Hallo zusammen,

nachdem ich jahrelang nur noch ein stiller Mitleser war, hat es mich in den letzten Monaten immer mehr in den Fingern gejuckt, etwas zu den diversen Themen hier im Lange-Bereich beizutragen. Dieser Thread hat nun quasi den letzten Push gegeben und daher im Folgenden ein paar Erfahrungen von mir. Bear with me, zum eigentlichen Thema dieses Threads komme ich weiter unten...

Vor fast genau 10 Jahren, so mit Mitte 30 und nach den ersten beruflichen Meilensteinen, sollte nach zwei Rolex Sportmodellen etwas gediegenes an den Arm. Daher fand ich mich bei meinem Konzessionär ein, mit dem Ziel, mir eine schöne Patek auszusuchen. Ich schaute mir lange diverse Modelle an (die man damals noch direkt mitnehmen konnte, sogar eine weiße 5711 hatte er da) und war verzweifelt - nichts sprach mich an. Die skeptischen Blicke meiner Frau halfen da auch nicht. Da holte der wirklich gute Mitarbeiter auf einmal ein Tablett mit Langes an den Tisch und es war um mich geschehen - die Lange 1 in weißem Metall war perfekt. Genau die richtigen Proportionen für meinen Geschmack: Nicht zu groß, nicht zu klein und nicht zu dick, aber auch nicht zu flach. Dazu ein atemberaubend schönes Werk, ein faszinierendes Zifferblatt und ein paar "Komplikationen für den kleinen Mann". Das Großdatum, die Gangreserveanzeige und das Doppelfederhaus (zumindest für mich als Laien eine Komplikation). Und das, zumindest damals, zu einem sehr fairen Preis. Ein paar Tage Überlegen, ob WG oder Platin - die Entscheidung fiel zugunsten WG aus, da im Preis kompatibler und das Zifferblatt sagte mir mehr zu, da in meinen Augen mehr Kontrast. Gekauft und ich bin nach wie vor verliebt. Die Uhr ist wunderschön und lässt sich wunderbar Tragen.

Soviel zu Preispolitik (bei den heutigen Preisen würde ich arg trocken schlucken) und Boutique-only (der Verkauf kam nur zustande, weil der Konzessionär zufällig auch eine Lange-Konzession hatte und mir die Uhr mal nebenbei zeigen konnte).

Während der Garantiezeit ging die Uhr zwei Mal zu Lange zurück, da sie immer wieder "Aussetzer" hatte und stehen blieb. Nach der zweiten Reparatur lief alles perfekt und ich genoss die Uhr weiter über Jahre.

Fast-forward ins Jahr 2020. Die Gangwerte der Uhr verschlechterten sich (stabiler, aber deutlicher Nachgang) und so war die Zeit für einen Service gekommen. Aufgrund diverser Umzüge ging ich zu einem lokalen Lange-Konzessionär (der seit kurzem keine Konzession mehr hat, genau wie der Konzessionär, der mir damals die Uhr verkaufte) und stellte die Uhr mit der Bitte um einen umfassenden Service (Werk und Gehäuse) bei Lange in Glashütte vor. Die Antwort des freundlichen Uhrmachers vor Ort war: "Einen Service braucht die Uhr in der Tat, das bestätigt die Zweitwaage, aber die Aufarbeitung können Sie sich sparen, die Uhr sieht noch top aus und die Swirls, die sie jetzt hat, hat sie nach ein paar Wochen des Tragens eh' wieder. Auch ein neues Band sollten Sie sich sparen, das ist auch noch sehr gut." Gesagt, getan. Uhr und "Buch zur Uhr" abgegeben und Kostenvoranschlag von EUR 1.100,- (damals der Preis für die Werksrevision) direkt mitbekommen.

Einige Wochen später erhielt ich eine Mail von dem Konzessionär, in der mir ein Schreiben von Lange weiterleitete: Bei der Eingangskontrolle in Glashütte wäre festgestellt worden, dass das Werk "Unreinheiten und Kratzer" aufweise und deutlich aufwändigere Arbeiten, inklusive Glastausch (vorne und hinten) notwendig seien. Preis nun: EUR 3.030,-. Außerdem würde man ein neues Lederband zu EUR 253,- empfehlen, so dass der neue Kostenvoranschlag nun bei EUR 3.283,- läge.

Ich suchte das Gespräch mit dem Uhrmacher des Konzessionärs, wo ich die Uhr abgegeben hatte, der ähnlich verwundert war wie ich. Man hatte dort die Uhr vor dem Absenden nach Glashütte in hoher Auflösung fotografiert und war kurz vor dem Telefonat mit mir im Team die Fotos noch mal durchgangen. Dort konnte man nichts sehen, was einen Glastausch und aufwändigere Arbeiten rechtfertigt. Die Frage an mich, ob die Uhr irgendwann einmal geöffnet wurde, konnte ich verneinen, außer eben durch Lange selbst bei den Garantiearbeiten. Wir verblieben so, dass der Uhrmacher unsere Verwunderung, zusammen mit den Belegen für die Garantiearbeiten, mit Lange teilt. Und, oh Wunder, wenige Tage später meldete sich Lange angabegemäß bei dem Uhrmacher und teilte mit, dass man "die Unterlagen zu diesem Servicevorgang vertauscht hätte" und die Uhr nun für den ursprünglichen Kostenvoranschlag revisionieren würde. Wenige Wochen später erhielt ich die Uhr dann zurück - interessanterweise wurde im Text, der (wunderschön handgeschrieben) die Revison im "Buch zur Uhr" beschrieb, auch ein Glastausch vorne und hinten erwähnt.

Soviel nun zum ursprünglichen Thema dieses Threads. Wenn ich mir auf der Lange-Homepage die Leistungsbeschreibungen zur Werksrevision und Gehäuseaufarbeitung durchlese, ist dort schon einiges enthalten. Z.B. Austausch der Verschleißteile und Glastausch bei der Gehäuseaufarbeitung. Klar ist natürlich, dass aufwändige Reparaturen bei echten Schäden teurer werden. Klar ist auch, dass sich Posts im Internet oder Erfahrungen auf Youtube nicht bestätigen bzw. restlos verifizieren lassen. Insgesamt lassen mich die Erfahrungen, die teilweise im Internet lese oder auf Youtube sehe, stirnrunzelnd zurück, da sie sich teilweise auffällig mit meiner Erfahrung decken. Gab es hier sogar im Forum nicht auch einmal einen Fall, wo Lange eine - zugegebenermaßen gebraucht gekaufte - Lange 1 wegen angeblicher Verschmutzungen im Werk nur zu absurd hohen Kosten revisionieren wollte?

Trotzdem freue ich mich auf die kälteren Tage (Lederbänder im Sommer sind nicht meins), wo ich meine Lange wieder aus dem Schliessfach holen kann und mit großem Genuss tragen werde - sie ist einfach zu schön.

Viele Grüße an alle und ich freue mich, mich hier in Zukunft wieder mehr einzubringen.

Carsten