Ergebnis 1 bis 5 von 5
  1. #1
    ehemaliges mitglied
    Gast

    Unterschiedliches lagenabhängiges Gangverhalten bei gleichem Kaliber

    Hallo zusammen,
    mal eine Frage an die Spezis hier: Wir haben derzeit drei Uhren mit dem 3135 Kaliber ... dass die Uhren in der Geschwindigkeit etwas abweichen, ist völlig normal, alle laufen recht präzise. Was mich wundert, ist, dass die Abweichungen zwischen der schnellsten und der langsamsten Lage unterschiedlich sind. Während bei der SDDS der Unterschied zwischen der schnellsten und der langsamsten Lage nur 1,5 Sekunden pro Tag ist, beträgt der Unterschied bei der YM satte 5 Sekunden pro Tag.

    Ich frage mich einerseits, wie es solche Unterschiede bei identischen Werken geben kann ... und vor allem, ob und wie man das korrigieren kann.

    Im praktischen Verhalten wirkt es sich übrigens nicht wirklich aus, da sich die Abweichungen recht gut ausgleichen. Alle Uhren haben im "Tragebetrieb" Abweichungen von deutlich unter zwei Sekunden pro Tag, die SDDS liegt sogar bei nur +7 Sekunden im Monat bei 12 Stunden Tragen und 12 Stunden Uhrenkasten mit Glas nach oben pro Tag.

    Wäre schön, wenn mich mal jemand aufklären könnte, wie das Lageverhalten beeinflusst werden kann.

    Gruß,
    Sascha

  2. #2
    Super-Moderator Avatar von NicoH
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    Die Uhr hat eine Feder in einem Federhaus, die - wenn sie aufgezogen ist - an den Zeigern zieht und die Zeiger dadurch weiterdreht. Damit das nicht sofort alles auf einmal passiert (also die Feder innerhalb von Sekunden abläuft und die Zeiger innerhalb von Sekunden um 48 Stunden vordreht), hat die Uhr eine so genannte Hemmung, die also den Federablauf hemmt.

    Teil der Hemmung ist die so genannte Unruh. Die Unruh ist ein kleines Rad, das 4x pro Sekunde hin- und herschwingt. Pro halber Schwingung der Unruh läuft der Sekundenzeiger 1/8 Sekunde voran. Jede halbe Schwingung der Unruh ist übrigens auch ein hörbarer "Klick" des Uhrwerkes. Wenn sie am einen Ende ist, schwingt sie wieder bis zum nächsten Ende durch, wie bei einem Pendel.

    Die Unruh ist quasi das "Herz" einer Uhr. Dreht sich die Unruh, läuft die Uhr.

    Diese Unruh ist ein Schwungrad, das auf einer Achse steckt. Diese Achse steckt an beiden Enden in je einem Lagerstein. Stell Dir einen Spielzeugkreisel vor, der sich auf dem Tisch dreht, der aber sowohl unten als auch oben festgehalten wird.

    Diese Lagersteine machen den Unterschied. Die Reibung zwischen Lagerstein und Achse ist nie gleich. Mal ist die Achse etwas dicker, mal weniger, mal ist mehr Druck auf dem Lagerstein, und durch diese minimalen Abweichungen läuft jedes Uhrwerk anders.

    Selbst zehn Sekunden Abweichung am Tag sind wahnsinnig wenig: Ein Tag hat 86.400 Sekunden, und zehn Sekunden mehr oder weniger sind eine Abweichung im Zehntelpromillebereich. Stell Dir vor, ich würde heute blind mit dem Auto von Berlin nach München fahren und würde die 600km Strecke mit einer Abweichung von 60m treffen
    Ich will Immos, ich will Dollars, ich will fliegen wie bei Marvel.

  3. #3
    ehemaliges mitglied
    Gast
    Hallo Nico,
    danke für Deine ausführliche Antwort.

    Wie ein mechanisches Werk funktioniert, ist mir grundsätzlich klar, habe sogar eine Sattler Wanduhr selbst gebaut und hatte sehr viel Spaß dabei: http://www.manufactum.de/mechanica-m...643&h=45&s=Uhr

    Mir ist klar, dass es zu Abweichungen im Lauf kommt und dass das grundsätzlich normal ist. Zumindest in Bezug auf allgemeinen Vor- bzw. Nachgang ... die Lagenabhängigkeiten hingegen haben ja mit der Schwerkraft zu tun, die jeweils auf das Werk wirkt. Nun dachte ich, dass diese Lagenabhängigkeit bei allen identischen Kalibern gleich sein müsste, was sie aber nicht ist.

    Sehe ich das richtig, dass ggf. die Lagersteine auch für diese Form der Gangabweichung zuständig sind? Und was ich mich speziell frage: Den Vor- bzw. Nachlauf kann man ja bei vielen Werken sehr gut kalibrieren. Gibt es auch eine Möglichkeit, die "Spreizung zwischen den Lagen" zu reduzieren?

    Ich hoffe, ich drücke mich verständlich aus.

    Gruß,
    Sascha

  4. #4
    Super-Moderator Avatar von NicoH
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    Oh, sehr schön! Ich bin ein großer Sattler-Fan

    Zum Thema: Ja, ich halte die Toleranzen bei Lagersteinen und Unruhwelle für ausschlaggebend. Im Zusammenspiel der Teile miteinander dreht es dann mal in der einen Lage besser, in der anderen weniger gut.

    Die Abweichung zwischen den Lagen ist eines meiner Lieblingsthemen Bei der COSC-Zertifizierung darf die Gangabweichung zwischen der schnellsten und der langsamsten Lage maximal 10 Sekunden betragen:



    COSC ist nämlich viel mehr als nur -4 bis +6.

    Ich hatte mal eine Rolex mit Kal. 3135, die hatte folgende Werte:



    Wie Du siehst, hatte sie im Mittel einen Vorgang von vier Sekunden - ein sehr guter Wert, wie ich meine. Mit Krone unten ging sie aber 28 Sekunden nach, mit Zifferblatt unten dafür 24 Sekunden vor.

    Trotz +4 Sekunden/Tag im Mittel ist daher die COSC-Zertifizierung meilenweit verpasst

    Wie genau das aber technisch reguliert wird, kann ich Dir nicht sagen.
    Ich will Immos, ich will Dollars, ich will fliegen wie bei Marvel.

  5. #5
    ehemaliges mitglied
    Gast
    Hallo Nico,
    danke für Deine Ausführungen.

    Wieder was gelernt.

    Ja, Sattler begeistert mich ... so sehr, dass ich noch den kleinen Bruder für das Handgelenk haben musste: http://www.r-l-x.de/forum/showthread...und-unabhängig

    Gruß,
    Sascha

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