Uhren sind ein teures Hobby. Nie werde ich den Kauf meiner ersten “guten” Uhr vergessen. Die Uhr fürs Leben sollte das sein, weil ich danach nie wieder eine weitere brauchen würde. Ein ziemlich naiver Gedanke, wie sich alsbald herausstellte.



Richard Mille RM 67-01 Extra Flat


Knappe 20 Jahre später sitze ich im wunderschönen Hotel Royal Mont Chantilly in meinem Zimmer und starre auf mein Handgelenk. Viele Uhren haben sich in den vergangenen Jahren dorthin verirrt und es war auch schon durchaus die ein oder andere Spektakuläre dabei. Doch das, was da heute so vor sich hin funkelt, das ist dann auch für mich äußerst ungewöhnlich.

Es ist eine RM 67-01, eine Uhr, die so noch gar nicht im Handel erhältlich ist und für die man, so sie dann irgendwann verfügbar ist, rund 180.000 Euro auf den Tisch legen muss. Ihr Gehäuse aus Rotgold ist komplett mit Diamanten besetzt. Sicherlich eine der spektakulärsten Uhren, die ich bislang tragen konnte.





Auf dem SIHH stellte Richard Mille die RM 67-01 erstmals der Öffentlichkeit vor und ich war direkt begeistert, wenn auch von der etwas “dezenteren” Version im Titangehäuse. Es war meine erste Begegnung mit der Marke Richard Mille, mit der ich mich zuvor nur wenig beschäftigt hatte.



Richard Mille RM 67-01 Extra Flat


Seit Januar diesen Jahres hat sich das ganz gehörig geändert. Denn die Uhren, die man auf den ersten Blick selbstverständlich auch einfach nur als ‘neumodisches Millionärsspielzeug’ abtun könnte (ausgesprochen unbedingt mit abfälligem Blick und einer hochgezogenen Augenbraue), die entpuppen sich bei näherem Hinsehen als echte Meisterwerke. Mehr noch. Ich wage zu behaupten dass diese Uhren keinen, der von sich selbst sagt, ein Uhrenfan zu sein, kalt lassen können. Dafür steckt einfach zu viel Innovation, zu viele atemberaubende Ideen in ihnen.



Richard Mille RM 030 Polo Club de Saint-Tropez


Richard Mille, das ist übrigens nicht einfach irgendein Name irgendeines Menschen, der irgendwann im 16., 17., 18. Jahrhundert gelebt, Zeit seines Daseins in einem verschlafenen Örtchen im Jura Uhren für die Königshäuser dieser Welt zusammengebaut hat und nun für die Marketingmaschinerie irgendwelcher Großkonzerne herhalten muss. Nein, Richard Mille ist der Gründer der Marke. Ihn gibt es wirklich. Und wie.

Ich treffe ihn anlässlich der Eröffnung der ersten Richard Mille Boutique in Deutschland, für die man, wie sollte es auch anders sein, den Eingang zur Münchner Maximilianstraße gewählt hat. Es ist nicht nur die erste Boutique in Deutschland, es ist noch dazu der allererste Verkaufspunkt hier überhaupt.



Richard Mille Boutique München - Foto: © kalory.co.uk


Zuvor gab es somit noch keine Möglichkeit, eine Richard Mille hierzulande offiziell zu erwerben. Deutschland, so erklärt mir Richard Mille, sei ein Markt, den man erst betritt, wenn man wirklich bereit ist. “Machst du da einen Fehler, bist du fertig, bist du tot.”



Richard Mille mit Sebastien Ogier - Foto: © Richard Mille


Die Boutique in München ist erstaunlich groß. Richard Mille ist es wichtig, möglichst viel von seiner Produktlinie zu zeigen. Diese sei äußerst vielfältig. Er vergleicht sie mit Mercedes-Benz. Dort habe man ja auch den kleinen Roadster, die S-Klasse, Geländewagen, die Formel 1 Boliden etc. Ähnlich sei das auch mit seinen Uhren. Unterschiedliche Uhren für unterschiedliche Einsatzzwecke.



Richard Mille Boutique München - Foto: © kalory.co.uk


Dass man in Deutschland mit einer Boutique startet ergibt Sinn. Zwar gibt es global gesehen auch Konzessionäre, doch mittelfristig will man sich auf die eigenen Boutiquen konzentrieren. So nun also auch in München und die kleinen Preistafeln im Schaufenster geben einen ersten Eindruck, dass für den typischen Richard Mille Kunden Geld eine eher untergeordnete Rolle spielt. Die zusammengesteckten Zifferntäfelchen sind lang. Sehr lang. So lang, dass für die Eröffnung sogar noch einmal “Nuller” nachbestellt werden mussten.



Eröffnung der Boutique in München - Foto: © Richard Mille


Für Richard Mille selbst steht nicht der letztliche Endpreis im Mittelpunkt seiner Entwicklungen. Er hat Visionen, Ideen, die er umsetzen will. Koste es, was es wolle. Nach dem Preis, so sagt er, fragen seine Kunden zuletzt. Er sei in der glücklichen Lage, dass seine Kunden das Konzept verstehen, welches hinter seinen Uhren steckt. Daher müsse er ihnen auch nur selten erklären, warum sie so teuer sind.

Zur Jahrtausendwende war es, als Richard Mille erstmalig versuchte, seine Vision der besten Uhr Wirklichkeit werden zu lassen. Er sprach mit den Uhrmachern bei Audemars Piguet Renaud & Papi und die waren begeistert. Die RM 001 war geboren – und schlug ein wie die vielzitierte Bombe.



Richard Mille RM 001 Tourbillon - Foto: © Richard Mille


Doch genau darin lag gleichzeitig auch ein Problem. Nach der RM 001 sagten alle, dass man so etwas nicht toppen könne, erzählt Richard. Was will er danach noch groß präsentieren? Doch seither zeigt man jedes Jahr etwas Neues und, so verrät er mir, er habe noch so viel in der Pipeline.



Richard Mille RM 50-02 ACJ Tourbillon


Entsprechend ist das Portfolio an Modellen bis heute deutlich gewachsen. Modelle mit Tourbillon sind von Haus aus limitiert, bei den anderen Modellen limitiert die Produktion die Verfügbarkeit. Verteilt werden die Uhren weltweit immer nach dem gleichen Schlüssel. 30-30-30-10 beträgt der. Jeweils 30% gehen nach Amerika, Europa und Asien, 10% direkt nach Japan, wo die Uhren ganz besonderen Anklang finden.



Richard Mille RM 030 Le Mans Classic


Mit Renaud & Papi verbindet Richard Mille eine echte Freundschaft. Heute beträgt der Anteil der Uhren aus deren Fertigung zwar nur noch etwa 5% des Gesamtumsatzes, dennoch: “Ohne sie hätte ich niemals anfangen können.”



Pablo Mac Donough bei der Richard Mille Polo Clinic Chantilly - Foto: © Irina Kazaridi


Neben der für Richard Mille so berühmten Tonneau-Form gibt es runde Uhren im Programm, eckige und ganz neu eben auch eine tonneau-förmige Extra Flat. Jede seiner Uhren sei in ihrer Form extrem dreidimensional, erklärt Richard mir. Sie verkörpern viel Volumen. “Was ich liebe ist die Komplexität. Die extreme Raffinesse bei gleichzeitiger Stoßfestigkeit. Sie scheinen fragil, aber sie sind es nicht.” Und sie würden nie langweilig. “Und wenn doch, ist es Zeit für eine weitere Richard Mille.”

Ebenfalls auf dem SIHH 2016 vorgestellt wurde ein ziemlich cooles Modell für Airbus Corporate Jets. Die ersten zehn Stück der RM 50-02 ACJ für Europa waren bereits nach zwei Tagen SIHH vorbestellt. Mittlerweile gibt es auch hier Wartelisten, dabei ist noch nicht einmal eine einzige Uhr ausgeliefert worden.



Richard Mille RM 50-02 ACJ Tourbillon - Foto: © Richard Mille


Ähnlich sieht es mit dem Erotic Tourbillon, der RM 69 aus. Die Leute seien verrückt nach dieser Uhr, die in einer Auflage von 30 Stück zum Preis von 690.000 CHF plus lokaler Steuern auf den Markt kommt. Doch habe man die Auslieferung bereits zweimal verschieben müssen.



Richard Mille RM 69 Erotic Tourbillon - Foto: © Richard Mille


Dafür in München zu besichtigen: die spektakuläre Fliegeruhr RM 39-01 für über eine Million Euro. Sieben Jahre habe man an dieser Uhr mit ihren über 1.000 Komponenten herumgetüftelt. “Jedes Mal, wenn wir ein Problem gelöst hatten, kamen zehn neue dazu.” Auf diesem Level sei alles eine Herausforderung. “Man hat zehn Dinge, jedes von ihnen funktioniert, man baut alles zusammen – Albtraum.” Heraus kam eine Uhr, die, so Richard, lauter Dinge kann, die auch jeder Computer in Bruchteilen einer Sekunde ausrechnet. Aber: “Sie ist ein Kunstwerk.”



Richard Mille RM 039 Tourbillon Aviation E6-B Flyback Chronograph


130 Mitarbeiter hat Richard Mille, einen nicht unbeträchtlichen Teil der von ihnen gefertigten Uhren-Kollektion nehmen die Editionen der Richard Mille Markenbotschafter ein. Sportuhren, Markenbotschafter, kennen wir alles, machen andere ja auch. Seit Jahren. Ja und nein. Wer die Sportwelt ein wenig verfolgt, der wird sicherlich schon gemerkt haben, dass die wenigsten Sportler ihre bereitgestellten Uhren auch wirklich zum Sport tragen. Meist werden sie erst kurz vor der Siegerehrung schnell wieder angezogen.



Richard Mille RM 011 Automatic Flyback Chronograph Felipe Massa - Foto: © Richard Mille


Anders bei Richard Mille. Denn seine Partner tragen ihre persönlichen Uhren auch zum Sport. Immer. Sei es nun Sebastien Ogier bei der WTCC, Felipe Massa und Romain Grosjean in der Formel 1, Rafael Nadal beim Tennis, Bubba Watson beim Golf oder Pablo Mac Donough beim Polospiel, um nur einige zu nennen.



Foto: © Irina Kazaridi


Schaut man so auf die filigran skelettierten Werke der oft nur wenige Gramm (bei der RM 27-01 Rafael Nadal sind es beispielsweise nur 18,83 Gramm!) wiegenden und dabei mit einem Tourbillon ausgestatteten Uhren, hält man es nicht für möglich, dass sie den Erschütterungen am Steuer eines Rallyeautos, der Beschleunigung beim Tennis oder den Strapazen beim Polo trotzen können. Doch spezielle Entwicklungen machen es möglich.



Richard Mille RM 053 Tourbillon Pablo Mac Donough - Foto: © Richard Mille


Dabei geben eben jene Spitzensportler wichtige Informationen, was die Anforderungen angeht. Die RM 053 von Pablo Mac Donough beispielsweise hat ein spezielles Titan-Gehäuse, welches die Uhr bei möglichen Schlägen schützt.



Foto: © Irina Kazaridi


Dass Uhren im harten Einsatz dennoch beschädigt werden, das sind Tatsachen, die bei den meisten Firmen nicht an die große Glocke gehängt und wenn doch, so mancher PR Abteilung die Schweißperlen ins Gesicht treiben werden. Richard Mille ist das egal. Ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen plaudert er aus dem Nähkästchen. So war etwa bei Nadal wahre Überzeugungsarbeit nötig, bis der sich darauf einließ, eine Uhr bei seinen Matches zu tragen. Im Juli 2009 hatte Richard ihn dann soweit. Es waren noch rund 9 Monate bis Roland Garros 2010. 9 Monate zum testen, 9 Monate um – Uhren zu zerstören.

Davon machte Rafa reichlich Gebrauch. Etwa 5 oder 6 Uhren gingen zu Bruch, erinnert sich Richard. Einmal brach das Glas heraus, ein anderes Mal lösten sich die Zeiger, die Krone verabschiedete sich und einmal traf es den Tourbillonkäfig. Doch das war genau das, was er wollte.



Richard Mille RM 011 Automatic Flyback Chronograph Felipe Massa


“Wir kreieren keine Uhren, damit diese auf Bildern gut aussehen. Wir bauen sie fürs ‘Schlachtfeld’.” Und sie sammeln jede Menge Erfahrung. Obwohl sie noch eine sehr junge Marke sind, verfügen sie über ein unglaubliches Know How, gerade was Dinge wie Stoßfestigkeit, Leistung, Materialien angeht.

So ist bei der RM 27-01 mit ihrem Gehäuse aus Karbon-Nanoröhrchen das Tourbillon-Kaliber etwa durch eine spezielle Kabelaufhängung geschützt, die Beschleunigungen bis zu 5.000 G standhält.



Richard Mille RM 27-01 Tourbillon Rafael Nadal - Foto: © Richard Mille


Ein großes Thema beim Tennis ist aber auch der Schweiß. Hier muss das Gehäuse wirklich extrem wasserdicht sein, die Dichtungen werden besonders beansprucht und auch das Band muss optimal sein. Für Rafael Nadals Uhr entschied man sich für ein Velcro Strap, da sich herausstellte, dass die Schließe des normalen Bandes im Eifer des Gefechts zu Kratzern auf der Haut führen kann.

Auch Romain Grosjean hatte erst Bedenken, seine Richard Mille Uhr während seiner Formel 1 Rennen zu tragen. Mittlerweile ist sie für ihn so eine Art Talisman geworden. Und selbst den enormen Kräften bei seinem Unfall im Herbst letzten Jahres, bei dem sogar der Sitz brach, trotze die Uhr.



Richard Mille RM 011 Felipe Massa


Die Grundplatinen in Titan, dazu Karbon, flexible Brücken, die Schläge absorbieren wie eine Federung beim Auto, generell setzt Richard Mille die Entwicklung einer Uhr in enge Verbindung zur Entwicklung von Automobilen. Und Richard Mille ist ein wahrer Autonarr. Er verfügt über eine beachtliche Sammlung an Formel 1 Fahrzeugen aus der goldenen Ära der 70er Jahre, dazu über eine umfangreiche Porschesammlung. 550, 904, 906, 907, 908 und 935 sind nur einige der Exemplare seiner Sammlung. Sein Liebling: der Porsche 917.

Doch zurück zu Nadal und seinem Auftritt in Roland Garos 2010. Die größte Angst, so Richard, war die, ob die Verbindung von Uhr und Band hält. Dass Rafa die Uhr beim Aufschlag verlieren könne, sie eher wenig werbewirksam vor all den laufenden Kameras davonfliegt, das bereitete ihm schlaflose Nächte. “Wir haben die Schrauben verstärkt, setzten speziellen Kleber ein. Es ist wie bei Autos oder in der Flugzeugindustrie. Man lernt jedes Mal dazu und das ist fantastisch.”



Richard Mille RM 27-02 Tourbillon Rafael Nadal - Foto: © Richard Mille


Er spricht viel über Erfolge und Misserfolge, und wie nah diese manchmal beieinander liegen. So wollte er eine Uhr entwickeln, deren Gangabweichung weniger als 20 Sekunden im Monat beträgt. Das Resultat seiner Bemühungen: unglaubliche 1,36 Sekunden Gangabweichung. Im Monat! Damit ist sie wohl eine der ganggenausten mechanischen Armbanduhren überhaupt. Zehn Stück hat man davon produziert. Verkauft wurden gerade einmal zwei. “My nightmare” sagt Richard dazu.

Eher die Ausnahme allerdings, denn bei vielen Modellen kann die Produktion gar nicht die Nachfrage decken. Nur ein paar hundert Uhren könne man produzieren. Richard wünschte, es wären mehr. Doch die Ausschussquote liegt bei gut 35%. Perfektion wird großgeschrieben. Der kleinste Kratzer auf einem der vielen Teile reicht aus, und die Uhr geht nicht in den Verkauf.



Richard Mille RM 11-01 Automatic Flyback Chronograph Roberto Mancini


Hat Richard Mille eine Lieblingsuhr? Nein, sagt er, er liebe sie alle, sie seien alle seine Babies. Dann erzählt er aber doch noch von einer ganz besonderen Uhr. Eines Tages rief Rafael Nadal ihn an, ob man seine Uhr aufarbeiten könne. Sie sei zerkratzt, als er sich nach dem Gewinn der US Open in Flushing Meadows vor Freude wohl zu heftig auf den Boden geworfen habe. Die Uhr, die er auch in Wimbledon und bei den French Open getragen hat? Richard überlegte nicht lange, gab Raphael eine neue und behielt die beschädigte Uhr. “Ich trage sie heute noch. Das Glas ist in zwei Teile gesprungen, aber ich liebe das.”

Irgendwie muss ich daran wieder denken, als ich auf “meine” RM 67-01 Extra Flat schaue. Ob Richard Mille es wohl auch lieben würde, wenn ich dieses Exemplar mit Kratzern und einem zerborstenen Glas wieder abgeben würde? Nein, ich denke nicht. Und mein heutiger – kurzer und wenig erfolgreicher – Ausflug mit Pablo Mac Donough in die Welt des Polosports zeigt, dass es, zumindest in dieser Sportart, für mich auch zukünftig nicht zum Markenbotschafter wird reichen. Schade eigentlich.



Satz mit “x” – Trockenübungen bei der Richard Mille Polo Clinic Chantilly - Foto: © Irina Kazaridi


Mein Fazit: lernt man Richard Mille, den Menschen hinter der Marke, einmal persönlich kennen, ist es schwer zu sagen, was faszinierender ist. Seine Uhren oder seine Offenheit. In jedem Fall aber versteht man, dass der Erfolg dieser Marke nicht allein auf einem extrem guten Marketing basiert. Richard Mille ist jemand, der seine Träume Realität, scheinbar Unmögliches möglich werden lässt. Ohne Kompromisse. Er ist ein Unikat in der zum Teil dann doch recht austauschbaren Uhrenwelt. Und auch, wenn bei jeder Richard Mille Uhr auf die schmerzhafteste Art und Weise deutlich wird, wie teuer das Hobby ‘Uhren’ dann doch tatsächlich sein kann, es ist gut, dass es so jemanden gibt.