Bullit
24.03.2021, 11:35
Liebe Foristi,
nachdem meine 16660 in letzter Zeit doch an der ein oder anderen Stelle rumgezickt hat, habe ich ihr mal eine Werksrevi gegönnt. Das möchte ich zum Anlass nehmen, hier ein bisschen über das Kaliber 3035 zu berichten. Dieses wurde 1977 als Nachfolger des 1575 eingeführt und nach einer (für Rolex-Verhältnisse sehr kurzen) Bauzeit bereits 1988 vom 3135 wieder abgelöst. Ich stelle hier einfach mal den Zusammenbau von der nackten Platine bis zur fertigen Uhr dar und erzähle nebenbei was zu einigen technischen Einzelheiten.
Das ist sie also, die Platine.
265618
Zunächst wird das Minutentrieb mit seiner kleinen Brücke in der Werksmitte montiert.
265619
Dann kommt das Räderwerk: Federhaus, Minutenrad, Kleinbodenrad, Sekundenrad und Ankerrad. Und hier liegt auch schon einer der wesentlichen Unterschiede zum 1575. Das Minutenrad ist nicht mehr in der Werksmitte angeordnet, dort sitzt jetzt das Sekundenrad. Dieses hat zifferblattseitig einen sehr langen Zapfen, auf dem direkt der Sekundenzeiger sitzt. Durch diese Anordnung ist bei laufender Uhr im Bereich des Sekundenrads kein Zahnspiel mehr vorhanden, es wird also keine Friktionsfeder mehr benötigt.
265620
Das Federhaus treibt jetzt also 2 Pfade an (beim 1575 lief alles über einen Pfad).
1. Federhaus – Minutenrad – Kleinbodenrad - Sekundenrad – Ankerrad – Anker – Unruh
2. Federhaus – Minutentrieb – Wechselrad – Stundenrad – Datumsrad
Ranfft schreibt folgendes über dieses Konzept: „Diese Konstruktion ermöglicht kleine Bauhöhe und Platz für eine große Unruh, erfordert aber hohe Präzision und Spielfreiheit aller Teile, weil Sekunden- und Minutenzeiger über viele Räder gekoppelt sind.“
Dann kommen die beiden Brücken drauf.
265621
265622
Es folgen einige Elemente des Aufzugs: die Sperrklinke nebst Feder, das Kronrad und 2 Zwischenräder. Hier gibt es die nächste Änderung zum 1575. Das untere Zwischenrad ist in einer Nut gelagert und weicht somit aus, wenn die Automatik das Sperrrad im Uhrzeigersinn dreht. Die Automatik muss also nicht mehr alle Räder in der Kette ständig mitdrehen.
265624
Sperrrad und ein kleiner Kloben für die Zwischenräder. Hier sieht man nochmal schön die Nut.
265625
Weiter geht’s auf der Zifferblattseite. Kupplungsrad, Kupplungstrieb, Aufzugswelle und die Feder für den Sekundenstop.
265626
Dann kommt der Winkelhebel. Dieser wird nicht mehr mittels einer Winkelhebelschraube befestigt, sondern von einer Feder gehalten. Imho ein Fortschritt, wo keine Schraube ist, kann sich auch keine ungewollt lösen. Beim Ausbau der Aufzugswelle muss also nur noch der Hebel gegen den Widerstand der Feder etwas nach unten gedrückt werden.
265627
265628
Weiter geht’s: Minutenrohr, Wechselrad, Zeigerstellrad und Kupplungshebel.
265629
Dann die Kupplungsfeder und obendrauf die Raste für den Winkelhebel. Auf dieser ist ein weiteres Zahnrad montiert, welches später die Datumsschnellverstellung antreibt. Alles in allem also nur moderate Fortschritte im Bereich Aufzug, da kam der wirklich große Sprung erst mit dem 3135.
265630
265631
Zurück auf der Werkseite: Der Anker und die entsprechende Brücke werden montiert. Ein weiterer Fortschritt, hier fanden sich beim 1575 noch ein Kloben und die beiden klassischen Begrenzungsstifte.
265632
Dann folgt der Unruhkloben. Dieser wurde mit einer Justierschraube für das Axialspiel der Unruh ausgestattet. Die Unruhfrequenz wurde von 19.800 auf 28.800 Halbschwingungen pro Stunde erhöht, was das gesamte System unempfindlicher gegen Störungen (z.B. Stöße) macht. Das Reguliersystem besitzt jetzt 4 Microstella-Einstellschrauben, was das Ausgleichen eines Unwuchtfehlers erheblich vereinfacht. Mit der Umstellung auf eine Unruhbrücke und der stetigen Weiterentwicklung der Spiralfederwerkstoffe wurde dann beim 3135 nochmal eine ordentliche Schippe draufgelegt.
265634
Zurück auf die Zifferblattseite. Das Stundenrad und der Hebel für die augenblickliche Datumsschaltung werden eingelegt. Diese hat sich gegenüber dem 1575 kaum verändert.
265635
Es folgt die Führung für die Datumsscheibe. Dann wird die Rubinrolle eingelegt und das Datumsrad montiert.
265636
265637
265638
Die Datumsraste kehrt zurück.
265639
Nun zu einer weiteren Neuerung gegenüber dem 1575 und gleichzeitig zu einem der größten Kritikpunkte an diesem Werk: Der Datumsschnellverstellung. Diese wird in einer Zwischenstellung der Krone von dem bereits erwähnten Zahnrad auf der Winkelhebelraste angetrieben und besteht aus diesen beiden Teilen, die mit einer gemeinsamen Bundschraube auf der Platine befestigt werden.
265640
265641
Auf das Zahnrad wird die Mitnehmerscheibe gelegt. Diese besitzt 2 kleine Pins, die in entsprechende Nuten im Zahnrad greifen. Die Mitnehmerscheibe macht also die Drehung des Zahnrads mit, ist aber in Richtung dieser Nuten ein kleines Stück weit hin und her verschiebbar. Das ist notwendig, damit die Mitnehmerscheibe beim Handaufzug der Datumscheibe ausweichen kann und das Datum nicht verstellt. Fehlt nur noch die Zahlenscheibe, die durch verdrehen einer kleinen Klammer gesichert wird (im Bild zwischen der 30 und 31). Man beachte die für dieses Schnellverstellungskonzept erforderliche spezielle Form der Zähne (auf der einen Seite stark abgerundet, auf der anderen eckig). Deshalb sind diese Scheiben zu Vorgänger- und Nachfolgerkaliber nicht kompatibel.
265642
Hier noch ein kleiner Film, der die Funktionsweise der Schnellverstellung zeigt.
https://vimeo.com/528237036
Warum ist diese Schnellverstellung jetzt ein Kritikpunkt? Nun, diese Konstruktion stellt quasi eine filigrane Linearführung in Kombination mit einer rotierenden Verbindung dar und sowas neigt erfahrungsgemäß zum Klemmen und/oder Verkleben (was es in der Praxis dann auch gerne tut, wenn nur ein bisschen Schmutz und Öl im Spiel ist).
Diese Konstruktion hat also nicht überzeugt und wurde beim 3135 komplett überarbeitet.
So, Endspurt, Blatt und Zeiger drauf und rein ins Gehäuse (die Macken hatte das Blatt schon, die hab nicht ich da reingehauen).
265643
265647
Letzter Check auf der Zeitwaage. Meine Motivation, mir ein hochmodernes, präzises, zuverlässiges 3235 anzuschaffen, hält sich in engen Grenzen… :D
265644
Zusammenbau der Automatikgruppe.
265645
Rein damit und fertig.
265646
265648
Das war’s mit der kleinen Reise in ein 3035-Werk. Diese Werke sind analog zu den Uhren, in die sie verbaut wurden, nicht die beliebtesten. Nicht mehr wirklich Vintage, aber auch noch nicht alle Vorzüge eines 3135, Zwischenreferenz halt.
Ich mag sie trotzdem, aber da mein Eintauchen in die Rolex-Welt u.a. mit dem Erwerb einer Zwischenreferenz am Straßenrand neben dem Flugzeugmuseum Speyer verbunden ist, bin ich da vielleicht nicht ganz neutral („Willste jetzt kaufen oder nur rumlabern!?“)…
Gruß
Erik
nachdem meine 16660 in letzter Zeit doch an der ein oder anderen Stelle rumgezickt hat, habe ich ihr mal eine Werksrevi gegönnt. Das möchte ich zum Anlass nehmen, hier ein bisschen über das Kaliber 3035 zu berichten. Dieses wurde 1977 als Nachfolger des 1575 eingeführt und nach einer (für Rolex-Verhältnisse sehr kurzen) Bauzeit bereits 1988 vom 3135 wieder abgelöst. Ich stelle hier einfach mal den Zusammenbau von der nackten Platine bis zur fertigen Uhr dar und erzähle nebenbei was zu einigen technischen Einzelheiten.
Das ist sie also, die Platine.
265618
Zunächst wird das Minutentrieb mit seiner kleinen Brücke in der Werksmitte montiert.
265619
Dann kommt das Räderwerk: Federhaus, Minutenrad, Kleinbodenrad, Sekundenrad und Ankerrad. Und hier liegt auch schon einer der wesentlichen Unterschiede zum 1575. Das Minutenrad ist nicht mehr in der Werksmitte angeordnet, dort sitzt jetzt das Sekundenrad. Dieses hat zifferblattseitig einen sehr langen Zapfen, auf dem direkt der Sekundenzeiger sitzt. Durch diese Anordnung ist bei laufender Uhr im Bereich des Sekundenrads kein Zahnspiel mehr vorhanden, es wird also keine Friktionsfeder mehr benötigt.
265620
Das Federhaus treibt jetzt also 2 Pfade an (beim 1575 lief alles über einen Pfad).
1. Federhaus – Minutenrad – Kleinbodenrad - Sekundenrad – Ankerrad – Anker – Unruh
2. Federhaus – Minutentrieb – Wechselrad – Stundenrad – Datumsrad
Ranfft schreibt folgendes über dieses Konzept: „Diese Konstruktion ermöglicht kleine Bauhöhe und Platz für eine große Unruh, erfordert aber hohe Präzision und Spielfreiheit aller Teile, weil Sekunden- und Minutenzeiger über viele Räder gekoppelt sind.“
Dann kommen die beiden Brücken drauf.
265621
265622
Es folgen einige Elemente des Aufzugs: die Sperrklinke nebst Feder, das Kronrad und 2 Zwischenräder. Hier gibt es die nächste Änderung zum 1575. Das untere Zwischenrad ist in einer Nut gelagert und weicht somit aus, wenn die Automatik das Sperrrad im Uhrzeigersinn dreht. Die Automatik muss also nicht mehr alle Räder in der Kette ständig mitdrehen.
265624
Sperrrad und ein kleiner Kloben für die Zwischenräder. Hier sieht man nochmal schön die Nut.
265625
Weiter geht’s auf der Zifferblattseite. Kupplungsrad, Kupplungstrieb, Aufzugswelle und die Feder für den Sekundenstop.
265626
Dann kommt der Winkelhebel. Dieser wird nicht mehr mittels einer Winkelhebelschraube befestigt, sondern von einer Feder gehalten. Imho ein Fortschritt, wo keine Schraube ist, kann sich auch keine ungewollt lösen. Beim Ausbau der Aufzugswelle muss also nur noch der Hebel gegen den Widerstand der Feder etwas nach unten gedrückt werden.
265627
265628
Weiter geht’s: Minutenrohr, Wechselrad, Zeigerstellrad und Kupplungshebel.
265629
Dann die Kupplungsfeder und obendrauf die Raste für den Winkelhebel. Auf dieser ist ein weiteres Zahnrad montiert, welches später die Datumsschnellverstellung antreibt. Alles in allem also nur moderate Fortschritte im Bereich Aufzug, da kam der wirklich große Sprung erst mit dem 3135.
265630
265631
Zurück auf der Werkseite: Der Anker und die entsprechende Brücke werden montiert. Ein weiterer Fortschritt, hier fanden sich beim 1575 noch ein Kloben und die beiden klassischen Begrenzungsstifte.
265632
Dann folgt der Unruhkloben. Dieser wurde mit einer Justierschraube für das Axialspiel der Unruh ausgestattet. Die Unruhfrequenz wurde von 19.800 auf 28.800 Halbschwingungen pro Stunde erhöht, was das gesamte System unempfindlicher gegen Störungen (z.B. Stöße) macht. Das Reguliersystem besitzt jetzt 4 Microstella-Einstellschrauben, was das Ausgleichen eines Unwuchtfehlers erheblich vereinfacht. Mit der Umstellung auf eine Unruhbrücke und der stetigen Weiterentwicklung der Spiralfederwerkstoffe wurde dann beim 3135 nochmal eine ordentliche Schippe draufgelegt.
265634
Zurück auf die Zifferblattseite. Das Stundenrad und der Hebel für die augenblickliche Datumsschaltung werden eingelegt. Diese hat sich gegenüber dem 1575 kaum verändert.
265635
Es folgt die Führung für die Datumsscheibe. Dann wird die Rubinrolle eingelegt und das Datumsrad montiert.
265636
265637
265638
Die Datumsraste kehrt zurück.
265639
Nun zu einer weiteren Neuerung gegenüber dem 1575 und gleichzeitig zu einem der größten Kritikpunkte an diesem Werk: Der Datumsschnellverstellung. Diese wird in einer Zwischenstellung der Krone von dem bereits erwähnten Zahnrad auf der Winkelhebelraste angetrieben und besteht aus diesen beiden Teilen, die mit einer gemeinsamen Bundschraube auf der Platine befestigt werden.
265640
265641
Auf das Zahnrad wird die Mitnehmerscheibe gelegt. Diese besitzt 2 kleine Pins, die in entsprechende Nuten im Zahnrad greifen. Die Mitnehmerscheibe macht also die Drehung des Zahnrads mit, ist aber in Richtung dieser Nuten ein kleines Stück weit hin und her verschiebbar. Das ist notwendig, damit die Mitnehmerscheibe beim Handaufzug der Datumscheibe ausweichen kann und das Datum nicht verstellt. Fehlt nur noch die Zahlenscheibe, die durch verdrehen einer kleinen Klammer gesichert wird (im Bild zwischen der 30 und 31). Man beachte die für dieses Schnellverstellungskonzept erforderliche spezielle Form der Zähne (auf der einen Seite stark abgerundet, auf der anderen eckig). Deshalb sind diese Scheiben zu Vorgänger- und Nachfolgerkaliber nicht kompatibel.
265642
Hier noch ein kleiner Film, der die Funktionsweise der Schnellverstellung zeigt.
https://vimeo.com/528237036
Warum ist diese Schnellverstellung jetzt ein Kritikpunkt? Nun, diese Konstruktion stellt quasi eine filigrane Linearführung in Kombination mit einer rotierenden Verbindung dar und sowas neigt erfahrungsgemäß zum Klemmen und/oder Verkleben (was es in der Praxis dann auch gerne tut, wenn nur ein bisschen Schmutz und Öl im Spiel ist).
Diese Konstruktion hat also nicht überzeugt und wurde beim 3135 komplett überarbeitet.
So, Endspurt, Blatt und Zeiger drauf und rein ins Gehäuse (die Macken hatte das Blatt schon, die hab nicht ich da reingehauen).
265643
265647
Letzter Check auf der Zeitwaage. Meine Motivation, mir ein hochmodernes, präzises, zuverlässiges 3235 anzuschaffen, hält sich in engen Grenzen… :D
265644
Zusammenbau der Automatikgruppe.
265645
Rein damit und fertig.
265646
265648
Das war’s mit der kleinen Reise in ein 3035-Werk. Diese Werke sind analog zu den Uhren, in die sie verbaut wurden, nicht die beliebtesten. Nicht mehr wirklich Vintage, aber auch noch nicht alle Vorzüge eines 3135, Zwischenreferenz halt.
Ich mag sie trotzdem, aber da mein Eintauchen in die Rolex-Welt u.a. mit dem Erwerb einer Zwischenreferenz am Straßenrand neben dem Flugzeugmuseum Speyer verbunden ist, bin ich da vielleicht nicht ganz neutral („Willste jetzt kaufen oder nur rumlabern!?“)…
Gruß
Erik