war eben die eigentliche Schwierigkeit.
    Anders als heute war nicht die schulische Leistung das Wichtigste.
    Im " Arbeiter- und Bauernstaat" waren Herkunft ( Arbeiter - oder Bonzenkind?) und politisches Engagement die entscheidenden Kriterien...Ging schon damit los, dass es keineswegs selbstverständlich war, Abitur machen zu dürfen.Pro Schulklasse maximal 3- 4 Schüler...

    Allerdings war Studium wie Medizin fast nur möglich wenn man sich zum 3 jährigen " Ehrendienst " ( Armee) verpflichtete.
    Geändert von harleygraf (12.11.2014 um 05:51 Uhr)
    Das einzig Wichtige im Leben sind die Spuren der Liebe, die wir hinterlassen, wenn wir gehen....
    (Albert Schweitzer)


    Greets Stefan

  8. #88
    Double-Red Avatar von Nixus77
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    Danke für die Info
    Das mit dem politischen Engagement habe ich mir gedacht, aber 3-4 Schüler pro Klasse
    Das ist ja weniger, als in jeder Privatschule heutzutage
    Gruß Toan

  9. #89
    Yacht-Master
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    Zitat Zitat von Nixus77 Beitrag anzeigen
    Danke für die Info
    Das mit dem politischen Engagement habe ich mir gedacht, aber 3-4 Schüler pro Klasse
    Das ist ja weniger, als in jeder Privatschule heutzutage
    Als ich 1965 auf die EOS (Erweiterte Oberschule, heute Gymnasium) "delegiert" wurde,
    waren es in der Regel nur die beiden besten Schüler pro Grundschulklasse,
    die die Möglichkeit hatten, das Abitur zu erwerben.

    Damit mich keiner falsch versteht - ich wünsche mir dieses Schulsystem nicht unbedingt zurück.

    Zu meiner EOS-Zeit (1965-1969) gab es pro Jahrgang fünf Klassen, ca. 125 Schüler insgesamt.

    Unsere Schule bot neben dem obligaten Russisch auch Englisch, Französisch, Latein und Griechisch.
    Diese Vielfalt war eher selten.

    Die strenge Auswahl nach Leistung (aber leider auch nach "sozialer Herkunft") damals brachte
    eine ganz geringe Abbrecher-Quote mit sich.

    Wenn ich mich recht erinnere, haben nur zwei Schüler meines Jahrgangs die EOS vorzeitig verlassen
    und nur ein oder zwei Mitschüler haben nach dem Abitur keinen Studienplatz erhalten.

    Es tur mir heute weh, wenn ich sehe, wie viele nicht ausreichend begabte Kinder von ihrer Eltern
    (in bester Absicht natürlich) auf ein Gymnasium verfrachtet werden.
    Geändert von husi (12.11.2014 um 08:46 Uhr)

  10. #90
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    Ja, so war es.
    Meine Mutter durfte damals trotz bester Noten (2.Beste der Klasse) nicht auf die EOS, da die Eltern keine Arbeiter waren.

  11. #91
    Freccione Avatar von CarloBianco
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    Vielen Dank für die Einblicke in euer DDR-Leben

    Hier die von mir erzählte Fluchtgeschichte in der Welt. Es war doch schon Mitte der 80er und am Grenzübergang Wartha, das hatte ich falsch in Erinnerung. War damals acht und stolz eine der Fluchthelferinnen zu kennen.
    Ciao, Carlo

  12. #92
    1989 war ich noch Teenager, habe aber schon kapiert, um was es ging.
    Meine Großeltern mütterlicherseits sind kurz vor dem Mauerbau geflohen. Meine Frau kommt zufälligerweise aus einer Stadt ca. 10 km entfernt von der Geburtsstadt meiner Mutter, ist also in der DDR aufgewachsen. Ohne Mauerfall hätten wir uns nie kennengelernt.
    Beste Grüße, uhrenfan_rolex

    "Man reist nicht um anzukommen, sondern um zu reisen (J.W.v.Goethe)."

  13. #93
    Sea-Dweller Avatar von ernst.fall
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    Ich bin Anfang 1986 ausgereist. Da war ich etwas über 22.
    Meine Eltern und Geschwister durften keinen Kontakt mehr zu mir haben. Telefon hatten sie eh nicht.
    Haben uns trotzdem über total wilde Umwege noch einmal im Frühjahr 1988 in Prag getroffen.
    Meine Mutter war damals schon schwer krank. Sie starb Ende 88. Ich konnte sie nicht mehr sehen.
    Mein Vater hat ein Visum zur Einreise zwecks der Beerdigung für mich beantragt und es wurde dann auch mit Hilfe der ständigen Vertretung genehmigt. Bin dann bei der versuchten Einreise 3 Stunden durchsucht worden. Die Einreise wurde mir verweigert.
    Ich hatte damals komplett mit dem Osten abgeschlossen. Während meines Zivildienstes 1989 hatten mich Freunde über die Maueröffnung informiert.
    Mein Vater musste trotzdem Weihnachten 1989 noch ein Einreisevisum für mich beantragen.
    Und das Bundesamt für Zivildienst musste auch noch zustimmen.
    Meine Herren..........am Ende war es doch schön.
    Und überfällig schon lange.
    Mfg. Simon

  14. #94
    Day-Date Avatar von HolderFloh
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    Danke für Deine Geschichte.

    Ein Grund mehr zur Freude.


    Gruß
    Oliver


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