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    Sea-Dweller
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    Mit ein bisschen Verspätung will ich heute ein paar theoretische Grundlagen zum Röstprozess niederschreiben. Beim nächsten Mal gibt es dann einen detaillierten Röstreport mit Fotos. Versprochen...



    Kaffeerösten - vom grünen Rohkaffee zur braunen Bohne

    Zunächst ein Bild vom Rohkaffee, der sich optisch, geschmacklich und vom Geruch deutlich vom bekannten Röstkaffee unterscheidet:

    Rohkaffee.jpg

    Während des Kaffeeröstens wird aus der grünen, grasig riechenden Rohkaffeebohne die uns bekannte braune Kaffeebohne mit dem typischen Kaffeearoma.

    Röstkaffee.jpg

    Vereinfacht lässt sich zusammenfassen, dass über die Zugabe von Energie (Hitze) verschiedene physikalische und chemische Prozesse in der Rohkaffeebohne ausgelöst werden. Hervorzuheben sind wohl die Karamellisierung und die Mailland-Reaktion, da diese Prozesse für den späteren Geschmack des Röstkaffees eine wichtige Rolle spielen.

    Während des Röstprozesses verändert sich die Zellstruktur der Bohne, die Farbe wechselt von grün zu braun oder gar schwarz, das Volumen nimmt deutlich zu, während das Gewicht abnimmt. Am wichtigsten: Es bilden sich im Laufe der Röstung die gewünschten Aromen.

    Das Foto zeigt die Veränderung von Rohkaffee zu Röstkaffee, zwischen jeder Probe liegt immer etwa eine Minute. Wir Ihr sehen könnt, verändert sich die Farbe des Rohkaffees von grün über gelb zu braun. Nach braun käme schwarz, aber so extrem rösten wir bei Eskaro nicht.

    röstverlauf.jpg



    Warum Kaffee professionell rösten?


    Zugabe von Hitze klingt erst mal nicht kompliziert und ist es auch nicht. In jedem Haushalt gibt es die Mittel, um selbst Rohkaffeebohnen zu rösten. Bis in die 1960er Jahre war es nicht ungewöhnlich, dass Kaffee zu Hause geröstet wurde. Auch heute rösten noch Menschen in der Pfanne, Popcornmaschine oder Heißluftfritteuse.

    Hier mal ein Bild eines alten Haushaltsrösters von Wikipedia:


    Alter Kaffeeröster IMG 3169
    hochgeladen von --Nightflyer (talk) 19:43, 8 May 2013 (UTC), CC BY-SA 3.0 <https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0>, via Wikimedia Commons


    All diesen „Hausröstern“ ist aber gemein, dass nur sehr begrenzt Einfluss auf die Art des Röstung genommen werden kann, da sich Hitzezufuhr, Abluftstrom und der Kontakt zur Hitzequelle nur sehr eingeschränkt steuern lassen. Die angesprochenen Faktoren haben aber erheblichen Einfluss auf den Geschmack des Endproduktes.

    Daher wird Kaffee heute in professionellen Röstmaschinen geröstet, die eine genaue Steuerung verschiedener Einflussfaktoren erlauben.


    Professionelle Röstverfahren

    Für kommerzielle Kaffeeröstungen sind heute im Wesentlichen 2 Röstverfahren relevant.

    Das Heißluftverfahren geschieht mittels Konvektion, d.h. die Rohkaffeebohnen werden für kurze Zeit (ca. 2-6 Minuten) einem sehr heißen Luftstrom von teilweise über 600°C ausgesetzt. Unmittelbar nach der Röstung wird der Kaffee mit kalter Luft oder oftmals Wasser abgekühlt und direkt gemahlen und verpackt. Bei der Heißluftröstung sind Chargen von über einer Tonne Rohkaffee nicht unüblich.

    Das Heissluftröstverfahren in einer Abbildung aus dem wirklich lesenswerten Buch "Faszination Kaffee" vom Deutschen Kaffeeverband, erschienen 2012 bei Bucherer.

    heissluft.jpg

    Vorteile dieses Verfahrens sind vergleichsweise geringe Kosten, kurze Röstzeiten und dadurch hoher Durchsatz.

    Im Ergebnis sind die Bohnen oft äußerlich sehr stark geröstet, sogar teils verbrannt während sie im Inneren noch roh sind. Das hat Einfluss auf die Entwicklung der Aromen und den Abbau unerwünschter Säuren.

    Viele meiner Kunden berichten, dass diese Säuren bei ihnen körperliche Probleme wie Magenschmerzen oder Migräne verursachen können. Ich kann bzw. will aber auf dieses Thema aufgrund der Healt-Claims-Verordnung nicht näher eingehen.

    Kaffee aus dem Heißluftverfahren findet man besonders häufig bei günstigen Supermarktkaffees, aber auch die ganz großen Markenproduzenten rösten große Teile ihrer Kaffees im industriellen Heißluftverfahren.


    Neben dem Heißluftverfahren wird das klassische Trommelröstverfahren kommerziell genutzt. Hier wird eine Trommel durch Flammen oder elektrische Heizspulen erhitzt, in deren Inneren der Rohkaffee geröstet wird. Durch die Drehbewegung der Trommel hat der Kaffee immer nur kurz Kontakt zur Trommel, so dass es sich hier um ein hybrides Verfahren zwischen Konduktion (Kontakt zur Trommel) und Konvektion (Luftzug in der Trommel) handelt.

    Beim Trommelrösten liegen erheblich niedrigere Temperaturen als beim Heißluftverfahren an, ca. 200-250°C (bei uns maximal 220°C) an. Dadurch dauert eine Röstung viel länger, nämlich ca. 12 bis über 20 Minuten.

    Hier eine schematische Darstellung des Trommelröstverfahrens, ebenfalls aus dem Buch Faszination Kaffee vom Deutschen Kaffeeverband:

    Trommelröstung.jpg

    Das Trommelröstverfahren hat den Vorteil, dass dem Rohkaffee mehr Zeit eingeräumt wird, Aromen zu entwickeln und ungewollte Säuren abzubauen. Im Ergebnis erhält man eine gleichmäßig durchgeröstete Bohne. Vielleicht eignet sich hier der Vergleich zum Niederigtemperaturlangzeitgaren beim Fleisch, während das Heißluftverfahren eher dem Kurzgebratenen ähnelt.

    Insgesamt genießt das Trommelröstverfahren unter Kennern einen besseren Ruf als das industrielle Heißluftverfahren. Hochwertige Kaffees werden in der Regel im Trommelröster geröstet. Bei solchen Langzeitröstungen haben viele meiner Kunden nicht die gleichen Probleme bezüglich der Verträglichkeit wie bei kurzen Heißluftröstungen.

    Es wäre aber falsch zu sagen, dass Kaffee aus dem Heißluftröster generell schlecht ist. Bei Verwendung anständiger Rohkaffees und einem guten Röstprofil lassen sich hier auch erstklassige Ergebnisse erzielen. Man kann aber festhalten, dass fast alle billigen und qualitativ minderwertigen Kaffees auf diese Weise geröstet werden.

    Viele große Kaffeeröstereien wie Tchibo, Jakobs oder Melitta verfolgen aufmerksam die Marktentwicklung, welche durch eine Vielzahl kleinerer, sehr guter Röstereien angestoßen wurde und rösten mittlerweile wieder mehr in Trommelröstern und thematisieren dies auch werblich.

    Wir bei Eskaro rösten ausschließlich auf einem Trommelröster des niederländischen Herstellers Giesen, der eine Kapazität von maximal 15 Kilogramm Rohkaffee, also etwa 12 Kilo Röstkaffee pro Röstcharge erlaubt. Beim nächsten mal seht ihr das Biest dann in Action...

    Giesen rlx.jpg

    Der Beitrag ist nun doch länger geworden als ursprünglich geplant und kratzt dennoch nur an der Oberfläche der Thematik. Ich hoffe Ihr seht mir nach, wenn ich zu sehr ins Detail gehe und hattet trotzdem viel Spaß beim Lesen.

    Meldet Euch gerne mit Fragen...
    Geändert von speedy (05.09.2021 um 23:04 Uhr)
    Beste Grüße,

    Roman

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