Es ist wieder ein Arachnide bei mir angekommen; dieses Mal ein besonders harter - das Spyderco Manix 2 Lightweight C101PGY2.



Bei einer Gesamtlänge von erwachsenen 20,4 cm aus- und 11,8 cm eingeklappt wiegt das Messer nur 85 Gramm.
Die Full Flat Grind-Klinge ist 8,6 cm lang; davon entfallen 7,3 cm auf die Plain Edge. Das obligatorische Spyderhole hat einen Durchmesser von 1,4 cm. Ohne den right/left tip-up montierbaren Clip ist dieses Manix 1,1 cm breit.
Die Verriegelung der ca. 3 mm starken Leaf Shape-Klinge übernimmt der von Spyderco patentierte Encased Ball Bearing-Lock.











Soweit alles relativ normal im Hause Manix 2. Interessant wird es beim Klingenstahl. Denn wie eingangs erwähnt ist diese Spinne härter als andere. Und auch härter als praktisch alle Mitbewerber.





Statt der üblichen Verdächtigen wie z. B. S35VN (ca. 55-57 HRC), S30V (ca. 60 HRC), S110V (ca. 56-58 HRC), S90V (ca. 58 HRC), VG-10 (ca. 58-61 HRC), ZDP-189 (65-67 HRC) o. ä. kommt Micro-Melt Maxamet der Carpenter Technology Corporation (CarTech) zum Einsatz - gehärtet auf 69-70 HRC.
Besagter Stahl wurde 2006 auf den Markt gebracht und war ursprünglich dafür entwickelt worden, die Oberflächen hochbeanspruchter Teile in Gasturbinen und Flugzeugtriebwerken widerstandsfähiger zu machen. Um 2016 herum tauchten die ersten Messer damit auf. So hatte z. B. das 0888 von Zero Tolerance eine solche Klinge.



Das Angebot an Maxamet-Messern ist überschaubar, denn die Bearbeitung des Stahls ist tricky. Schwierigkeiten bereitet er insofern, als dass er wegen seines vergleichsweise hohen Kohlenstoffanteils von 2,15% in Verbindung mit extrem hohen Anteilen an Wolfram (13%) und Kobalt (10%) zu Verwerfungen bei der Wärmebehandlung neigt. Das industrielle Schleifen ist außerdem zeitaufwändig und erfordert teure Spezialwerkzeuge.
Der Durchbruch bei der Bearbeitung kam erst mit den ausgefeilteren Herstellungsverfahren pulvermetallurgischer Stähle. Z. B. durch das Spray-Forming.

Bei CarTech heißt diese Technik „Micro-Melt“. Dabei werden die ohnehin schon fein gemahlenen Pulver durch thermodynamische Verfahren nochmals verkleinert (atomisiert), ultrahocherhitzt und im Vakuum durch Plasmaspritzen auf ein Trägermaterial gesprüht, wodurch ein gleichmäßiges Gefüge entsteht.
Das Ergebnis ist ein Stahl, der nicht nur in einem Bereich des Wunscheigenschaften-Dreiecks aus Härte, Bruchsicherheit und Schnitthaltigkeit stark, sondern optimalerweise in allen Bereichen gleichmäßig leistungsfähig ist. Bei identischer Zähigkeit übertrifft Maxamet andere PM-Klingen in Härte und Abriebfestigkeit deutlich.

Im normalen EDC-Alltag sollte somit praktisch kein Verschleiß auftreten. Aber wehe wenn doch…dann dürfte ein anstrengender Schleifeinsatz bevorstehen.

Das Handling des Messers ist spydercotypisch unaufgeregt. Zwei ausgeprägte Choils, die Strukturierung und großflächige, aber dezente Jimpings geben ein sicheres Griffgefühl. Der Ball Bearing-Lock arretiert mit einem vernehmlichen Klacken.
Das Entriegeln funktioniert nur beidseitig mit Daumen und Zeigefinger. Ich habe es „einfingerig“ probiert - keine Chance. Der Federdruck auf den Ball Cage ist zu groß und der - eigentlich recht grob geriffelte - Schieber bietet bei einseitigem Angreifen nicht genug Halt. Immerhin besteht so kaum ein Risiko, der einklappenden Klinge in die Quere zu kommen. Letztere sitzt weder zu fest noch zu locker in ihren Bronze Bearings, so dass sich deren Bewegungen gut kontrollieren lassen.

Wegen der bidirektional strukturierten, aus Fiberglass Reinforced Co-Polymer (FRCP) bestehenden Griffschalen war ich anfangs etwas skeptisch. Diese wirkten auf den Bildern im Netz fast ein wenig billig, was durch das blasse Grau noch unterstützt wurde. In Natura ist die Verarbeitung recht sauber, bietet aber noch Spielraum für Verbesserungen. Passform und Haptik sind in Ordnung; aber am Butt End und auf der Innenseite der Scales wurde teilweise etwas sportlich entgratet.
Möglichst reines Form follows Function ist Spyderco hier offensichtlich wichtiger als Augenschmeichelei - das ultraleichte FRCP soll dazu beitragen, das im Vergleich zu anderen Stählen höhere Gewicht der Maxamet-Klinge auszugleichen. Besonders deren Wolframanteil haut richtig rein: das Schwermetall weist aufgrund seiner spezifischen Dichte ungefähr das dreifache Gewicht von Stahl, Chrom oder Vanadium auf.

Der Verzicht auf vollflächige Stahlplatinen unter den Scales und der schnörkellose Bügelclip unterstützen die Lightweight-Philosophie zusätzlich.



Quelle technische Hintergründe/Infos: knife-blog.com und einhandmesser.net