„Ich fass es nich!
Schon wieder ein Märchen-Thread!
Der spinnt ja wohl, der 7schläfer!“
Wie im Märchen, gibt es auch im realen Leben eines Uhrenliebhabers phantastische Momente der Begeisterungund manchmal der Enttäuschung
. Trotz aller Begeisterung nämlich über drei sehr schöne Tage Ende Juli im sächsischen Erzgebirge mit drei ebenfalls komplett uhrengeschädigten Members aus diesem an schädlichen Einflüssen
beunruhigend reichen Forum …
[Der Eingeweihte erkennt an diesem wirren Satzanfang nicht nur die konfuse seelische Verfassung des Autors, sondern auch die märchentypischen magischen Zahlen: 3 Tage, 3 Members, im 7. Monat, gefolgt von 3 Ausrufezeichen!!!]
… gab es an diesen Tagen bei mir eine solche Enttäuschung sogar gleich doppelt: während der Werksführungen bei Glashütte Original und bei A. Lange & Söhne.
Womit wir jetzt endlich beim vollständigen Thread-Titel angelangt wären, der da lautet:
„Knusper, knusper, Knäuschen, vom wem stammt bloß das Häuschen?“
Mögen Werk und innere Werte einer Luxus-Armbanduhr vielleicht „in house“ gefertigt sein, so sind es die Teile, die man täglich anfasst und denen man meist romantisch verklärt ins Auge blickt, noch lange nicht: das Gehäuse nämlich, das Zifferblatt und die Zeiger.
Lange lässt in der Schweiz fertigen, wurde uns ungläubig Dreinblickenden mitgeteilt, und GO, angeblich exklusiv, von einer Firma im westdeutschen Uhrenmekka Pforzheim. Davon ausgenommen seien lediglich selbst produzierte Emaille-Zifferblätter.
Die „Haute Horlogerie“ also in Wirklichkeit ein Märchen?
Auch wenn einem ehemaligen deutschen Kanzler zufolge letztlich nur das zählt, was hinten rauskommt, so wäre es doch schön zu wissen, dass das, was vorne rein- und draufkommt, auch seinen adäquaten Wert hat, auf den der geneigte Uhrenbesitzer zu Recht und voller Stolz gern blicken darf.
Doch Pustekuchen!
Und nun?
Soll ich mich von meiner Langematik trennen und fortan den wahren Werten zuwenden? Und würde ich die denn finden bei anderen „Uhrenmanufakturen“ wie Patek, AP, VC oder Rolex? Oder erwartet mich dort bloß eine andere böse Hexe mit ebenfalls aus einer billigen Backmischung hergestellten Lebkuchen?
Ergebnis 1 bis 20 von 39
Hybrid-Darstellung
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16.08.2018, 20:19 #1ehemaliges mitgliedGast
Knusper, knusper, Knäuschen …
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16.08.2018, 20:25 #2
Ich brauch den Namen von Deinem dealer, ich will auch nichts mehr spüren.
Gruß,
Michi
If the government says you don`t need a gun......buy two!
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16.08.2018, 20:56 #3
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17.08.2018, 23:54 #4ehemaliges mitgliedGast
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18.08.2018, 11:37 #5
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16.08.2018, 20:28 #6
Ich hoffe Du fährst kein deutsches Auto. Die verbauen da mittlerweile auch chinesische Komponenten
.
Beste Grüße, Thilo
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17.08.2018, 23:57 #7ehemaliges mitgliedGast
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17.08.2018, 14:18 #8
Jürgen , da hast du aber ein interessantes Thema angesprochen
Historisch gesehen war ja (zumindest in der Schweiz) die gesamte Uhrenindustrie extrem arbeitsteilig aufgestellt .
Der ganze Hype um die vertikal integrierten Manufakturen entstand erst in in den 90er Jahren .
Es hat bis dahin so gut wie niemand eigene Werke hergestellt .
PP hatte den Vorteil ,
durch Herrn Philippe eigene Kaliber herstellen zu können (aber nur für Taschenuhren)
und selbst damals griff man häufig auf Ebauches zurück ,
das war völlig normal .
Bei Armbanduhren hat PP erst Anfang der 30er ein erstes Manufakturwerk für die Ref.96 entwickelt. Die ersten 96er hatten aber noch ein Jaeger Ebauche.
Dennoch nutzte man bei PP größtenteils Rohwerke von Lemania , Valjoux,
Jaeger , Victorin Piguet etc...
Gehäuse , Zifferblätter oder Zeiger hat ohnehin niemand selbst gemacht .
Auf die Idee wäre auch niemand gekommen.
Wozu hat man denn Zulieferer ?
Ein kurzes Beispiel :
Die 2 historischen Fliegeruhren die PP gebaut hat und heute in deren Museum ausgestellt sind ,enthalten jeweils Jaeger Ebauches (die 2. sogar ein Jaeger ebauche welches zusätzlich von V.Piguet überarbeitet wurde ehe es bei Patek fertiggestellt wurde).
Die großen Häuser waren durch die Bank Etablisseure .
Bei ihnen liefen alle Fäden zusammen . Selbst viele berühmte Designs (Gehäuse & ZB) stammen in der Regel von Zulieferern .
Das legendäre Ur-Oystergehäuse ist von einem Zulieferer entwickelt worden ( C.R Spillmann, welcher Jahrzehnte später auch noch Daytona Gehäuse fertigte ).
Es ging damals viel weniger um Originalität als um Qualität .
Allein die Qualität der einzelnen Komponenten war maßgeblich.
PP , VC und co. hatten eben qualitativ besonders hochwertige ZB‘s , Gehäuse , Zeiger und möglichst hochwertige und fein finissierte Werke .
Und andere Hersteller boten eben eine ihrer jeweiligen Philosophie (und Preisklasse) gemäße Verarbeitung.
Nochmal zur heutigen Situation .
PP fertigt heute bei der Nautilus (bis auf die Zeiger) alles selber .
Dank eingekaufter Zulieferer (wie bei Rolex auch).
PP‘s ZB Hersteller heißt Cadrans Flückiger . Flückiger wurde von Patek gekauft ist aber auch als Zulieferer für andere Marken tätig (100000 ZB‘s Jahresproduktion) .
Ein legendärer Zuliefer für Metallbänder war Gay Freres aus Genf .
Die haben das Oysterband gestaltet und alle Bänder für Rolex gebaut . Nebenbei sind bei GF auch die allerersten RO und Nautilus Bänder gefertigt worden.
GF wurde übrigens in den 90ern von Rolex integriert.
Bei L&S werden schon aus dem Grund keine Gehäuse gebaut , da die Anschaffung der benötigten Maschinen (aufgrund des geringen Ausstoßes) überhaupt nicht rentabel wäre .—- diese Aussage stammt von einem hohen Tier bei L&S—-
Das GO Blätter in Pforzheim fertigt weiß ich , aber diese ZB Manufaktur ist ähnlich Flückiger bei PP Eigentum von GO .
Letztlich bestimmt allein die Qualität der Komponenten und Verarbeitung darüber ob man eine Uhr als HH klassifizieren kann.
Ob die Komponenten von Zulieferern stammen oder aus dem eigenen Haus macht keinen Unterschied .
Tut mir leid wenn alles ein wenig konfus und nicht sehr detailreich ist aber das Thema ist so komplex .
PP hat sicher die höchste Fertigungstiefe in der HH .
GO macht auch fast alles selbst und AP sind auch weit vorne auf diesem Gebiet .
Aber beim Rest vom Fest kann ich es dir nicht 100% genau sagen .
Zeiger werden fast ausschließlich von spezialisierten Zulieferern gefertigt .
Das wird sich wahrscheinlich an dem Tag ändern , an dem eine dieser Werkstätten zum Verkauf steht
Ich hoffe ich konnte dir trotzdem helfen.
LgGeändert von JamesMcCloud (17.08.2018 um 14:27 Uhr)
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18.08.2018, 00:04 #9ehemaliges mitgliedGast
Lieber James, hab vielen Dank für deine Mühe und die interessanten und überhaupt nicht konfusen Informationen!
Ich bin beeindruckt von deiner Sachkenntnis und werde deinen Beitrag morgen ausführlich lesen und würdigen.
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18.08.2018, 11:30 #10
Ich mag diese Threads, da auch mal Inhaltliches besprochen wird. Gehört für mich zu meinem Uhreninteresse dazu. Als eigentlicher Laie - sprich beruflich befasse ich mich mit anderen Dingen des ach so wichtigen Lebens - schätze ich dennoch eine gewisse Eindringtiefe in die Materie. Nur "auf die Uhr draufschauen" oder gar zu "posen" ist mir schlicht zu wenig. Das moderate Beschäftigen mit der Uhrenmaterie erschließt mir erst die Uhrenwelt und deren Faszination, die der mechanischen "Schmuckstücke". Leider - ich hab schon zuuu viele davon. Und trennen kann ich mich aktuell auch nicht von meinen unnützen Dingern... Trotz hier mittlerweile durchaus akzeptierten Gewinnkäufe (siehe die aktuellen Pepsithreads), die ich machen könnte.
Ob ich dazu eine Märchengeschichte brauche - nein, nicht unbedingt. Storytelling gehört dazu, damit es nicht zu fad wird. Und da hat jeder seine eigene Handschrift - mit oder ohne DopeJeder darf sich seinen Smiley aussuchen ...
Zu dem hier Gesagten möchte ich gerne im Klugscheissermodus ein wenig klarstellen:
Lange bezieht die Zifferblätter aus der Schweiz, hat aber mittlerweile eigene Kompetenz in der emaille-Technik aufgebaut, so dass die Sonderserien-ZB mit Emaille in Glashütte durch Lange selbst gefertigt oder zumindest diese letzten Fertigungsschritte selbst vollbracht werden.
Glashütte Original wiederum fertigt alle ZB selbst. Dafür haben sie eine eigene Manufaktur in Pforzheim. 100% GO. Ob diese auch für andere MArken fertigt, ist mir nicht bekannt. GO wirbt mit einer extrem hohen Wertschöpfungstiefe. Hierbei beziehen sie sich wie Jürgen schon sagt auf das Uhrenherz, das Werk. Selbst Schrauben werden selbst gefertigt. Einzig die Feder (die Lange selbst herstellt!), die Stoßsicherungen und die Unrufspiralfeder kommen aus dem Swatch-Mutterhaus. Gehäuse und Armband werden bezogen, Gehäuse kommen aber von nebenan, aus Glashütte. Gleiche Strasse, Fussweite ...
James, danke
Euch allen ein tolles Wochenende,
Holger
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18.08.2018, 15:32 #11ehemaliges mitgliedGast
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18.08.2018, 11:46 #12
... die arme Cellini ... Wofür die immer herhalten muß. Dass Rolex angeblich so einen Mißgriff getan hat. Ich find sie übrigens nicht schlecht. Die Cellini. Vanessa auch
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18.08.2018, 11:48 #13
James klasse Post, Danke dafür
cheers, Behrad
Je mehr Vergnügen du an deiner Arbeit hast, desto besser wird sie bezahlt.
Suche: Sehr gute 6263 WD aus den 80igern
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18.08.2018, 15:55 #14ehemaliges mitgliedGast
James:
Nachdem ich deinen sachkundigen Beitrag gerade noch einmal gelesen habe, verstehe ich, ein blutiger Laie in Uhrendingen, die Zusammenhänge etwas besser.
So gesehen ist mit meiner „Langematik“ alles im Lot, und die Tatsache, dass sie in Teilen eine Schweizer Uhr ist, spielt keine Rolle, so lange die Qualität stimmt und sie mich begeistert, was beides der Fall ist. Da sie als Schlüsselerlebnis am Anfang meiner Uhrenleidenschaft steht, wäre es mir auch sehr schwer gefallen, mich von ihr zu trennen.
Schön auch zu erfahren, dass ich mich weder bei Patek noch bei Rolex grundsätzlich um die Qualität von Gehäuse, ZB und Zeigern sorgen muss. Angesichts meiner nur kleinen Uhren(an)sammlung ist mir Qualität nämlich sehr wichtig, und da mich gerade erst eine Lange für eine (hoffentlich bald) neue Patek verlassen hat, muss ich nun nur noch meine PTM bändigen, um mich demnächst wieder an meinem kompletten Five-Pack zu erfreuen.
Was mir beim Lesen deines Textes einmal wieder bewusst geworden ist, ist das „Schattendasein“ von Jaeger LeCoultre. Wie kann es sein, dass ein derart bedeutender und grandioser Werkehersteller am (Zweit)Markt nicht die Anerkennung erfährt, die er verdient?
Ich bin in den vergangenen Jahren immer wieder mal um eine „Reverso“ oder „Memovox“ und zuletzt um die „Geophysic 1958“ herumgeschlichen, konnte mich aber nie dafür entscheiden, eine zu kaufen. Die „Reverso“ fiel schon deshalb durchs Raster, weil mir rechteckige Uhren einfach nicht stehen, was, wie meine Frau mir gelegentlich zu verstehen gibt, daran liegen mag, dass ich selbst zu „rechteckig“ bin. – Natürlich im übertragenen Sinne!!
Ich dachte auch schon einige Male, dass Jaeger in Sachen Design nicht immer ein glückliches Händchen hat – z. B. bei manchen in meinen Augen zu breiten Lünetten der „Master“-Reihe –, aber das ist natürlich kein „Alleinstellungsmerkmal“ von Jaeger, denn schließlich hat nicht jede Manufaktur einen von den Musen geküssten Gérald Genta oder Dieter Rams oder Jonathan Ive im Firmenportfolio.
Also, lieber James, nochmals vielen Dank für deine Mühe!
Dir und allen hier Mitlesenden ein schönes Sommerwochenende!Geändert von ehemaliges mitglied (18.08.2018 um 15:58 Uhr)
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18.08.2018, 22:57 #15
- Registriert seit
- 10.11.2015
- Beiträge
- 8.675
Vielen Dank Jürgen für den Anstoß zu diesem thread und Dank an Holger und James für ihre interessanten Beiträge.
JlC kommt tatsächlich etwas zu kurz.
Das JlC Kaliber 920 ist die Basis für die flachen AP 2120 und 2121 die in diversen RO und Jules-audemars verwendet werden. Auch VC hat sich hier bei JlC bedient. Deren cal 1120 basiert ebenfalls auf dem JlC 920. Selbst PP hat auf dem JlC aufgebaut, meines Wissens in der 3700 Ur Nautilus.
Das Großdatum, welches zuerst in der Lange auftauchte, war ein Patent von JlC, die auf Geheiß der Konzernmutter erst Jahre später das Großdatum in der Reverso anbieten durfte.
Patek arbeitet eng bei den Cloisonné Blättern unter anderem auch mit dem Atelier von Anita Porchet zusammen, die ihr Atelier unabhängig betreibt und auch für andere Hersteller Emaille Zifferblätter gestaltet.
Mir ist dabei die "Fertigungstiefe" einer Manufaktur weniger wichtig als die Qualität. Das Gesamtbild muss einfach stimmen.
Da sind die großen 5, PP, AP, JlC, Lange und JlC in meinen Augen führend, das Gesamtbild aus Fertigungstiefe und (geringem) Outsourcing für spezielle Bestandteile ist stimmig.
"Kleine" Manufakturen wie FPJourne, Richard Mille usw nehme ich mal aus.
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20.08.2018, 10:10 #16
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19.08.2018, 20:00 #17
Vielen Dank für deine freundlichen Worte Jürgen
Dieses Thema finde ich sehr interessant und es lässt sich ja für jede Marke einzeln abarbeiten .
Nur nochmal ein Fakt zu der Ziffernblattfabrik Stern (welche PP Anfang der 30er übernommen hat).
Stern , die auf dem Gebiet der Metall ZB's sehr früh hohe Kompetenz aufgebaut haben , belieferten in den 30/40ern neben PP unter anderem Rolex , Omega , Vacheron-Constantin , Breguet , Longines und Cartier .
Das JLC nicht den selben Status besitzt wie PP &. Co liegt sicher auch daran das sie einfach mehr als Werkproduzent galten (auch wenn sie schon früh eigene geniale Kreationen hatten). Aegler SA welche ja die Werke für Rolex fertigten haben auch unter verschiedene Namen "fertige" Uhren produziert (vor dem 1.WK) .
LgGeändert von JamesMcCloud (19.08.2018 um 20:04 Uhr)
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19.08.2018, 23:14 #18ehemaliges mitgliedGast
Sehr gerne, James!
Woher hast du denn dein unglaubliches Detailwissen?
Und das, was du über Jaeger schreibst, macht mir die Marke immer sympathischer.Geändert von ehemaliges mitglied (19.08.2018 um 23:17 Uhr)
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19.08.2018, 23:58 #19ehemaliges mitgliedGast
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20.08.2018, 10:26 #20
Zu viel der Ehre Jürgen
Mein Wissen stammt aus (vielen) Büchern , Artikeln , Zeitschriften und persönlichen Gesprächen (oft mit alten Uhrmachern in Biel & Genf) .
Neben Stern gehörten (damals) die Hersteller Singer , Beyeler und Flückiger ebenfalls zum Olymp der ZB Hersteller .
Du solltest noch wissen ,
dass diese Firma (Stern) schon lange nicht mehr (in der Form) existiert .
Stern war Ende der 70er am Ende und wurde als "Stern Creations SA" neu aufgestellt und ist seit 2000 Teil von Richemont .
Lg
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