Noch FragenOriginal von Frederic
Prof. Dr. Dr. Huerlimeier fuhr bedächtig - er hatte alle Zeit der Welt.
Wir bogen in eine Seitenstrasse ein - ohne Strassenschild - und hielten vor einem Tor. Die beiden Wachtürme links und rechts waren schlecht als Kamine kaschiert.
Er zeigte seinen Ausweis vor und wie fuhren in eine Schleuse. Ich durfte aussteigen und mich meiner Sachen entledigen. Nun gut, zumindest die Invicta blieb am Arm und der freundliche Herr,
der alle Körperöffnungen nach einer Kamera oder einem Diktiergerät durchforstete (soooooo klein sind die nun wirklich nicht), bemerkte mit Stolz meine Invicta.
"Pssst... Ich trage auch eine, eine von unserem Haus kann ich mir leider auch mit Mitarbeiterrabatt nicht leisten". Zuvorkommend half er mir wieder beim Anziehen.
Prof. Dr. Dr. Huerlimeier war sichtlich unangenehm berührt : "Frederic, tut mir leid, aber wir können nun mal keine Aufnahmen von unserer Fertigung genehmigen. Was würden denn die Kunden sagen...."
Wir gingen in eine elegante Werkhalle. Stahlbänder lagen in Rollen auf dem gefliesten Boden. Signiert mit "RR".
"Arbeiten Sie auch für Rollce Royce?" war meine erstaunte Frage.
"Nein, nein, Frederic", sagte mein Führer, "es heisst : Reservé pour Rolex. Sie haben das echte >Bling<."
Prof Huerliemer führte mich zu einem Automaten - weit und breit niemand in Sicht - , der aus den Bändern in hoher Geschwindigkeit Gehäuse stanzte, die in eine Kiste fielen.
Ich war irgendwie entsetzt. Ich hatte mir in meiner naiven Vorstellung einen Block vorgestellt, der auf einer 3D Fräse vom altem Fachmann zu einem Rolex Gehäuse geformt wurde.
Erschüttert wandte ich mich an Prof. Huerlimeier : "Ich denke, die Gehäuse werden aus dem Vollen gefräst?"
"Natürlich", entgegnete selbstsicher Huerlimeier, "Sie sehen hier eine Stanzfräse, äh, eine Frässtanze. Der Stanzkopf wird gefräst und geschmiedet. Dann formt die Frässtanze mit ihrem gestanzten Fräskopf das Gehäuse aus diesem Stahlband. Das Stahlband ist ganz massiv, sehen Sie selber."
Fffft Klack.., Fffft Klack..., Fffft Klack... fielen die Gehäuse in hohem Tempo, das danach durchlöcherte Stahlband erinnerte an Formen für Weihnachtsgebäck. Vielleicht werden damit auch Plätzchen gemacht...
Okay, wieder etwas Neues gelernt. Die Stanzfräse... Aber das echte >Bling< ???
Prof. Dr. Dr. Huerlimeier nahm einige Rohgehäuse aus der Kiste und steckte sie in seine Jackentasche.
Am Hallenende hörte ich plötzlich eine Mann entsetzlich brüllen. Er übertönte sogar die Stanze, neben der wir noch standen.
"Das ist Senior Aquirra, Conde di San Pedro de las Cases, er ist gerade bei der Arbeit - kommen Sie, wir gehen zu ihm", klärte mich Huerlimeier auf.
Wir gingen an der Materialausgabe vorbei, an der eine Gruppe Poliseure gerade ihre "Geheime Schleifpaste Rot" abholte.
Wir kamen näher zum Tor. Materialannahme stand dort und ich konnte aus dem Gebrüll mittlerweile einzelne Worte herausholen.
"Nehmen Sie Ihren Schrott wieder mit!!! Eine Zumutung, was Sie mir da unterjubeln wollen!!! So eine Frechheit ist mir in 40 Jahren noch nicht untergekommen!!!",
dazwischen kleinlaute Worte der Entschuldigung, der unendlichen Reue und der Bitte um Vergebung. Senior Aquirra stand dort, wie der Erzengel Gabriel, mit einem kleinen silbernen Hämmerchen in der Hand.
Jetzt begriff ich - ein Schweizer kann sich nicht so enervieren, ein Appenzeller wie Prof. Huerlimaeier schon zweimal nicht, da ist man auf spanischem Import angewiesen. Alter spanischer Adel brüllt am besten.
"RRRRAAAAUUUUSSS - Sie wollen mir doch diese Partie nicht im Ernst für eine Rolex liefern."
Wieder die klägliche Stimme, "Aber sehen Sie doch die Laboranalysen. Alles 1a. Genau in der DIN Norm. Die Mischung ist exakt - wir haben auch 7% Ferrari drin und 3% Feldhaubize."
Wortgewaltig bebte Senior Aquirra: "Was interessiert mich DIN? Dieser Stahl hat nicht unser >Bing<. Zurück damit, den können Sie an Omega liefern, aber nicht an uns."
Senior Aquirra sah uns und wurde im Bruchteil einer Sekunde wieder die Höflichkeit in Person - ein echter spanischer Grande.
"Guten Tag, Frederic", sagte er liebenswürdig und fügte verbindlich hinzu, "ich muss diese Partie zurückweisen. Ihr fehlt das >Bing<."
Ich war mittlerweile gespannt wie ein Flitzebogen. Der Lieferant verdrückte sich in der Zwischenzeit kleinlaut mit Tränen in den Augen.
"Was ist diese geheimnisvolle >Bing<? Herr Huerlimeier erzählte mir auch schon davon." N E U G I E R stand mit grossen Worten in meinem Gesicht.
"Unser Stahl muss singen können - das ist etwas, was Sie mit einer chemischen Analyse nicht erfassen können. Weder mit einem Massenspektrometer, noch mit dem Schliff unter dem Mikroskop.", entgegnete stolz Signor Aquirra.
Er nahm sein silbernes Hämmerchen wieder aus dem Etui (Karanga Wurzelholz mit Shabu Lack) und klopfte auf eine Rolle Stahlband.
"Das musste ich zurückgehen lassen. Hören Sie selber!" : >BLING<
"Ein völlig falscher Ton. So muss es singen", und nahm seinen Referenzstahl zur Hand : >BLING<
Ich war schon immer auf mein absolutes Gehör stolz gewesen. Das waren 4125 Herz. Bei beiden >Bling<.
"Ich sehe keinen Unterschied", entgegnete ich fragend.
"Sie müssen auf die Obertöne achten - die vierte Harmonische ist zu scharf, die dritte Harmonische nicht ausgeprägt genug. Unser Stahl muss konsonanter sein."
Er benutzte noch einmal sein Hämmerchen.
Ich wurde erleuchtet. Wie damals im Omkarananda Ashram in Muni-ki-reti nach 48 Stunden Om Mani Padme Hum.
"Jetzt höre ich es auch, der 12375 Herz Anteil ist nicht harmonisch eingebunden." Ich bewunderte Signor Aquirra - er musste wirklich ein fabelhaftes Gehör haben.
"Wozu ist das >Bing< eigentlich gut?" Auf diese Frage bekam ich keine Antwort.
Prof. Huerlimier lächelte wissend...
...Das war Signor Aquirre - Er ist also für das >Bling< verantwortlich. Vielleicht sind doch noch Pferdetrensen mit drin, aber es sollte ein letztes Geheimnis bleiben...
Stille legte sich über den Raum, nachdem der Conde uns mit einem freundlichen Gruss verlassen hatte.
Wir standen in der Werkhalle neben einigen Maschinen, die nicht in Betrieb waren. Es war eine wirkliche Ruhe im Gegensatz zu der Frässtanze oder der Stanzenfräse und dem Gebrüll des Einkäufers.
Prof Huerlimaeier nahm ein Gehaeuse in die Hand und liess es auf den gefliessten Boden fallen.
Ein helles "Bling" ertönte. Huerlimeier lächelte selig.
"Aber nimmt das Werk keine Schaden?" fragte ich verdutzt.
"Doch, in der Regel muss dann die Uhr schon zum Service - aber der Kunde sollte wenigstens das >Bling< in angenehmer Erinnerung haben. Wissen Sie Frederic, das ist es, was uns wichtig ist. Der Schmerz über die Servicerechnung soll durch den angenehmen Klang beim Aufschlag gemildert werden. Das sind wir unserer exklusiven Kundschaft einfach schuldig."
Ich staunte mit offenem Mund. Ich war sprachlos - schweigend - wortlos. Passiert mir ganz selten.
Wir gingen weiter an einer schmutziggrünen Schuler vorbei.
Es kam mir eine teuflische Idee, diesen Pressentyp kannte ich noch aus meiner Studentenzeit. Es war eine Schuler 75000 mit dem langen Doppelgriff, der erst das Sicherheitsgatter herunterfuhr und dann die 75to. Presse betätigte. Ein primitiver Pressentyp - aber mit Kawumm!
...Ich nahm meine Invicta vom Arm und schmiss sie auf den Boden.
Schepper-Schepper, Klapper-Klapper*
"Ja das ist das typische Klang vom Armband Jahrgang 99", schwärmte Prof. Huerlimeier selig, "aber haben Sie nicht auch dieses charaktervolle Bling gehört - das macht nur eine unserer Uhren."
Er nahm ein IWC Gehäuse in die Hand und liess es auf den Boden fallen.
Plopp*
"Sehen Sie", sagte Huerlimeier triumpfierend, "Sie hören nichts - keine elegantes Bling, nur ein schäbiges Plopp. Nichts als ein erbärmliches ... Plopp*"
Ich fand es unfair, Prof. Hürlimeier darauf hinzuweisen, dass gerade dieses IWC Gehäuse aus Titan war. Titan macht IMMER Plopp*
Ich wollte wieder meine Invicta auf den Boden werfen, aber Prof. Huerlimeier sagte mir, es sollte wegen des reineren >Bling< zuerst das Armband entfernt werden und wollte sie mir aus der Hand nehmen.
Danach ging alles wie in Zeitlupe:
--- ich hielt die Uhr mit aller Kraft fest, als Huerlimeier losliess, schlenzte ich sie elegant aus Versehen in die Presse, ich hechtete hinterher, um die Uhr zu retten, ich stolperte ungeschickterweise über meine eigenen Füsse und griff dann im Fallen leider mit beiden Händen den bekannten Doppelgriff der Schuler,
den roten Hauptschalter hatte ich vorsichtshalber diskret schon vorher umgelegt;
zuerst schoss das Sicherheitsgitter herunter, dann die Presse.
Meine Invicta wurde zu einer formlosen Masse geformt.
Prof. Huerlimaeier war die Peinlichkeit der Situation mit deutlichen Tropfen auf die Stirn geschrieben.
"Oh, das tut mir fürchterlich leid, Frederic. Ich sorge dafür, dass Sie sofort eine Neue bekommen."
Ich muss ganz ohne Eitelkeit gestehen, dass ich meine neue Rolex gerne trage und sie immer wieder liebvoll betrachte. Ja, ja, die gute alte Schuler 75000.
Gruß
Matthias
Ergebnis 1 bis 9 von 9
Hybrid-Darstellung
-
21.09.2007, 16:33 #1Nichts hält länger als ein Provisorium.
Gruß
Matthias
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