Captain Archibald "Archie" Goodman Frazer Nash war ein ausgezeichneter Ingenieur, ein durchschnittlicher Rennfahrer und ein schlechter Geschäftsmann. 1910 gründet er mit Ronald Godfrey die Marke GN - einem Produzenten von kleinen zweizylindrigen Cycle Cars. Doch man gerät in finanzielle Schieflage und die Firma löst sich 1922 wieder auf. Godfrey wird später Mitbegründer des Sportwagen-Herstellers H.R.G (Halford/Robins/Godfrey) und Archie macht sich sofort auf zu neuen Ufern und gründet in Kingston upon Thames jene Firma, die für viele Jahrzehnte seinen Namen tragen wird: Frazer Nash.


Captain Archibald Goodman Frazer Nash

Die ersten Autos mit ihrer Aluminium-Karosserie sehen gut aus, sind flott und machen mit einem besonderen Detail auf sich aufmerksam: das Kettengetriebe. Eigentlich technisch schon überholt, ermöglicht es einen ungemein schnellen Gangwechsel und eine sehr direkte Kraftübertragung. Es gibt eine Vielzahl von Modellen, aber immer nur eine Handvoll und mit diversen Motoroptionen lieferbar, so dass kaum ein Frazer Nash dem anderen gleicht. Die bis zu 2 Liter großen Maschinen von Anzani, Blackburn oder Meadows können wahlweise auch mit einem oder sogar zwei Kompressoren bestellt werden. Diese Maßnahme vermindert zwar die Zuverlässigkeit, aber lehrt - wenn sie hält - der Konkurrenz auf Englands Rennstrecken das Fürchten.


Übersicht der frühen Frazer Nash mit Kettenantrieb

Doch Archie schafft es erneut, dass die Finanzen zu wünschen übrig lassen und übergibt 1928 sowohl die Geschäftsführung als auch seine Anteile an einen Mr. Aldington. Captain Nash war zwar Gründer und Namensgeber, aber die Geschichte der Marke ist eigentlich die von Harold John "Aldy" Aldington. Schon 1931 siegt man bei der Tourist Trophy und bietet kurz darauf einen Wagen in gleicher Spezifikation für den Verkauf an, in Anlehnung an den bedeutenden Sieg tauft man den Wagen TT Replica - für Fans der Marke bis heute der kettengetriebene Nash schlechthin und beinahe kultartig verehrt. Bei den Alpine Trials des Jahres 1934 macht jedoch plötzlich ein neuer Konkurrent der eingeschworenen Chain Gang das Leben schwer und sollte das Schicksal der Marke für immer verändern: BMW. Die modernen, zuverlässigen und schnellen Sportwagen aus Bayern faszinieren Aldy so sehr, dass er sich sogleich auf den Weg macht, einen Deal als Generalvertreter für Groß Britannien auszuhandeln - sogar mit der Zusage die Autos als Frazer-Nash-BMW zu vermarkten.


Frazer Nash TT Replica vor den Toren der Firma in den 70er Jahren

Sogleich nach Beendigung des Zweiten Weltkriegs begibt sich Aldy 1945 wieder in die bayrische Hauptstadt, um die guten Beziehungen zu erneuern. Doch BMW ist nun in den Händen der Amerikaner und die Verhandlungen gestalten sich schwieriger als erwartet. Um jedoch ein Stück deutscher Ingenieurskunst aus den Händen der GIs zu retten, gelingt ihm ein beinahe unglaublicher Coup: Im Stile des Hauptmanns von Köpenick bekleidet er sich mit einer geliehenen englischen Offiziersuniform und erbittet großspurig die Herausgabe seines Autos, welches er kurz vor Ausbruch des Krieges nach einem Unfall beim Rennen in Hamburger Stadtpark zur Reparatur ins Werk gebracht habe. Widerwillig händigen die Amerikaner ihm den silbernen Sportwagen aus und lassen ihn von dannen ziehen. Ahnungslos, dass es sich bei der Beute weder um sein eigenes Auto handelt, noch dass sie ein wahres Juwel aus den Händen gegeben haben - und den "Vater" aller Nachkriegs-Frazer-Nash: Der BMW 328 Mille Miglia Roadster, der 1940 nach dem siegreichen Touring-Coupe von Huschke von Hanstein als Dritter die Ziellinie in Brescia überquerte.

BMW steht als Zulieferer der Wehrmacht weiter auf der schwarzen Liste der Alliierten und muss noch einige Zeit auf eine Neuaufnahme der Fabrikation warten. Da "Hardware" aus München also erst einmal nicht zu erwarten ist, sichert man sich in England die "Software" - in Form des genialen BMW-Ingenieurs Fritz Fiedler. Dieser wird kurzerhand aus der Internierung geholt und in den Aufsichtsrat der Bristol Aeroplane Company - die eine Kooperation mit Frazer Nash eingegangen war - berufen, um dort eine Automobilproduktion auf BMW-Basis ins Rollen zu bringen. Als weitere Reparationsleistung erhält man die Konstruktionspläne für den 328-Motor, der behutsam bearbeitet sowohl bei Bristol als auch bei Frazer Nash (später ebenso bei AC) sehr erfolgreich Verwendung findet.


BMW 328 Mille Miglia Roadster - Urvater aller Frazer Nash nach 1945

Fiedler beginnt in Isleworth mit der Weiterentwicklung besagten 328 Mille Miglia Roadsters und schafft somit die Grundlage für eine ganze Reihe neuer Frazer Nash. Später werden die Engländer berichten, Fritz sei den Bristol-Ingenieuren stets einen Schritt voraus gewesen. 1948 präsentiert man dann den Competition und bald den Fast Roadster. Wie vor dem Krieg entsteht eine Vielzahl von Modellen - immer in geringer Stückzahl und stets exklusiv für seinen neuen Besitzer maßgeschneidert. Ein High Speed erringt 1949 den dritten Platz in Le Mans. Kurz darauf wird der Wagen offiziell als Le Mans Replica angeboten und firmiert mit 34 Stück zum erfolgreichsten Modell der Nachkriegszeit. In der 2-Liter-Klasse haben die Frazer Nash nur einen ernst zunehmenden Konkurrenten, den Ferrari 166, und entwickeln einen Ruf als wahre Giganten-Killer. In Silverstone fährt ein Frazer Nash die schnellste Runde – immerhin in Anwesenheit des neuen Jaguar XK 120. 1951 gewinnt man - als einziger britischer Hersteller überhaupt - die legendäre Targa Florio, ein Jahr später die 12 Stunden von Sebring, holt drei Alpine Cups und sogar ein paar Grand-Prix-Punkte. Mit weiteren Modellen werden nicht nur Rennen gewonnen, sondern auch die Herzen einer eingeschworenen Fangemeinde. Insgesamt entstehen - nach den etwa 400 Exemplaren vor dem Krieg - 86 Frazer Nash in der Zeit von 1948 bis 1957.


Harold John "Aldy" Aldington (links), Stirling Moss (in seinem Nash) vor seinem Vater Alfred


Frazer Nash Le Mans Replica


Frazer Nash Sebring


Frazer Nash Le Mans Coupé


Frazer Nash Mille Miglia


Frazer Nash Targa Florio

Nachdem man die Fertigung von eigenen Automobilen aufgegeben hatte, verlagert man das Geschick, zunächst als Englands exklusiver Porsches-Importeur und seit den 90er Jahren als einer der Marktführer bei der Entwicklung und Fertigung von Hybridsystemen. Die originalen Frazer Nash sind vielen großen Rennfahrern in ganz besonderer Erinnerung geblieben. Und trotz mittlerweile nicht selten erzielter Preise von einer halben Millionen Euro, werden die meisten davon immer noch mit großem Enthusiasmus auf der Rennstrecke bewegt. Ein englischer Sammler und Liebhaber der Marke bemerkte einmal, einen Frazer Nash müsse man fahren, als hätte man ihn gestohlen. Ganz nach dem Motto, welches schon die Chain Gang der 30er Jahre zügellos auslebte: Trash your Nash!