Schönen Dank für diese Ausführungen von einem Praktiker.
Jetzt weiß ich auf jeden Fall, dass für mich eine, wie auch immer, beschichtete Uhr nicht in Frage.
Ergebnis 1 bis 20 von 48
-
13.11.2012, 15:18 #1
PVD-Beschichtungen - wie unempfindlich sind die eigentlich wirklich?
Man sieht sie ja mittlerweile ziemlich oft: PVD- oder DLC-Beschichtungen an Uhren. Männlich-markant, sehr lässig und unzerstörbar.
Erstes und zweiteres liegt im Auge des Betrachters, die Unzerstörbarkeit wollte ich mal überprüfen. Im Rahmen einer Testreihe mit geschwärzten Ringen - Grundlage für eine mögliche neue Schmuckkollektion - habe ich den Praxistest gewagt.
Und was kann ich sagen: das Material ist - zumindest für unsere Ansprüche - durchgefallen. Für unsere Zwecke leider nicht geeignet, da schon mit Gegenständen aus Edelstahl oder Glas bei alltäglichen Belastungsszenarien sichtbare Kratzer ins Material reingehauen werden können.
Grundsätzliches: eine PVD-Beschichtung ist nicht zu vergleichen mit einer galvanischen Beschichtung, sondern eher mit einer Lackierung oder einer Pulverbeschichtung - letzteres ist es ja auch. Der Träger muß also nicht aus Metall sein, prinzipiell kann man wohl alles beschichten. Vergleichbar mit einer Lackschicht ist dann auch das "look and feel" der Beschichtung. Anders als eine galvanische Beschichtung, die ja ebenfalls metallisch ist, wirkt die Beschichtung haptisch wärmer als Metall, eher wie ein Kunststoff.
Die Beschichtung an sich ist recht robust: normaler Abrieb perlt daran ab, da ist die Beschichtung zweifellos robuster als Lack. Bis zu einem gewissen Druck kann man auch mit Metall- oder Glasteilen darüber weggehen und die Beschichtung bleibt unbeeindruckt. Die Sache wird anders, wenn die Gewalteinwirkung direkter wird. Simuliert habe ich etwa den harten Kontakt mit Metall (etwa Schlüssel oder Werkzeug), mit einer Glaskante (Scherbe, Glastisch) und den Abrieb mit Baumaterialien wie etwa Rauhputz. So kann man etwa mit einem Nagel schon Spuren hinterlassen, wenn man ihn mit dem Druck, den man etwa bei der Benutzung eines Kugleschreibers aufbringen muß, über die Oberfläche gleiten läßt. Das Grundmaterial kommt sofort schön zur Geltung! Auch der Ansatz einer Zange etwa benötigt nur wenig Druck, um Spuren zu hinterlassen. Eine beschichtete Uhr wird man also nur mit Spezialwerkzeug öffnen können.
Überascht hat mich auch, daß der Abrieb mit Scotch-Britt sofort Spuren hinterlassen hat. Sicherlich ist Scotch kräftiger als normale Poliertücher, dennoch war ich mir sicher, daß die PVD-Oberfläche hier mehr abkönnen müßte. Aber nein: schon leichter Druck genügt, um das Grundmetall zutage zu fördern. Hierzu muß man wissen, daß auch herkömmliche Politurpasten und -tücher abrasive Stoffe beinhalten, die hier eventuell die Oberfläche beeinträchtigen können.
Mein Fazit: in dem Moment, wenn eine Belastung auf den beschichteten Gegenstand einwirkt, die auch dazu geeignet wäre, den unbeschichteten Gegenstand zu verformen oder tiefergehend zu verändern, wird auch die Beschichtung in Mitleidenschaft gezogen. Die Komponenten der Beschichtung sind zwar hart, die Beschichtung an sich ist aber mit einer Beflockung zu vergleichen und nicht mit einer gewobenen Decke. Vergleichen könnte man das etwa mit einer kugelsicheren Weste. Diese ist in sich gewoben, die Kugel dringt nicht durch die Beschichtung durch. Aber die Beschichtung ist eben nicht verwoben, sondern nur beflockt. Ab einer gewissen Belastung reisst der Gegner die Beflockung einfach mit, die Schicht reißt dann auf, eben wie eine Lackschicht, wenn auch eine ziemlich robuste.
Vielleicht ist der Hinweis für den einen oder anderen, der meint, mit der PVD-Beschichtung den Königsweg gegen Unzerstörbarkeit gefunden zu haben, ganz interessant. Wichtig auch: die Beschichtung ist zwar dünn, aber schon dicker als etwa eine galvanische Beschichtung. Was das für Maßtoleranzen, Spiel und Dichte bei einer evtl. nötigen Nachbeschichtung, die prinzipiell möglich ist, bedeutet, kann sich jeder selbst ausrechnen.
Und deswegen ist sie für uns auch durchgefallen. Die Beschichtung sieht super aus und ist zweifellos robuster als eine rein metallene Oberfläche. Und auch die Vintage-Haptik, die entsteht, wenn sie sich ein wenig abnutzt, ist nicht uncool. Aber wenn ein Kunde wünscht, den Gegenstand wieder in den optischen Neuzustand zu versetzen, wirds ganz schwierig, wenn nicht gar unmöglich, wenn man Ansprüche an Toleranzen, Spiel und Paßgenauigkeit hat.Beste Grüße, Tobias
Warum zitterst du?
-
13.11.2012, 15:26 #2
- Registriert seit
- 22.01.2011
- Ort
- Kölle am Ring
- Beiträge
- 5.714
Es grüßt der Bernd
-
13.11.2012, 15:38 #3
-
13.11.2012, 16:53 #4
- Registriert seit
- 14.05.2007
- Beiträge
- 633
Danke Tobias für die interessanten Ergebnisse.
Geahnt hab' ich es immer. Bei Beschichtungen gleich welcher Art ist die Frage (soweit mir bekannt) wohl nie ,ob sie sich abnutzt sondern immer nur, wann. Gilt leider sogar für rhodiniertes Weißgold, wenn man unsachgemäß genug damit umgeht.
Also am besten immer reines Material außen wie innen.
Oliver
-
13.11.2012, 17:43 #5
-
13.11.2012, 17:50 #6
Hochinteressant. Und war das jetzt PVD oder DLC? Das sind doch zwei verschiedene Sachen, oder?
Gruß Percy
"Ferner wird hier auch auf Ihrem Profil sehr viel Diversität benötigt."
-
13.11.2012, 18:00 #7
Wow, das ist echt spannend!
Besten Dank dafür!Aloha,
Can
I am the REAL Checker Can!
Gibt‘s das auch mit Approved?
-
13.11.2012, 18:22 #8
PVD Beschichtungen halten den hohen Anforderungen im Automobilbau auch nicht überall stand. Wo viel gekratzt wird oder herumgetrieben - da fällt PVD bei den Abriebstests meist durch. Bei normal beanspruchten Bauteilen ist PVD-Beschichtung schon recht gut und haltbar.
Für Ringe, wo andere Ringe dran schrabbeln können, Schlüssel etc mit in Kontakt kommen etc. würde ich nach meiner Erfahrung auch eher von abraten.
Die Haptik ist auch anders als Metall, das kühle Empfinden beim Anpacken hat man nicht bei PVD. Schaut aber trotzdem oft richtig gut aus.
Wie gesagt, es kommt auf den Einsatzzweck an. Unkritisch ist das Verfahren aber nicht, aber auch nicht überall abzulehnen. Ist eher was fürs Aussehen, als zum Benutzen, also für Dekorsachen gut geeignet.Geändert von Edmundo (13.11.2012 um 18:25 Uhr)
-
13.11.2012, 18:41 #9
Geändert von Donluigi (13.11.2012 um 18:48 Uhr)
Beste Grüße, Tobias
Warum zitterst du?
-
13.11.2012, 19:18 #10
Danke für den Erfahrungsbericht. Dies bestätigt meine Antipathie dazu.
-
13.11.2012, 23:01 #11
Cool, besten Dank für die Erläuterung
Gruß Florian
-
13.11.2012, 23:04 #12
-
13.11.2012, 23:08 #13
Hierzu wird es aber sicherlich einige geben, die da noch mehr zur Praxis sagen können. Ich seh das jetzt aus Nutzer-, bzw. Weiterverarbeiterperspektive, bin aber nur Kunde, was die PVD-Beschichtung angeht. Was hier selbst beachtens- und unterscheidenswert ist, können andere besser erklären.
Beste Grüße, Tobias
Warum zitterst du?
-
14.11.2012, 08:35 #14
- Registriert seit
- 27.02.2008
- Ort
- Room 641A, 611 Folsom Street, San Francisco, CA 94107
- Beiträge
- 9.309
Das kann ich so nicht 100% teilen, denn Beschichtung ist nicht gleich Beschichtung. PVD ist wie Du sagst einfach nur ein Verfahren und die einsetzbaren Materialien machen neben der Umsetzung des Verfahrens den Unterschied.
Man muss sich auch mal vor Augen führen, wo solche Beschichtungen eingesetzt werden. Das war nie als Schmuck gedacht, sondern es sind technische Schichten, die Werkzeuge robuster machen, die Standzeit verlängern und Reibungsschäden minimieren sollen. Inzwischen beschichtet man nicht nur Bohrer, Fräser und Schneidplatten, sondern z.B. auch die Laufflächen von Nockenwellen, weil sich damit Laufspuren von der Nockenwelle fern halten lassen.
Je nach Beschichtungsmaterial und Schichtdicke kommen da ganz unterschiedliche Ergebnisse zustande. Auch mehrlagige Beschichtungen sind möglich und das macht auch einen deutlichen Unterschied. Sulzer, Hersteller solcher Beschichtungsanlagen, gibt z.B. für eine TiN-Beschichtung mit 4-5µm Schichtdicke einen Härteunterschied von über 10% an, je nachdem, ob diese Schichtdicke in einer oder in mehreren Lagen erzeugt wurde. Mehrlagig ist dabei fester.
Meiner Erfahrung nach lässt sich die Oberflächenhärte locker verdreifachen durch z.B. eine kristalline TiAlN Beschichtung.
Empfindlich ist dabei auch nichts, besonders nicht gegen Abrieb, wie zum Beispiel dieser Homegrown-TiN-beschichtete Bohrer zeigt:
Dieses Bohrerchen mit 2,5mm Durchmesser hat bereits mehrere Stunden Edelstahl zerspant, ohne auch nur ein mal geschliffen worden zu sein! Ein paar Stunden mit eher schlechter Kühlung auf Edelstahl rumschrubben, dabei noch einen Span abheben und nicht mal wirklich zerkratzt an der Oberfläche finde ich ein gutes Ergebnis.
Oder hier eine Uhr. Diese Uhr habe ich 2004 von meinen Eltern geschenkt bekommen. Von 2004 bis 2008 war es meine einzige Uhr und ich habe sie jeden Tag getragen, egal, ob ich am Auto geschraubt habe, meinen Umzug gemacht habe, im Labor gearbeitet habe oder mit dem Mountainbike den Feldberg runtergekachelt bin. Einen Kratzer habe ich durch die PVD-Beschichtung bekommen, als ich meine Waschmaschine in die Uhr reingestellt habe:
Ansonsten ist alles anthrazitfarben, so wie es sein soll.
Panerai verwendete damals eine TiAlN-Schicht und ist inzwischen auf amorphen Kohlenstoff (DLC) umgestiegen, weil das wirklich schwarz ist und nicht irgendwo zwischen graubraun und anthrazitfarben.
Alles, was ich bisher an Beschichtungen gesehen habe, was nicht DLC war und trotzdem tiefschwarz, war für die Tonne. Die PVD-Schichten neben DLC, die für technische Zwecke einsetzbar sind, sind kupferfarben, goldfarben, bläulich wie Anlauffarben, metallisch grau, blaugrau oder anthrazitfarben. Aber nie schwarz.
-
14.11.2012, 10:56 #15
-
14.11.2012, 11:00 #16
Diamond like Carbon war auch die mir bekannte Übersetzung und ich erinnere mich noch,d ass es mal hieß, dass bestimmte Uhren eben nicht PVD sondern DLC beschichtet seien. Daher dachte ich,d as seien zwei verschiedene paar Schuhe. Mag aber auch Marketingtrick sein.
Gruß Percy
"Ferner wird hier auch auf Ihrem Profil sehr viel Diversität benötigt."
-
14.11.2012, 11:15 #17
- Registriert seit
- 27.02.2008
- Ort
- Room 641A, 611 Folsom Street, San Francisco, CA 94107
- Beiträge
- 9.309
Kenne es auch als Diamond-like Carbon. Wobei das egal ist, meiner Meinung nach, weil Diamond sowieso immer Carbon (Kohlenstoff) ist.
PVD ist nur ein Verfahren. Damit kann man ziemlich viel aufbringen.
Bei meiner Panerai wäre es auch technisch richtiger, wenn man von Titanaluminiumnitridbeschichtung sprechen würde. Das ist sonst ein bisschen wie die Frage nach einem belegten Brot: "ist es belegt?" - "Ja!". Aber man weiß nicht, ob Wurst oder Käse oder sonstwas...
Gewisses Marketing-Bohei um DLC halte ich schon für gerechtfertigt. Die TiAlN-Schichten kamen Ende der 80er / Anfang der 90er auf und waren auch eine kleine Sensation (umso bemerkenswerter übrigens, dass Panerai bereits 1992 eine TiAlN-beschichtete Uhr mit Ref. 5218/203a angeboten hat!). DLC ist wirklich ein Schritt weiter, als die titan- oder chrombasierten Hartschichten, besonders wenn es um Reibeigenschaften geht.
-
14.11.2012, 11:34 #18
Mein Auftragnehmer spricht immer von Diamond-Like Coating, so stehts auch auf den Lieferscheinen. Diamond-Like Carbon wäre imho ein Pleonasmus. Aber hier kommen wir in die speziellen Feinheiten, die ich nicht beurteilen kann. Bin gespannt, was hier noch kommt.
Beste Grüße, Tobias
Warum zitterst du?
-
14.11.2012, 11:37 #19
-
14.11.2012, 11:43 #20Das war nie als Schmuck gedacht, sondern es sind technische Schichten, die Werkzeuge robuster machen, die Standzeit verlängern und Reibungsschäden minimieren sollen.Beste Grüße, Tobias
Warum zitterst du?
Ähnliche Themen
-
Sind wir eigentlich besonders.........??
Von mopedueden im Forum Rolex - Haupt-ForumAntworten: 65Letzter Beitrag: 31.01.2009, 12:40 -
welche "lederboxen" sind denn wirklich aus echtem leder?
Von maut im Forum Rolex - Haupt-ForumAntworten: 2Letzter Beitrag: 26.01.2007, 20:53 -
Wer sind eigentlich die Leute, die ...
Von Bergmann im Forum Rolex - Haupt-ForumAntworten: 43Letzter Beitrag: 16.01.2007, 18:30 -
Sind Oysterbänder wirklich so Sch...
Von Bausparer im Forum Rolex - Tech-TalkAntworten: 30Letzter Beitrag: 24.07.2006, 12:59
Lesezeichen