Seite 1 von 3 123 LetzteLetzte
Ergebnis 1 bis 20 von 51
  1. #1
    PREMIUM MEMBER Avatar von Bullit
    Registriert seit
    12.11.2006
    Ort
    München
    Beiträge
    4.815

    Royal Oak 15002 featuring AP 2121

    Liebe Foristi,

    herzlich Willkommen zu einer weiteren Reise ins Innere eines Uhrwerks. Heute geht es um das Audemars Piguet 2121, ein absoluter Klassiker und seit fast 50 Jahren der Motor der Zwei-Zeiger Royal Oaks.


    010_15002.jpg


    1967 stellte Jäger LeCoultre unter der Bezeichnung Kaliber 920 ein Werk mit folgenden technischen Daten vor:

    - 28.4 mm Durchmesser
    - 2 Zeiger (Stunde, Minute)
    - 40h Gangreserve
    - Automatik mit vollwertigem Rotor (kein Mikrorotor), in beide Richtungen aufziehend

    Das klingt zunächst mal nicht besonders spannend, die große Besonderheit war die Höhe dieses Werks: Sagenhafte 2.45 mm. Dieses Werk kam nie in einer Jäger LeCoultre-Uhr zum Einsatz. Ergänzt um eine Datumsanzeige (was die Höhe des Werks dann auf 3.05 mm vergrößerte) hielt es allerdings mit jeweils einigen markenspezifischen Anpassungen Einzug in drei ikonische Uhren der 70er Jahre:

    - als Audemars Piguet 2121 in die Royal Oak 5402
    - als Patek Philippe 28-255C in die Nautilus 3700
    - als Vacheron Constantin 1121 in die 222

    Da ich glücklicherweise eine AP Royal Oak mit Kaliber 2121 besitze, möchte ich mich im Folgenden auf die AP-Variante beschränken. Es gibt im Netz viele Artikel über dieses Werk, die oftmals bestimmte Features erwähnen (z.B. den auf Rubinrollen geführten Rotor, das fliegend gelagerte Federhaus, etc.) und dazu einige High-End-Bilder des kompletten Uhrwerks zeigen. Aber einen Artikel, der detailliert und ausführlich auf die Technik eingeht, habe ich noch nicht gefunden. Also „musste“ ich mal wieder alles auseinander schrauben, um die Funktionsweise dieses Klassikers wirklich zu verstehen.

    Ich zeige hier den Aufbau von der nackten Platine bis zur fertig montierten Uhr und werde dabei auf viele Details eingehen, insbesondere solche, die Beitragsleister für die außergewöhnliche Flachheit des Werks und der gesamten Uhr sind (meine Royal Oak, Referenz 15002 mit Stahlboden, hat eine Gesamthöhe von 7 mm).

    Los geht’s. Die Zifferblattseite der (fast) leergeräumten Platine.


    020_Platine_ZS.jpg


    Und hier die Rückseite.


    030_Platine_WS.jpg


    Es geht gleich mit einem Highlight los, nämlich der Rotorlagerung/-führung. Als Beispiel für eine gängige Rotorlagerung hier mal die Darstellung eines Rolex 1570.


    040_Rotor_Rolex.jpg


    Der Rotor ist in einem mittig im Werk angeordneten Rubin gelagert, seine Stahlachse hat minimales radiales und axiales Spiel (sonst könnte er sich ja nicht drehen und würde klemmen). Das heißt natürlich auch, dass er ein bisschen rauf und runter kippeln kann (dieser Effekt wird mit zunehmendem Verschleiß über die Jahre noch größer). Die Spalte A und B müssen also so groß ausgelegt werden, dass der Rotor unter Berücksichtigung aller Toleranzen und dieses Kippelns nie an der Platine oder am Deckel schleift. Ich habe an einem meiner 1570 nachgemessen, dass der Spalt A je nach Lage der Uhr zwischen 0.4 und 0.8 mm variiert. Der Spalt hat sozusagen ein Nennmaß von 0.6 mm. Wenn man davon ausgeht, dass der Spalt B denselben Sicherheitsabstand zum Deckel hat, kommt man also auf 1.2 mm. Wenn man eine 7 mm hohe Uhr realisieren möchte, ist das ein Haufen Zeugs. Oder anders gesagt: Inakzeptabel, da muss eine andere Lösung her.

    Die Konstrukteure bei Jäger LeCoultre haben sich an der Stelle eine ebenso aufwändige wie schöne Lösung ausgedacht. Anstatt den Abstand so groß zu machen, dass der Rotor nie aufsetzt, haben sie einfach etwas konstruiert, so dass der Rotor immer aufliegt. In der Platine sind relativ weit außen 4 kleine Rubinrollen angeordnet. Auf diesen läuft ein kreisförmiger Ring, der Bestandteil des Rotors ist. In Kombination mit dem Lager in der Mitte ist dieses System bis auf wenige Hunderstelmillimeter praktisch spielfrei und erlaubt einen sehr geringen Abstand zum Gehäusedeckel.


    050_Rotor_AP.jpg


    Hier mal die Lagerung der Rubinrolle im Detail. Die Rolle steckt auf einer kleinen Stahlachse, welche in eine kleine Brücke eingepresst wird. Diese wird dann mit zwei Schrauben auf die Platine montiert.


    060_Rubinrolle.jpg


    070_Rubinrollen_montiert.jpg


    Der Rotor besteht aus der kreisförmigen „Laufbahn“ für die Rubinrollen, einem sichelförmigen Goldelement und dem halbkreisförmigen Stahlmittelteil, welches das Lager, das Antriebsritzel und die Schiebefeder für die Verrastung an der auf der Brücke befindlichen Achse enthält. Das Goldelement ist hierbei nicht nur dem Luxusanspruch der Marke geschuldet, sondern erzeugt durch seine höhere Dichte natürlich auch mehr Drehmoment, als wenn man an dieser Stelle Stahl verwendet hätte.


    080_Rotor_AP.jpg


    Und so sieht das Ganze dann später zusammengebaut aus.


    090_Rotor_montiert.jpg


    Aber der Reihe nach. Als nächstes werden die Decksteine der Ankerradlager eingesetzt, eins in die Platine, eins in den kleinen Kloben, der die oberen Lager für Ankerrad und Sekundenrad trägt. Die Decksteine sind auf beiden Seiten plan geschliffen und werden von einer speziellen Feder gehalten.


    100_Deckstein_Ankerrad.jpg


    Eingelegt.


    110_Deckstein_eingelegt.jpg


    Und durch eine 90 Grad-Drehung gesichert.


    120_Deckstein_gesichert.jpg


    Das gleiche am Kloben.


    130_Ankerradkloben.jpg


    Und wo ich schon mal dabei bin setze ich auch gleich das platinenseitige Unruhlager in die KIF-Stoßsicherung ein.


    140_Unruhlager.jpg


    Jetzt werden das Ankerrad und das Sekundenrad eingesetzt und der entsprechende Kloben montiert.


    150_Ankerrad.jpg


    160_Ankerradkloben.jpg


    Es folgt der Rest des Räderwerks: Kleinbodenrad, Minutenrad und Federhaus. Und beim Einlegen des letztgenannten stutzt man natürlich erstmal. Denn dort, wo normalerweise das untere Lager für das Federhaus zu finden ist, ist hier nur ein großes Loch (siehe Bild oben).


    170_Raederwerk.jpg


    Das liegt einfach daran, dass die Konstrukteure sich für ein fliegend gelagertes Federhaus entschieden haben. Was bedeutet das? Hier mal eine grobe Prinzipdarstellung/Gegenüberstellung einer konventionellen (links) und einer fliegenden Lagerung (rechts).


    180_Prinzip_FL.jpg


    Bei der konventionellen Lagerung stützen ein oberes und ein unteres Lager die über das Federhaus und das Sperrrad eingeleiteten radialen Kräfte ab. Axiale Kräfte treten praktisch nicht auf.

    Anders bei der fliegenden Lagerung. Es gibt nur ein Lager in der Brücke, das untere in der Platine fehlt. Da die Kräfte nicht in der Ebene des Lagers, sondern etwas versetzt ober- und unterhalb davon eingeleitet werden, entsteht ein Kippmoment, welches natürlich abgestützt werden muss. Im Falle des AP 2121 stützt sich an der Unterseite der Brücke ein Absatz des Federkerns an einem Messinglager ab, an der Oberseite liegt das Sperrrad an zwei „Laufbahnen“ an, die gegenüber der Grundfläche der Brücke leicht erhaben sind.

    Das Messinglager (links) und die „Laufbahnen“ (rechts).


    190_Federhauslager.jpg


    Und dass hier tatsächlich Kräfte walten sieht man an der Laufspur auf der Unterseite des Sperrrads.


    200_Laufspur_Sperrrad.jpg


    Die konventionelle Lagerung ist bzgl. der Aufnahme der Kräfte sicherlich die sauberere Lösung, die fliegende Lagerung spart jedoch eine Wandstärke Bauhöhe.

    Ein kurzer Ausflug ins Innere des Federhauses. Hier die Einzelteile. Man erkennt einen leichten Knick in der Zugfeder. Da dieser förmlich „Sollbruchstelle!“ schreit, gibt es eine neue Feder.


    201_Einzelteile_Federhaus.jpg


    Neue Feder drin und den zweiteiligen Federkern montiert.


    202_Zugfeder_montiert.jpg


    Und Deckel drauf. Der Deckel besitzt einen Absatz, er ist aussen noch ein paar Zehntelmillimeter flacher als in der Mitte. Darauf komme ich später nochmal zurück.


    204_Federhaus_verschlossen.jpg


    Normalerweise würden jetzt erstmal die Räderwerkbrücke, die Federhausbrücke und irgendwann später die Automatikbrücke montiert werden. Aber beim AP 2121 gibt es nur eine Brücke, die alle 3 Bereiche abdeckt. Das hängt natürlich wieder mit der Bauhöhe zusammen. Um möglichst flach zu bauen, sind die Räder der Automatik auf derselben Ebene wie das Basis-Räderwerk angeordnet. Deshalb widmen wir uns jetzt erstmal der Automatik (damit es ein wenig übersichtlicher wird, habe ich an dieser Stelle das Minutenrad und das Kleinbodenrad nochmal rausgenommen).

    Es geht los mit der Vormontage der Brücke. Auf diese werden 2 Zwischenräder verschraubt, welche die über das Ritzel des Rotors eingeleitete Drehung sozusagen nach außen an den Rand der Platine durchreichen. Zwischenrad 1 ist kugelgelagert, Zwischenrad 2 in einem Rubin.


    210_Bruecke_oben.jpg


    Hier die Unterseite der Brücke mit dem Abtriebsritzel von Zwischenrad 2.


    220_Bruecke_unten.jpg


    Jetzt folgt die kleine Sperrklinke der Automatik mit ihrem Kloben. Die Feder war während der Reinigung an der Platine verblieben.


    230_Sperrklinke.jpg


    230_Sperrklinke_montiert.jpg


    Dann werden die Räder eingesetzt: Die Wippe, das Automatik-Sperrrad, das Zwischenrad und das Kupplungsrad.


    240_Automatikraederwerk.jpg


    Wie funktioniert diese beidseitig aufziehende Automatik? Im Folgenden 2 Bilder, in denen ich die jeweiligen Drehrichtungen einiger Räder skizziert habe. Damit man überhaupt was sieht, natürlich ohne Rotor und Brücke, die an diesen Komponenten befindlichen Räder habe ich einfach mal durch farbige Kreise dargestellt.

    Nehmen wir an, der Rotor dreht sich im Uhrzeigersinn. Dann ergeben sich für die folgenden Räder diese Drehrichtungen:


    251_Automatik1.jpg


    Man beachte, was an der Wippe passiert. Durch die Uhrzeigersinn-Drehung von Zwischenrad 2 wird die Wippe gegen den Uhrzeigersinn geschwenkt. Somit kommt Wippenrad 2 in Eingriff zum Automatik-Sperrrad und dreht dieses gegen den Uhrzeigersinn.

    Jetzt der andere Fall, der Rotor dreht sich gegen den Uhrzeigersinn:


    261_Automatik2.jpg


    Hier wird die Wippe durch die Gegenuhrzeigersinn-Drehung von Zwischenrad 2 im Uhrzeigersinn geschwenkt, Wippenrad 1 kommt in Eingriff zum Automatik-Sperrrad und dreht dieses gegen den Uhrzeigersinn. Wippenrad 2 dreht in diesem Fall einfach funktionslos mit. Es ist also egal, wie rum sich der Rotor dreht, ab dem Automatik-Sperrrad dreht sich alles immer nur in einer Richtung.

    Der Rotor erzeugt nur einen Bruchteil des Drehmoments welches zum Aufziehen der Zugfeder erforderlich ist, daher sind im Automatik-Räderwerk diverse Untersetzungsstufen eingebaut. Das hat aber natürlich den Haken, dass das letzte Rad in der Kette (das Kupplungsrad) auch deutlich weniger Drehwinkel macht als der Rotor. Wenn der Rotor z.B. eine halbe Umdrehung macht, macht das Kupplungsrad nicht mal 3 Grad. Das reicht nicht, um die Sperrklinke in den nächsten Zahn des Sperrrads einrasten zu lassen. Wenn jetzt der Rotor die Drehrichtung ändert und die Wippe beim Schwenken kurzzeitig die Verbindung zu den folgenden Rädern unterbricht, würden diese einfach wieder zurückschnalzen und es wäre bzgl. Aufzug nichts passiert.

    Wir brauchen also einen Mechanismus, der das Zurückdrehen von Kupplungsrad & Co. verhindert und sozusagen die vielen kleinen Drehwinkel des Rotors aufaddiert. Das erledigen die Automatik-Sperrklinke und das Automatik-Sperrrad. Letzteres ist noch vor den beiden großen Untersetzungsstufen angeordnet, daher reicht eine kleine Verdrehung des Rotors aus, um die Automatik-Sperrklinke in die nächste Verzahnung schnappen zu lassen.


    270_Sperrklinkeneingriff.jpg


    Hier ein kleiner Film, der das Überspringen der Automatik-Sperrklinke im zusammengebauten Zustand zeigt. Ich simuliere die Rotordrehung, indem ich mit einem Zahnstocher Zwischenrad 1 drehe.


    https://vimeo.com/548880043


    Jetzt fehlt nur noch das Kupplungsrad, dann sind wir mit der Funktion der Automatik durch. Hier nochmal zur Veranschaulichung das „Getriebe“ mit aufgelegtem Sperrrad.


    280_Kupplung.jpg


    Mal angenommen, das Kupplungsrad wäre ein ganz normales Zahnrad, was würde dann beim Handaufzug passieren? Der Besitzer dreht an der Krone und diese Drehung wird über das Kronrad auf das Sperrrad übertragen und dann weiter auf sämtliche Räder in der Kette bis zum Rotor. Und damit nicht genug, da sich die Übertragungsrichtung ja geändert hat, wirkt das Getriebe nicht mehr wie eine große Untersetzung, sondern wie eine große Übersetzung. Der Rotor würde sich also mit monstermäßiger Geschwindigkeit drehen. Die Folgen sind inakzeptabel: Hoher Widerstand beim Handaufzug, große Kräfte in den Lagern und an den Zahnflanken, hoher Verschleiß, Gefahr von Zahnbruch. Beim Handaufzug muss also das „Automatik-Getriebe“ abgekuppelt werden (das ist natürlich keine Besonderheit dieses Werks, das ist bei allen Automatik so). Dieses Entkoppeln erledigt das Kupplungsrad.

    Das Kupplungsrad besteht aus 2 Zahnrädern. Das obere greift in das Sperrrad ein und besitzt 10 kleine Aussparungen. Das untere greift in das Ritzel des Zwischenrads ein und besitzt 5 kleine keilförmige Haken, die zu den Aussparungen des oberen Rads passen. Das untere Rad wird durch eine winzige Spiralfeder gegen das obere gedrückt.


    290_Kupplungsrad_oben.jpg


    300_Kupplungsrad_unten.jpg


    Das Ganze funktioniert nun folgendermaßen: Wenn die Automatik aufzieht, dreht sie das untere Rad gegen den Uhrzeigersinn. Die Haken stoßen mit ihrer senkrechten Flanke gegen die Aussparungen des oberen Rads und drehen es mit. In dieser Richtung wirkt das Kupplungsrad also wie ein ganz normales, starres Zahnrad.

    Beim Handaufzug wird das obere Rad gegen den Uhrzeigersinn gedreht. Aber jetzt gleiten die Aussparungen an der schrägen Flanke der kleinen Haken entlang, das untere Rad weicht gegen den kleinen Widerstand der Feder nach unten aus und die Haken springen in die nächsten Aussparungen ohne dass sich das untere Rad mit dreht. Ausgekuppelt.

    So, jetzt wird endlich weiter zusammengebaut. Die Winkelhebelschraube wird eingesteckt, die Räder positioniert, dann wird die Brücke aufgelegt und mit 3 Schrauben befestigt. Ich glaube, ich habe noch nie eine Brücke montiert, bei der so viele Zapfen gleichzeitig die entsprechenden Lager treffen müssen. Durchaus knifflig und nichts für Ungeduldige.


    310_Winkelhebelschraube.jpg


    320_Raederwerk.jpg


    330_Automatikraeder.jpg


    340_Bruecke.jpg


    Als nächstes das Sperrrad. Viele Sperrräder werden mit einer zentralen Schraube auf dem Federkern befestigt, wobei der Schraubenkopf dann leicht übersteht. Nicht so beim AP 2121, hier verwendet man 3 filigrane Senkkopfschrauben, die bündig mit der Oberfläche des Rads abschließen. Zehntelmillimeter-Feilscherei bis ins kleinste Detail.


    350_Sperrrad.jpg


    Es folgen Sperrklinke und Kronrad.


    360_Sperrklinke.jpg


    370_Kronrad.jpg


    Szenenwechsel, es geht auf der Zifferblattseite mit Kupplungsrad, Kupplungstrieb und Aufzugswelle weiter. Vorneweg mal ein Bild zum Größenvergleich: Links Rolex 1520, rechts AP 2121.


    375_Vergleich_Aufzug.jpg


    Dann kommen der Winkelhebel und der Kupplungshebel mit integrierter Feder dran.


    380_Winkelhebel.jpg


    390_Kupplungshebel.jpg


    Das Minutenrohr wird aufgepresst, das Wechselrad und die 2 Zwischenräder für das Zeigerstellen eingelegt. Auffällig ist das 3-stufige Wechselrad, darauf werden wir beim Datumsmechanismus noch zurückkommen.


    400_Zeigerstellung.jpg


    Winkelhebelfeder obendrauf und dann zurück auf die Unterseite.


    410_Winkelhebelfeder.jpg


    Einbau des Ankers und seiner Brücke. Das AP 2121 hat wie die modernen Rolex-Werke keine klassischen Begrenzungsstifte mehr, die Endanschläge des Ankers erfolgen an gefrästen Flächen der Brücke.


    420_Anker.jpg


    430_Ankerbruecke.jpg


    Es folgt die Unruh. Analog zu den meisten Rolex-Kalibern besitzt die Unruh keinen Rücker, der Gang wird über sechs am Umfang des Unruhreifs angeordnete, verdrehbare Gewichte reguliert.


    440_Unruh.jpg


    Hier nochmal ein Größenvergleich zu einem Rolex 1520 Unruhreif. Die Zapfen der AP-Unruhwelle sind so filigran dass ich mich nicht traue, im eingebauten Zustand an die Reguliergewichte ranzugehen.


    435_Vergleich_Unruh.jpg


    Also messen, ausbauen, Gewicht verdrehen, einbauen, messen, ausbauen, Gewicht verdrehen, …


    445_Zeitwaage.jpg


    Ok, soll reichen, hat ja eh keinen Sekundenzeiger, das Ding.

    Ich hatte im Vorfeld einiges über diverse Features dieses Werks gelesen, aber nichts über den Bereich, der mir im Nachhinein überraschenderweise am besten gefallen hat: Den Datumsmechanismus. Und zu dem kommen wir jetzt. Zur Erinnerung: Das AP 2121 verfügt über eine augenblickliche Datumsschaltung (d.h. es macht „KLICK“ und das Datum springt im Bruchteil einer Sekunde um) und über Semi-Quickset (d.h. man muß nicht 24 Stunden weiterkurbeln wie beim Rolex 1575, sondern nach dem Umspringen des Datums nur bis ca. 22 Uhr zurückdrehen, dann wieder vor bis zum KLICK, usw.).

    Beginnen wir gleich mal mit der Datumsscheibe. Diese liegt nicht wie bei vielen Werken auf einer Metallbahn auf. In der Platine sind 5 leicht bombierte Rubine positioniert, auf diesen liegt die Scheibe auf. Punktauflagen mit minimaler Reibung, mal wieder ein Detail vom Feinsten.


    450_Bombierter_Rubin.jpg


    Dann kommt die Datumsraste an die Reihe, welche die Scheibe in einer definierten Position hält. Die zugehörige Feder ist an der Unterseite der Datumsbrücke montiert.


    460_Datumsraste.jpg


    Nun zu den Rädern und Hebeln, da wird es etwas kompliziert. Zunächst wird das Datumsrad eingelegt, dieses wird vom mittleren Ritzel des Wechselrads angetrieben. Die Übersetzung ist so ausgelegt, dass das Datumsrad 5 Umdrehungen pro Tag ausführt. Ungewöhnlich, sollte das bei einem Datumsrad nicht 1 Umdrehung pro Tag sein?


    470_Datumsrad.jpg


    Nun zu einem weiteren Rad, dem Nockenrad. Dieses wird von einem Ritzel angetrieben, welches sich auf der Unterseite des Stundenrads befindet. Die Übersetzung ist so gewählt, dass es 1 Umdrehung pro Tag macht. Hier mal das Stundenrad verkehrt rum daneben gelegt. Jetzt erkennt man auch den Sinn des Absatzes auf dem Federhausdeckel.


    480_Nockenrad.jpg


    Und mit montiertem Stundenrad.


    490_Stundenrad.jpg


    Jetzt zu den beiden Hebeln, dem Übertragungshebel und dem Schalthebel. Der Übertragungshebel besitzt am einen Ende einen Zacken, der zu dem Haken am Datumsrad passt. Auf dem Hebel befindet sich ein erhabener Rubin. Dieser läuft in einer Kulisse, die in die Datumsbrücke gefräst wurde.

    Der Schalthebel ist mit dem Übertragungshebel über eine Art Gelenk verbunden, so dass die beiden ein Stück weit gegeneinander verschwenken können. Am unteren Ende trägt der Schalthebel einen Rubin, gegen diesen drückt im montierten Zustand die Schalthebelfeder.


    500_Datumshebel.jpg


    Hier ein Bild der Feder vor der Montage.


    505_Datum.jpg


    Wie arbeiten jetzt diese Komponenten zusammen? Das ist ein bisschen schwierig zu zeigen, da die Datumsbrücke im montierten Zustand alles verdeckt. Also zeige ich mal Bilder ohne die Brücke, die Kulissenführung für den Rubin auf dem Übertragungshebel und die Feder muss man sich dazudenken. Fangen wir mal um kurz vor 4 Uhr morgens an, da sieht die Situation ungefähr so aus.


    510_Datum1.jpg


    Der Führungsrubin liegt am Ende der Kulisse an und fungiert als Drehpunkt. Die Schalthebelfeder drückt beide Hebel Richtung Zentrum (schwarzer Pfeil), dabei liegt die Innenflanke des Übertragungshebels am Nocken an. In dieser Stellung befindet sich der Zacken des Übertragungshebels sozusagen außer Reichweite des Hakens am Datumsrad.

    1 Stunde später sieht es dann so aus. Der Haken ist am Zacken vorbei gewandert und… äh, ja, des Weiteren ist nix passiert.


    520_Datum2.jpg


    Dasselbe um ca. 9 Uhr, um ca. 14 Uhr, etc., lediglich die Stellung der Nockenscheibe ist eine andere.


    530_Datum3.jpg


    540_Datum4.jpg


    Gegen 22 Uhr geht’s dann endlich los. Jetzt hat der Nocken den Übertragungshebel so geschwenkt, dass sich der Zacken im Einflussbereich des Hakens befindet.


    550_Datum5.jpg


    Jetzt greift der Haken und schiebt die beiden Hebel entlang der Kulissenführung, dabei wird die Schalthebelfeder immer stärker gespannt. Gleichzeitig wandert das äussere Ende des Schalthebels entlang der Innenverzahnung der Datumsscheibe, bis es hinter den nächsten Absatz fällt.


    560_Datum6.jpg


    570_Datum7.jpg


    Um Mitternacht rutscht dann der Zacken aus dem Haken heraus und die Feder jagt die beiden Hebel im Bruchteil einer Sekunde durch die Kulissenführung zurück zum Ausgangspunkt. Dabei wirft das äussere Ende des Schalthebels die Datumsscheibe um einen Tag weiter.


    580_Datum8.jpg


    590_Datum9.jpg


    Im normalen Betrieb geht das ganze Spiel jetzt wieder von vorne los. Aber nun noch kurz zum Semi-Quickset. Wenn man nach dem Schaltvorgang um Mitternacht die Uhr auf ca. 22 Uhr zurückdreht, rastet der Zacken des Übertragungshebels wieder im Haken des Datumsrads ein. Dann kann man wieder bis zum Umschalten um Mitternacht vorkurbeln, usw.

    Nun wird auch klar, warum die Konstruktion so kompliziert aufgebaut ist. Um die Feder für die augenblickliche Datumsschaltung um Mitternacht vorzuspannen und den Schalthebel in Position zu bringen, muss das Datumsrad einfach diverse Millimeter „Weg machen“. Wenn die Konstrukteure jetzt einfach die übliche Drehzahl der Datumsscheibe (1 Umdrehung pro Tag) realisiert hätten, dann müsste man beim Semi-Quickset viele Stunden zurückkurbeln. Durch den Kunstgriff mit der Nockenscheibe, die das Datumsrad quasi vier Mal ins Leere laufen lässt bevor bei der fünften Umdrehung endlich was passiert, wurde das Zurückkurbeln auf 2 Stunden reduziert.

    Hier das Ganze nochmal im Film. Die Datumsbrücke verdeckt zwar ziemlich viel, aber ein paar Details kann man durch die diversen Aussparungen doch erkennen. Beim ersten Umlauf läuft der Haken am Zacken vorbei, beim zweiten greift er und der Schaltvorgang beginnt. Danach zeige ich zweimal den Semi-Quickset.


    https://vimeo.com/548885265


    Der Rotor wird aufgesetzt und einfach durch das Verschieben einer flachen Feder gesichert.


    600_Rotor.jpg


    Jetzt kommt das Blatt wieder drauf und wird mit 2 seitlichen Schrauben gesichert.


    610_Blatt.jpg


    620_Blatt_Schraube.jpg


    Dann werden die Zeiger gesetzt. Natürlich so, dass das Datum exakt um Mitternacht schaltet.


    630_Zeiger.jpg


    Nun zum Einbau ins Gehäuse. Hier erstmal zur Orientierung eine Schnittdarstellung aus der Patentschrift.


    635_Patentschnitt.jpg


    Hier ein Blick auf die große Formdichtung mit dem Werkhaltering. Da hatte ich echt Bammel, wenn an dem Ding was kaputt gegangen wäre - unmöglich, an Ersatzteile ranzukommen.


    640_Formdichtung.jpg


    Das Werk ist eingesetzt und wird mit 2 verschraubten Klammern gesichert.


    650_Werkmontage1.jpg


    660_Werkmontage2.jpg


    Nun werden von oben ein Stützring und das Glas eingelegt. Die schräge Fläche an der Glasunterseite wird im Zusammenbau von der Lünette nach unten gegen die Dichtung gepresst und stellt die Wasserdichtigkeit her.


    670_Glas.jpg


    680_Glasmontage.jpg


    Die Formdichtung wird in das Monocoque-Gehäuse eingelegt. Eine Besonderheit der 15002 ist die U-förmige Ausfräsung, die die Montage ohne Entfernen der Aufzugswelle ermöglicht.


    690_Monocoque.jpg


    700_Montage.jpg


    Es folgen eine filigrane Folienscheibe und die Lünette.


    710_Luenette.jpg


    720_Luenette_aufgelegt.jpg


    Dann die berühmten 8 Schrauben und die Gegenhülsen von der Rückseite.


    730_Schrauben.jpg


    740_Huelsen.jpg


    Fertig ist die Royal Oak.


    750_Finale.jpg


    Das war’s mit unserer diesmal etwas ausführlicheren Reise ins Innere einer Royal Oak. Und obwohl das AP 2121 „nur“ eine 2-Zeiger Automatik mit Datum ist, hat mir diese Zerlegung bisher am meisten Spaß gemacht. Es gibt einfach so viele schöne Details zu entdecken, und Verarbeitungsqualität und Präzision bewegen sich auf höchstem Niveau.

    Danke fürs Reinschauen.

    Gruß

    Erik
    "Ich bin Mr. Wolf. Ich löse Probleme."


  2. #2
    Milgauss Avatar von biker73ro
    Registriert seit
    17.04.2013
    Beiträge
    284
    Vielen Dank für die tolle Bilderstrecke unde den ausführlichen Erklärungen Erik. Das 2120 ist eines meiner Lieblingskalieber von daher habe ich mich auf die detaillierte Vorstellung der Technik hier sehr gefreut.
    Gruß, Stefan

    Vintage-Slim-Dresser-Fan ( Sorte x003,x120, P9. FP21, P12 und die Klassiker der Zeit 1002/23-300/1072 ).

  3. #3
    Freccione
    Registriert seit
    30.10.2010
    Ort
    Südhessen
    Beiträge
    6.185
    Hammer!

    Dankeschön!

    Grüße
    Andreas

  4. #4
    Day-Date Avatar von Darth Vader
    Registriert seit
    08.01.2008
    Beiträge
    4.658
    Danke fürs zeigen Erik,ganz großes Kino!

    Gruß

    Kurt

  5. #5
    GMT-Master
    Registriert seit
    18.04.2011
    Beiträge
    698
    Danke für den tollen Beitrag bin sprachlos

  6. #6
    PREMIUM MEMBER Avatar von Darki
    Registriert seit
    21.02.2006
    Ort
    Bärlin
    Beiträge
    9.592
    Wieder einmal ein absolutes Highlight an Beitrag von Dir, Erik.

    Herzlichen Dank für diese ausführliche und tolle Reise in das Innenleben des "12-Zylinders"!
    Viele Grüße, Jens



    Ein Leben ohne mechanische Armbanduhr ist möglich, aber sinnlos

  7. #7
    Yacht-Master
    Registriert seit
    02.05.2014
    Ort
    südlich vom Nordpol
    Beiträge
    2.069
    Erik, das war einmal mehr ein Beitrag der absoluten Spitzenklasse!

    In diesem Forum gibt es viele schöne Dinge zu sehen und viel zu entdecken, aber ein Post wie dieser spielt in einer eigenen Liga.
    Vielen Dank fürs Mitnehmen.

    Schöne Grüße
    Thomas
    Offizieller Finisher der "r-l-x-Triathlon-Challenge 2020"- und "521 Tage im November - die Lockdown Streak Running Lauf-Challenge"
    __________________________________________________ ________

    Nichts ist so schlecht, dass es nicht für irgendetwas gut ist.

  8. #8
    Datejust Avatar von tto
    Registriert seit
    22.06.2006
    Beiträge
    110
    Hammer, Hammer, Hammer.... Super erklärt.
    Danke für den Aufwand
    Grüße
    Tom

  9. #9
    Yacht-Master
    Registriert seit
    02.05.2014
    Ort
    südlich vom Nordpol
    Beiträge
    2.069
    Apropos Aufwand: Wie lange brauchst Du für so einen Service eigentlich etwa (nur die Uhrmacherarbeiten / inkl. Fotos, Filme, Text)?

    Gruß
    Thomas
    Offizieller Finisher der "r-l-x-Triathlon-Challenge 2020"- und "521 Tage im November - die Lockdown Streak Running Lauf-Challenge"
    __________________________________________________ ________

    Nichts ist so schlecht, dass es nicht für irgendetwas gut ist.

  10. #10
    Daytona Avatar von jannis-noah
    Registriert seit
    05.08.2007
    Ort
    In der Stadt
    Beiträge
    3.059
    Hammer, Erik!
    Vielen Dank dafür.
    Grüße
    Dirk

  11. #11
    PREMIUM MEMBER
    Registriert seit
    10.05.2007
    Beiträge
    468
    Sehr stark - tolle Uhr, übrigens, und sehr mutig!
    Grüsse, Jan

    He was ambushed with a cake.

  12. #12
    PREMIUM MEMBER Avatar von tigertom
    Registriert seit
    27.02.2008
    Beiträge
    8.103
    Blog-Einträge
    1
    Vielen Dank für‘s Zeigen, Erik! Schon mutig, Sowas zu zerlegen und dann wieder so zusammen zu bauen, dass das Ganze wieder funktioniert
    GRÜSSE TOM

  13. #13
    Saustark, Danke für die Tollen Bilder und Erläuterungen!!
    77 Grüße!
    Gerhard

  14. #14
    Daytona
    Registriert seit
    02.03.2011
    Ort
    State of Ebbelwoi
    Beiträge
    2.540
    Sehr beeindruckend! Danke.
    Grüße
    Duc


    Day Date 18238 gesucht. Scharfes Gehäuse und 1A straffes Band sind Grundvoraussetzung.

  15. #15
    Yacht-Master Avatar von Devisioner
    Registriert seit
    17.06.2015
    Beiträge
    1.978
    Fantastische Einblicke und interessante technische Fakten, die du sehr anschaulich dargestellt hast. Vielen Dank fürs Mitnehmen!

  16. #16
    Milgauss Avatar von subb
    Registriert seit
    29.09.2008
    Beiträge
    252
    Danke für diesen interessanten Bericht und die tollen Fotos, besser als ein Lehrbuch für Uhrmacher.
    Gruß Tom

  17. #17
    Daytona Avatar von Hegi
    Registriert seit
    18.04.2004
    Beiträge
    2.838
    Top, vielen Dank👍

  18. #18
    PREMIUM MEMBER Avatar von mactuch
    Registriert seit
    26.03.2006
    Ort
    Brandenburg
    Beiträge
    9.516
    WOW! Vielen Dank für die Mühe und fürs Zeigen! Wieder viel gelernt!
    Nicht das Erzählte reicht - nur das Erreichte zählt!

    Beste Grüße,

    Matthias


  19. #19
    PREMIUM MEMBER Avatar von TTR350
    Registriert seit
    07.11.2007
    Beiträge
    3.997
    Vielen Dank, Namensvetter!

    Das sind Themen, die ich - auch um die Uhrzeit im Büro - verschlinge. Ich selber habe davon leider gar keine Ahnung und finde es immer wieder faszinierend, dass man am Ende solch einer Operation nicht sagt: "Mist... hier sind noch 2 Schrauben übrig... wo habe ich die wohl vergessen?"
    LG Erik


  20. #20
    PREMIUM MEMBER Avatar von paia99
    Registriert seit
    30.05.2007
    Beiträge
    6.605
    Unglaublich Erik !

    Vielen Dank für Deine Mühe!
    viele grüße Andreas

    insta:snugglewatch1969
    Ich bin bereit jeden Weg zu gehen, solange er vorwärts führt. David Livingstone

Ähnliche Themen

  1. AP Royal Oak Ref. 344 Cal. 2121 was ist das?
    Von masha im Forum Audemars Piguet
    Antworten: 1
    Letzter Beitrag: 12.03.2011, 23:21
  2. Audemars Piguet Royal Oak Jumbo: 15002 mit Zifferblatt der
    Von Chefcook im Forum Audemars Piguet
    Antworten: 8
    Letzter Beitrag: 08.06.2009, 13:09

Lesezeichen

Lesezeichen

Berechtigungen

  • Neue Themen erstellen: Nein
  • Themen beantworten: Nein
  • Anhänge hochladen: Nein
  • Beiträge bearbeiten: Nein
  •