Liebe Foristi,

willkommen zu neuen und hoffentlich interessanten Einblicken in ein Uhrwerk. Diesmal geht es um das Rolex 3235, welches ja nicht nur in unserem Forum durchaus kontrovers diskutiert wird. Neben vielen begeisterten Schilderungen unglaublich hoher Ganggenauigkeit gibt es auch viele Berichte über Uhren mit diesem Kaliber, die schon nach kurzer Zeit inakzeptabel aus dem Ruder gelaufen sind, weit entfernt von den seitens Rolex versprochenen +/- 2 s/d. Höchste Zeit also, sich selbst ein Bild der Lage zu machen.

Ich möchte diesmal etwas anders an das Thema herangehen als gewohnt. Nicht alles fertig machen und dann einen Thread erstellen, sondern peu a peu auseinanderbauen, immer mal wieder ein paar Bilder und Erläuterungen posten, Zeit und Raum für Rückfragen, Kommentare und Anregungen geben. Mal schauen, wie das so wird.

Ok, am Anfang war die Uhr. In meinem Fall eine Datejust 126200. 36 mm, glatte Lünette, blaues Blatt. Tolle Uhr, gefällt mir sehr gut, nur das Jubi mag ich nicht. Jubi geht irgendwie nur als Aquavit, nicht als Band.

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Besser.

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Ich habe die Uhr natürlich schon mehrmals auf der Zeitwaage gehabt und sie zeigt bzgl. der Amplitude ein ähnliches Verhalten wie es Percy mal bei einer seiner Uhren beschrieben hat, nämlich ein vogelwildes. Immer mit Zifferblatt oben bei Vollaufzug gemessen mal 209 Grad, dann 187, dann mal 235. Wie einstmals bei Ottos Wettervorhersage: „Es gibt Sonne oder Regen - das hängt vom Wetter ab.“

Nun verspricht Rolex seinen Kunden ja keine Amplitudenwerte, sondern eine Ganggenauigkeit. Und diesbzgl. hat meine Uhr die ersten 4 Tage am Arm voll überzeugt, Abweichungen von unter 1 s/d. Nach 4 Tagen allerdings hat sie dann der Ehrgeiz gepackt und sie hat aufgedreht, auf nun +5 s/d. Das soll aber an dieser Stelle erstmal reichen, da kommen wir dann beim Thema Räderwerk oder Hemmung wieder vorbei.

Mir steht für diese Zerlegungsaktion übrigens keine Rolex-Service-Anleitung zur Verfügung. Für mein 3135 konnte ich mal eine in der Bucht ersteigern. Aber bzgl. des 3235 habe ich in einem anderen Forum gelesen, dass die Anleitung nur noch online zur Verfügung steht und mir ist noch kein Leak bekannt. Vielleicht weiß jemand näheres (Hannes?).

Erstmal aufmachen. Der erforderliche Gehäuseöffner ist immer noch derselbe, mit dem ich auch meine 40-60 Jahre alten Vintage-Rolex öffne.

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Wie immer werde ich die Automatik bereits vor dem Ausschalen ausbauen. Und hier steht schon die erste kleine Hürde im Weg, die Rotorschraube ist mit einem speziellen Kopf gegen unbefugten Zugriff gesichert. Aber zum Glück gibt es die freundliche Firma Horotec, die hat ein Herz für Hobbyschrauber und das entsprechende Spezialwerkzeug schon im Programm.

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Der Rotor von oben und von unten. Das Kugellager enthält 7 Kugeln.

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Der Blick auf die Automatik. Die über Jahrzehnte charakteristischen roten Umkehrräder sind Geschichte, es ist nur noch eine rote Scheibe übrig, die die Klinken sichert. Auf 12 Uhr sieht man das Zwischenrad, in das das Rotorritzel eingreift.

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Hier ein kleines Beispiel warum ich (und auch viele andere) so gerne an Rolex-Werken arbeite. Es gilt ja jetzt die Automatikbrücke abzuhebeln und da sind an diversen Stellen kleine Nuten eingefräßt (unter dem SW des SWISS Schriftzugs). Da kann man perfekt mit einem Schraubendreher ansetzen ohne ein Abrutschen oder irgendwelche Kratzer zu riskieren. Solche Details, die einem das Schrauberleben leichter machen, findet man bei Rolex an jeder Ecke.

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Die ausgebaute Automatik. Die 3 Befestigungsschrauben sind nicht mehr gebläut.

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Und von unten. Hier sieht man das Abtriebsritzel, welches im Zusammenbau in das Sperrrad eingreift.

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Als nächstes wird die kleine Brücke demontiert. Die Schrauben sind etwas kleiner als die Befestigungsschrauben des Moduls.

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Der grundsätzliche Aufbau ist immer noch gleich. Das Rotorritzel treibt über das Zwischenrad Umkehrrad 1 an, dieses wiederum Umkehrrad 2. Die beiden rotieren also immer gegenläufig. Das innere Rad mit der Sägeverzahnung wird nur in dem Rad mitgenommen, das im UZS rotiert, im anderen gleiten die Klinken über die schrägen Flanken der Sägeverzahnung ab. Das mitdrehende innere Rad treibt schlussendlich das Übertragungsrad an. Und natürlich immer das Prinzip „kleines Ritzel treibt großes Rad an“, ein Untersetzungsgetriebe, um das für den Aufzug erforderliche Drehmoment aufzubauen.

Hier nochmal die Einzelteile.

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Kleiner Teaser, das Werk ohne Automatik. Unterhalb des Sperrrads sieht man das Lager für das Übertragungsrad der Automatik.

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An dieser Stelle geht es dann das nächste Mal mit dem Ausschalen und dem Datumsmechanismus weiter.

Gruß

Erik