Lieber Bernhard,
die Bilder sind wirklich toll und Deine Neugier, sich Rio von allen Seiten anzuschauen und damit auch hinter die Oberflächlichkeit dieser vielgepriesenen Glitzerstadt zu gelangen spricht für Dich. Prinzipiell richtig ist auch die Feststellung zu Einstellung großer Teile der Oberschicht zu Armut und ihren Hausbediensteten. Zu letzteren ist aber dennoch einiges zu sagen.
Es gibt von der Regierung festgesetzte Mindestlöhne, Sozialabgaben und ähnliches, die das frühere Problem der teilweisen Ausbeutung erheblich abgemildert haben. Seit 2000 sind diese Mindestlöhne um mehr als 350% gestiegen und dies bei einer jährlichen Inflation von um die 5%. Es gibt in Brasilien eine neue Mittelschicht mit erheblicher Kaufkraft, auch wenn beides nicht mit einem deutschen Niveau vergleichbar ist.
Darüber hinaus gibt es auch Hausbedienstete, die teilweise 40 oder 50 Jahre gern für eine Familie gearbeitet haben, denen die "bösen" Arbeitgeber eigene kleine Häuser finanzierten, deren Kinder von diesen auf weiterführende Schulen geschickt oder denen eine qualifizierte Ausbildung ermöglicht wurde, die bei kostspieligen Krankheiten freiwillig Arzt- und Medikamentenrechnungen beglichen und die auch ansonsten in fast allen Lebenslagen für ihre Hausbediensteten da waren, wenn dies gewünscht oder erforderlich war. Aus all dem ergaben sich teilweise starke soziale Bindungen - bei aller Abhängigkeit der Beteiligten voneinander.
Ich möchte mit dieser Ergänzung vermeiden, daß sich allein weitere klischeehafte Bilder über Brasilien bei den Forumsmitgliedern festsetzen.

Brasilien ist in vielem widersprüchlich, schwierig zu verstehen und überwiegend komplex. Ein Land, so ganz anders als Deutschland und dennoch ein Land, in dem es sich bestens leben läßt.

Grüße, Uli