Jungs,

löblich, mit welcher Vehemenz hier versucht wird, wieder über das Wichtigste zu reden, nach all dem banalen Autoscheiss ... ich möchte trotzdem nur eines dazu beitragen, weil meine Sichtweise auf Stil sich derzeit ausschliesslich auf ein Kleidungsstück reduziert. Im Moment kann man vieles tragen - nicht alles, natürlich nicht - aber das entscheidende, das prägende Element eines Outfits ist für mich DER SCHAL !!!

Ich kaufe nun seit ein paar Jahren jeden Herbst 2-3 Schals, ausschliesslich von Paul Smith, der Rest interessiert mich nicht. Man findet im Laufe seines Lebens zu seinen Marken, da wird man dann dogmatisch, und das ist gut so! Mein Lebensziel ist derzeit in den nächsten Jahren die weltweit grösste Paul-Smith-Schalsammlung aufzubauen, wie bei Uhren komme ich meinem Ziel kontinuierlich näher. Dieses Jahr gab es eine kleine Überraschung: Die ehrwürdige Firma Tods - allen bekannt für bequeme, nicht zu hässliche Schuhe und überaus kleidsamen Taschen - brachte in der Herbstkollektion einen wundersamen Wahnsinnsschal auf den Markt, leichte Streifen in den typischen italienischen Farben - ich war ernsthaft versucht, meine Prinzipien in Frage zu stellen. Natürlich wurde mir gewahr, dass es sich um eine schnelle, eventuell kurzlebige Verliebtheit handeln könne, der Preis von 350 Euro war mehr Ansporn, als Abschreckung.

In meinem Kopf war für Tage nur dieser Schal. Man könnte kurz in den ICE steigen, in eineinhalb Stunden nach Berlin fahren, am Zoo raus, Ku'damm runter, da lag das Schmuckstück im Fenster ... nun muss man wissen, dass das Theater, an dem ich arbeite, direkt am Hamburger Bahnhof liegt, ich also jederzeit in minutenschnelle im Zug sitzen könnte. Letzte Woche passierte dann das Unwahrscheinliche: Meine Freundin hatte das Auto, ich wollte gerade abends ins Taxi steigen - ich verabscheue jegliche öffentliche Verkehrsmittel, die Nähe der Mitreisenden ertrage ich nicht - da weht ein wunderbarer Abendwind durch die Kirchenallee und ich beschliesse ausnahmsweise nach Hause zu laufen. Mitten durch die lange Reihe, die schönste Strasse Deutschlands. Ungefähr in der Mitte des Weges laufe ich an einem Schaufenster vorbei, aha, ein neuer Laden, ganz neu, mein Blick streift eine Kate-Moss-ähnliche Schaufensterpuppe - und was hatte sie um den Hals? Yes, den schönsten Schal der Welt ... unnötig zu erzählen, dass der Schal von Paul Smith war, ich gleich zwei in leicht unterschiedlichen Tönen gekauft habe ... unnötig zu sagen, dass der Tods Schal in diesem Augenblick in meinen Augen 'just fashion' war. Ich war bestätigt, beschenkt und glücklich. Der Nachhauseweg im herbstlichen Hamburg gehört seitdem zu den schönsten und unvergesslichsten Momenten meines Lebens.

Natürlich trage ich den Schaufensterschal in diesem Moment, ich trage ihn auch zu Hause, eigentlich immer ... ein weisses Longsleeve und der Schal, mehr brauche ich nicht ...