Am 12. Mai 1957, heute vor 57 Jahren, verunglückte Alfonso de Portago auf der letzten Etappe der Mille Miglia in seinem Ferrari tödlich. Mit ihm starben sein Copilot Ed Nelson, 11 Zuschauer und das Rennen - die Mille Miglia wurde für immer aus dem Kalender der Sportwagenmeisterschaft gestrichen.
Alfonso Antonio Vicente Eduardo Angel Blas Francisco de Borja Cabeza de Vaca y Leighton wurde 1928 in London geboren. Mit nur 13 Jahren erbte den Titel des 11. Marquis de Portago sowie 13. Conde de Mejorada und zwei Millionen Dollar eines Casino-Gewinns in Monaco seines verstorbenen Vaters. In ihm floss genügend blaues Blut, um bei einer Abdankung des Franco-Regims einen Anspruch auf den Thron von Spanien geltend zu machen. Das sagenumwobene Vermögen der Familie stammte jedoch von der Mutter, einer englischen Aristokratin.
Fons, wie ihn seine Freunde nannten, brauchte sich also keine Sorgen zu machen und wuchs wohlbehütet in London, Madrid, Biarritz und New York auf. Vor allem aber war er ein begnadeter Sportsmann. Er spielte Tennis, Golf und Polo, war mehrfacher Amateurmeister im Reiten sowie Schwimmen und errang bei den Olympischen Winterspielen von 1956 einen 4. Platz im Zweier-Bob, nur 0,14 Sekunden von einer Medaille entfernt. Er war aber auch der Prototyp des gerade in Mode kommenden Antihelden wie ihn schon der zwei Jahre vor ihm verstorbene James Dean verkörperte. Meist unrasiert, mit fettigen Haaren, einer alten Lederjacke und mit einem Geruch von Knoblauch und Zigaretten umgeben. Die Frauen aber liebten ihn und er liebte die Frauen - trotz seiner Ehe mit einer Amerikanerin wurden ihm zahlreiche Affären mit den Supermodels und Hollywoodstars seiner Zeit nachgesagt.
Im New Yorker Plaza Hotel machte er dann zwei Bekanntschaften, die sein Leben für immer verändern sollten. Zum einen traf er dort den Liftboy und Zeitungsjungen Edmund „Ed“ Nelson, der ihn für den Rest seines Lebens als Bodyguard, Beichtvater und Freund begleiten sollte. Zum anderen Luigi Chinetti, Gründer des North American Racing Teams und dortiger Ferrari-Generalimporteur. Dieser überredete ihn gemeinsam an Autorennen in Südamerika teilzunehmen. Wie in allen Sportarten bewies Fons sofort großes Talent und erweckte so die Aufmerksamkeit von Enzo Ferrari, der ihn bereits 1956 ins Werksteam berufen sollte. Der einfache, konservative Katholik Ferrari war ein Snob und bewunderte die unbekümmerte Lebensweise des reichen, legeren Nobelmanns und Frauenhelds zutiefst. Vor allem aber auch weil er seine Sportwagen fuhr als gäbe es kein morgen. Schon mit 17 Jahren soll Fons 500 Dollar bei einer Wette gewonnen haben, indem er mit einem Flugzeug unter einer Brücke hindurch flog. Beim Großen Preis von Kuba 1957 bewies er, dass selbst Juan Manuel Fangio und Stirling Moss Schwierigkeiten hatten ihn zu schlagen. Der 28jährigen schien niemals Nerven zu zeigen.
Eines jedoch nötigte ihm laut eigener Aussage größten Respekt ab: die Mille Miglia - das wohl berühmteste und gefährlichste Straßenrennen der Welt. 1000 Meilen Landstraße von Brescia nach Rom und zurück. Teilweise auf unbefestigten Wegen, über verschneite Alpenpässe und durch kleine Ortschaften, gesäumt von 10 Millionen Zuschauern und gefahren mit Autos, deren Motoren die Leistung von Fahrwerk und Bremsen weit überstiegen. Ein britischer Journalist nannte die mörderische Veranstaltung mal „die Verdichtung deines gesamten Lebens auf wenige Stunden“.
Das Team für 1957 bestand aus Silberrücken Piero Taruffi, Peter Collins, Wolfgang von Trips, Olivier Gendebien und Luigi Musso, der neuen Hoffnung Italiens. Doch Musso erkrankte kurz zuvor an einem schweren Fieber und fiel aus. Enzo wählte als Ersatz seinen Liebling Alfonso. Dieser sollte auch noch Mussos großen 335S fahren, während der erfahrenere Gendebien nur einen 250GT erhielt. Aufgrund dieser Unstimmigkeiten berief Ferrari die beiden nacheinander in sein Büro. Als de Portago wieder heraus kam, begegnete er Gendebien. Er zündete sich eine Zigarette an und sagte zu dem Belgier: „Ferrari says you want my sports car. But this son of a ***** also says you will beat me anyway, no matter what I drive.“ Enzo hatte einen Konkurrenzkampf zwischen den beiden entfacht, den er noch weiter fortführen sollte und der für den fatalen Ausgang des Rennens wohl nicht unbedeutend war.
Kurz nach Mitternacht starteten die ersten Wagen. Erst die kleinen Fiats und Abarths, dann die Porsches und Lancias und im Morgengrauen die großen Sportwagen. Ferraris einzige ernstzunehmende Konkurrenz bestand im Maserati 450S von Stirling Moss, der allerdings schon nach wenigen Kilometern mit technischem Defekt ausfiel. Und so setzten sich die Ferraris mit immer wieder wechselnder Führung an die Spitze. Am Checkpoint in Rom kam es zu einer Szene wie sie Hollywood nicht besser hätte inszenieren können. Seine Geliebte, die Schauspielerin Linda Christian, rannte zu Portago, küsste ihn leidenschaftlich und steckte ihm einen Zettel zu auf dem stand: „You´re the love of my life“. Ob er diese Worte je gelesen hat ist nicht bekannt. Der Kuss wurde später von der Presse als "kiss of death" bezeichnet:
Am letzten Checkpoint in Bologna kam es dann zu einer weniger romantischen Szenerie. Collins war ausgeschieden, Taruffi lag vorne, von Trips an zweiter Stelle, dann Gendebien und Portago. Olivier Gendebien war soeben davon geeilt, da Enzo Ferrari ihm sagte, Portago wäre drauf und dran ihn einzuholen. Zu Portago sagte er dagegen, Gendebien wäre schneller als er und würde ihn mit einem schwächeren Auto schlagen - so wie er es vorausgesagt hätte. Fons wusste sein monströser Sportwagen mit fast 400PS war das schnellste Auto im gesamten Feld. Vor ihm lagen die langen Geraden der Po-Ebene und noch gut 200km bis zum Ziel. Vom Ehrgeiz gepackt, gab der bis dahin sehr diszipliniert fahrende Portago Vollgas. Und ignorierte den Hinweis eines Mechanikers, um seine Engelbert-Reifen sei es nicht mehr gut bestellt. Er kam dem Führungstrio immer näher, aber dann passierte das unvermeidliche: Kurz vor der Kleinstadt Guidizzolo platze bei 280 Sachen ein Vorderreifen. Der Wagen schleuderte gegen einen Kilometerstein, flog in die Zuschauermassen, überschlug sich und blieb auf der anderen Straßenseite in einem Graben liegen. Beifahrer und Freund Ed Nelson war sofort tod, Portago wurde von der Motorhaube in zwei Hälften geteilt. Unter den elf Zuschauern, die ihr Leben verloren, befanden sich fünf Kinder.
Enzo Ferraris Autos wurden beschlagnahmt und er selbst des Todschlags beschuldigt. Die Anklage wurde nach vier Jahren fallen gelassen, da die Umstände nicht eindeutig zu klären waren. Taruffi, der das Rennen gewann, kündigte sofort seinen Rückzug aus dem Rennsport an und wandte sich von seinem Freund Ferrari ab. Fons Begräbnis wohnten tausende Fans bei. Seine Frau fand kurz darauf einen Eintrag in seinem Tagebuch vom 11. Mai: "I might die as a young man tomorrow, but I would never miss the Mille Miglia." Das Rennen wurde in dieser Form nie wieder ausgetragen.
Ein paar Erinnerungen
Fons in seiner privaten Ferrari 250 GT Berlinetta
Wie fast immer mit Kippe im Mundwinkel
Mit seinem Freund Peter Collins, der ein Jahr später auf dem Nürburgring starb
Peter Collins mit seiner Braut Louise zwischen Fons und Wolfgang "Taffy" von Trips
Juan Fangio, Luigi Musso, Eugenio Castellotti, Harry Schell und Alfonso de Portago
Kurz nach dem Start um - wie die Nummer zeigt - 5:31 Uhr
Das vollkommen zerstörte Wrack des Ferrari im Straßengraben
Fons und Ed vor ihrer Verabredung mit dem Schicksal
Quellen
Ed McDonough: Marquis de Portago
Enzo Ferrari: Piloti che gente
Brock Yates: Ferrari
Ergebnis 1 bis 20 von 22
Thema: Der Fons und die 1000 Meilen
Baum-Darstellung
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12.05.2014, 21:12 #1
Der Fons und die 1000 Meilen
Ciao, Carlo
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