Sehr, sehr beeindruckend. Vielen Dank fürs Mitnehmen, Henrik!
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30.09.2018, 12:00 #1
Mit Respekt für die eigene Historie: ein Besuch im Blancpain Vintage Atelier
Auf meiner Wunschliste, welche Aspekte von Blancpain ich weiter erforschen möchte, war das Vintage Atelier sehr weit oben... und nun hatte ich die Gelegenheit, das Team, welches sich um alle Blancpain Uhren von vor 1981 kümmert, zu treffen. Natürlich teile ich die Erfahrung in Form dieses Berichtes gerne mit Euch, so dass ihr einen eigenen Eindruck bekommt.
Untergebracht im Blancpain Bauernhaus in Le Brassus, umfasst das Vintage Atelier nur einen Raum mit vier Uhrmacher-Arbeitsplätzen, es hat aber natürlich Zugang zu allen Einrichtungen und Möglichkeiten des Hauses Blancpain sowie den traditionellen Zulieferern, welche in den meisten Fällen schon die original Komponenten der historischen Uhren hergestellt hatten.
Bevor wir die Arbeiten im Atelier näher beleuchten, ist es wichtig, die Herangehensweise und Regularien, wie Blancpain mit den Schätzen der Kunden umgeht, zu verstehen.
Das Atelier hat sich eine eigene Ethik gegeben, welche fünf Kernelemente umfasst, die bei jedem Service und jeder Restaurierung einer alten Blancpain, Harwood oder Rolls ohne Ausnahme befolgt werden. Sämtliche Arbeiten sind angemessen und sensibel auszuführen, sie haben, wenn irgend möglich, reversibel zu sein, müssen penibel dokumentiert werden und auch erkennbar bleiben sowie selbstverständlich den technischen und ästhetischen Aspekten der originalen Uhr entsprechen.
Wie ernsthaft Blancpain den Umgang mit den Schätzen der Kunden betriebt, wird auch dadurch gekennzeichnet, dass - im Gegensatz zu manch anderem Hersteller - die Inhaberrechte des Kunden an oberster Stelle stehen. Dies kann an zwei Beispielen illustriert werden:
Wenn der Besitzer die Radium oder Tritium Leuchtmasse auf ZB und Zeigern bewahren möchte, wird Blancpain dies selbstverständlich respektieren. Entweder werden diese Teile überhaupt nicht angefasst, oder die Leuchtmasse wird auf Wunsch des Kunden mit Hilfe eines unsichtbaren dünnen Lacks vor weiterem Zerbröckeln geschützt. Nur falls ein Kunde es wünscht, wird Radium oder Tritium durch Luminova ersetzt, dann aber in Farbe und Textur angeglichen an den vorigen Zustand.
Hier sieht man ein ZB, bei dem das Radium nur im Umfang der ursprünglichen Indexe entfernt wurde, die umgebende Patina jedoch völlig erhalten wurde. Jetzt kann Luminova exakt passend in Form und Farbe, aber jederzeit unter speziellem Licht erkennbar, appliziert werden. Eine meines Erachtens sehr bemerkenswerte Arbeit!
Das zweite Beispiel illustriert, wie Blancpain mit nicht komplett originalen Uhren, die zum Service eingeschickt wurden, umgeht. Wann immer eine Uhr als nicht komplett original bzw stimmig erkannt wird, bekommt der Besitzer die Uhr unberührt zurück, natürlich versehen mit einer Erläuterung, warum Blancpain den Service verweigert. Nur wenn diese Uhr danach zum Verkauf angeboten wird, fordert die Rechtsabteilung der Swatch Group die Zurücknahme des Verkaufsangebots ein.
Das Vintage Atelier verwendet viel Zeit und Energie auf die Erweiterung der Kenntnisse und auch des schon jetzt beeindruckenden Inventars an originalen Teilen. Seit 2011 und mit deutlich mehr Mitteln ausgestattet seit 2015 hat die Suche nach Wissen und Teilen sehr viel Erfolg gehabt, hinsichtlich der wenigen verbleibenden Lücken forscht das Atelier mit voller Leidenschaft permanent weiter.
Aus diesem Grund erscheint es verständlich, dass der Prozess der Restaurierung bzw des Service mit einer ca dreimonatigen Überprüfungsphase jeder einzelnen Uhr beginnt. Das Atelier hat eine Methode entwickelt, mit der das Innere der Uhr, inklusive Werk, ohne Öffnung des Gehäuses geprüft werden kann. Diese teure und beeindruckende Methode ist noch in der Weiterentwicklung befindlich, daher kann ich sie auch nicht in Fotos zeigen. Ich habe es aber mit eigenen Augen betrachtet und war absolut begeistert.
Mit dieser Methode kann das Atelier unstimmige Uhrwerke und innere Beschädigungen sofort entdecken, ohne jemals die Uhr geöffnet zu haben. Weitere Tests werden mit Hilfe von High Tech Instrumenten im Hinblick auf z.B. korrektes Gehäusematerial, Qualität und Stimmigkeit von ZB Aufdrucken und Gehäuse- und Uhrwerkgravuren durchgeführt, um die Authentizität jeder Uhr zu prüfen.
Bei diesem Umfang der Prüfung verwundert es nicht, dass es eine Weile dauern kann, bevor der Kunde einen Restaurierungs- bzw Servicevorschlag erhält, der sämtliche Optionen detailliert umfasst. Die Erarbeitung des Vorschlags nimmt in der Regel ebenfalls drei Monate in Anspruch, herauszustellen ist aber, dass Überprüfung und Restaurierungsvorschlag ohne Kosten für den Kunden vorgenommen werden!
Wenn der Kunde den Vorschlag akzeptiert hat, nimmt der Service bzw die Restaurierung weitere 6 Monate in Anspruch, so dass insgesamt ein Jahr zwischen Abgabe der Uhr und Rückerhalt vergeht.
Die Restaurierung selbst erfolgt wann immer möglich unter Zuhilfenahme derselben Maschinen und Werkzeuge, die schon für die ehemalige Herstellung der Uhr genutzt wurden. Um dies zu ermöglichen, erwirbt Blancpain bei Gelegenheit auch authentische Werkzeuge und Maschinen, mit deren Hilfe die originalen Teile hergestellt wurden.
Sogar das Bläuen von Zeigern und Schrauben erfolgt auf traditionelle Weise...
Hier sieht man zwei Maschinen, die im Atelier genutzt werden: eine alte „Zeitwaage“ und einen Dreifach-Uhrenbeweger, der mit sehr hoher Geschwindigkeit sehr schnell die volle Gangreserve zu Testzwecken aufbauen kann.
Wie also macht sich die letzte Blancpain Neuheit, meine Fifty Fathoms Ocean Commitment III, auf der alten Zeitwaage? Das Ergebnis konnte sich definitiv sehen lassen!
Zurück zu den im Atelier bearbeiteten Vintage Uhren: alle Arbeiten werden für den Kunden dokumentiert, mit Rückerhalt der Uhr erhält der Besitzer eine Heft mit einer Fotodokumentation, Daten zu der Uhr und deren technischen Werten.
Hier sieht man eine beispielhafte Dokumentation:
Die Welt von alten Blancpain Uhren geht weit über die Fifty Fathoms, Bathyscaphe und Air Command aus den 1950er Jahren hinaus. Weit älter und teilweise deutlich anspruchsvoller in der sensiblen Bewahrung können die Ladybird Uhren mit dem kleinsten Automatikwerk der Welt, alte Harwood und Rolls Zeitmesser gelten. Hier einige Ladybird, die im Atelier restauriert wurden:
Einen näheren Blick verdient diese Rolls, die zu der Blancpain eigenen Sammlung gehört. Sie wurde vor ein paar Jahren bei einer Auktion erworben und danach sehr behutsam restauriert, das Gehäuse wurde nicht poliert, die Arbeiten konzentrierten sich auf das Werk mit seinem sehr außergewöhnlichen Aufzugsmechanismus.
Eine Überraschung für mich war diese Münzuhr, da ich bislang nicht wusste, dass auch Blancpain solche Uhren hergestellt hatte. Das Gehäuse dieser Uhr war stark beschädigt, und da man ein Münzgehäuse nur schwerlich wieder instandsetzen kann, hat sich das Atelier (erfolgreich) auf die Suche nach einer exakt gleichen Münze aus derselben Prägungsserie gemacht, um ein neues Gehäuse für die Uhr herzustellen. Dies kann man zurecht als wahre Leidenschaft bezeichnen!
Im Durchschnitt erreichen das Atelier pro Monat 30 Uhren, davon, ebenfalls im Durchschnitt, entfallen ca 40% auf die Fifty Fathoms und deren Ableger, weitere 40% sind Ladybird Uhren, die oft neben uhrmachererischen Fähigkeiten auch Goldschmiedearbeiten erfordern.
Ich war natürlich neugierig, wieviele der eingesandten alten und bei Vintage Sammlern sehr beliebten Taucheruhren wirklich authentisch sind. Es ist wohl keine Überraschung, das 30% aller Fifty Fathoms, Bathyscaphe und Air Command die Tests des Ateliers auf Authentizität nicht bestehen und an die Kunden zurückgeschickt werden. Dies geschieht selbstverständlich nur bei zweifelsfreier Analyse, da die Kenntnisse des Ateliers zwar sehr umfassend, aber natürlich nicht bei vollen 100% liegen. Hier noch ein paar Uhren, die im Atelier bearbeitet wurden:
Mein persönliches Fazit aus dem Besuch ist, dass Blancpain seine horologische Geschichte und die von Sammlern eingesandten Uhren mit äußerstem Respekt und unter strikter Wahrung der auf die Kunden zugeschnittenen Grundsätze behandelt, fortwährend auf der Suche nach weiteren Informationen, um auch die letzten Lücken zu schliessen. Das Blancpain Vintage Atelier ist kein Profit Center, es ist wahre Leidenschaft, die sich von Marc Hayek is hin zu dem Team hinzieht, dass sich um die Kundenuhren so liebevoll kümmert, als wären es die eigenen. Der Atelierleiter hatte übrigens eine schöne eigene vintage Fifty Fathoms am Handgelenk...
Ich habe während des Besuchs einige Kundenuhren sehen dürfen, von denen ich absolut begeistert war. Selbstverständlich aber habe ich diese Uhren nicht fotografiert, sie jedoch unwiderruflich in mein Gedächtnis eingebrannt
Ich hoffe, der Bericht hat Euch gefallen. Ich bin persönlich sehr dankbar, dass ich die Möglichkeit hatte, das Vintage Atelier näher kennenzulernen - dafür ein von Herzen kommendes Merci Beaucoup nach Le Brassus!
Grüsse
Henrik
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30.09.2018, 12:12 #2Cheers,
Nils
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30.09.2018, 12:17 #3
SENSATIONELL, nicht nur die Vorgehensweise und Dokumentation von BP sondern auch dein toll beschriebener und dokumentierter Bericht.
Danke für´s mitnehmenmfg CHT = Claus
Windows kostet Nerven, Linux kostet Zeit und Mac kostet Geld!
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30.09.2018, 12:17 #4
Sehr interessant und toll gemacht und für einen alten Blancpain-Freund wie mich, erst recht von Interesse.
Vielen Dank fürs Mitnehmen.Es grüßt Wilhelm,
der Watch-Watcher
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30.09.2018, 16:35 #5
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30.09.2018, 17:03 #6
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fabelhaft ! danke
Liebe Grüsse, Guy
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30.09.2018, 17:34 #7
Wow; vielen Dank fürs teilen!
Christian
Die halbe Miete ist die halbe Miete.
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30.09.2018, 17:38 #8
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- 8.670
Ein außergewöhnliches Erlebnis, vielen Dank für deinen tollen Bericht Henrik!
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01.10.2018, 06:23 #9
Einfach nur toll! Bin beeindruckt.
Mich freut es sehr das es heutzutage noch so etwas gibt...vielen Dank das du es uns hier näher bringst!LG
Alex
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01.10.2018, 07:41 #10
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01.10.2018, 07:47 #11
Toller Bericht! Ganz herzlichen Dank
Old enough to know better, young enough to do it anyway.
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01.10.2018, 08:15 #12
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01.10.2018, 08:17 #13
sehr cool!! da wird man geholfen!!
Gruss
WumTGT - Trinken gegen Terror
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01.10.2018, 08:58 #14
Danke für den sensationellen Bericht, Henrik! Es freut mich sehr zu lesen, wie sehr BP sich den historischen Uhren widmet. Wir war das bislang so nicht bewusst. Sehr sympathisch!
Gruß,
Christian#beyondpatek
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01.10.2018, 09:41 #15
Ganz toller Artikel! Vielen lieben Dank hierfür!
Beste Grüße, Tobias
If you reject your own ideas, then the part of the brain that comes up with ideas is going to stop.
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01.10.2018, 09:55 #16
- Registriert seit
- 30.03.2004
- Beiträge
- 8.463
Wunderbarer Bericht, danke auch von mir!
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01.10.2018, 10:30 #17
Sehr interessanter Einblick!! Vielen Dank für´s Mitnehmen!!
Viele Grüße.
Torsten.
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01.10.2018, 18:18 #18
Henrik, dass Du da „rein“ durftest, ist absolut exzeptionell. Dass Du uns daran teilhaben lässt, ist geil! Was BP da macht, ist grosser Zirkus
Das hier ist das, was dieses Forum zu einem grossen Forum macht. Völlig unterbewertet, kaum beachtet bei all dem Mainstream. Danke!
LG,
Holger
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01.10.2018, 20:10 #19
Herzlichen Dank für Eure Kommentare! Ich freue mich, dass der Bericht gefallen hat
Grüsse
Henrik
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01.10.2018, 20:20 #20
- Registriert seit
- 18.04.2011
- Beiträge
- 710
Danke für den tollen Bericht
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