Am Samstag frühmorgens machte ich mich auf, um ein Wochenende, bestimmt vom Thema Uhren zu verbringen. Mein Weg führte mich nach:
Genauer in dieses Gebäude:
In dem ich dann diesen Raum vorfand:
Der Eine oder Andere kann es sich vielleicht jetzt bereits denken. Ich habe am Wochenende an dem Uhrenseminar bei Reinhold Flüthe teilgenommen. Das Seminar behandelte das ETA Unitas 6498 Handaufzugswerk. Jeder Teilnehmer hatte seinen eigenen Arbeitsplatz:
Natürlich kann man die Seminaruhr bei Herrn Flüthe käuflich erwerben, aber die Modelle entsprachen nicht so ganz meinem Geschmack, daher hatte ich mir bei Herrn Kemmner die entsprechenden Einzelteile bestellt und eine eigene Uhr montiert, die ich für das Seminar verwenden wollte. Da bei dem Seminar auch Verzierungen an dem Uhrwerk vorgenommen werden, habe ich ein ganz und gar unverziertes Werk eingebaut:
Zunächst gab es einen interessanten Einblick in die Funktionsweise von Uhren. Neben den Folien hatten wir auch immer ein Anschauungsobjekt auf dem Werktisch liegen:
Nach dem Mittagessen ging es dann los. Unter Anleitung von Herrn Flüthe und seiner resoluten aber herzlichen Uhrmacherin wurden die Werke der Seminaruhren zerlegt:
Bis zur zur blanken Grundplatine:
Danach folgte eine besonders „schöne“ Arbeit: Das abschleifen und polieren der Schrauben. Da diese thermisch gebläut werden sollten, musste erst einmal die Vernickelung runter und dann die Köpfe plan geschliffen und anschließend poliert werden. Vier Schmirgelpapiere wurden bei jeder einzelnen Schraube nacheinander benutzt. Von 900er bis 9000er Körnung. Alles von Hand. Ich werde nie wieder abfällig oder geringschätzig über Werke mit handwerklich gebläuten Schrauben sprechen! Hier sieht man die einzelnen Werkzeuge bzw. Halterungen in denen die Schrauben beim schleifen eingespannt wurden:
Anschließend wurde die Grundplatine perliert, wobei auch hier jede „Perlung“ von Hand und nach Augenmaß gesetzt wurde. Auch eine nette Arbeit dafür, dass man es nachher durch den Glasboden gar nicht sieht.
Hier mein Ergebnis:
Der nächste Schritt was das Anbringen des Genfer Schliffs auf der Räderwerkbrücke, Federhausbrücke und der Unruhbrücke (oder Unruhkolben?). Das ging zum Glück nicht mit Augenmaß, sondern auf einer manuellen Schleifmaschine, die entsprechen eingestellt wird:
Und das Ergebnis:
Man hätte bei Herrn Flüthe auch eine gravierte Unruhbrücke erwerben können, aber mir war es lieber, dass auch dieses Bauteil geschliffen wurde.
Durch den Schliff wurden die Brücken natürlich etwas dünner. Daher mussten einige Teile, hier zu sehen die Ankerbrücke, abgeschliffen werden, damit sie wieder passen. Auch das ist eine tolle Arbeit, zumal man die Teile mit dem Finger festhält und dann auf dem Schleifstein abzieht. Das hat zwei Effekte: Erstens prägt sich das Teil in die Haut des Fingers und zweitens muss man aufpassen, dass die Fingerkuppe nicht abgeschliffen wird.
Als nächstes erfolgte die thermische Bläuung der Schrauben. Diese werden in die links zu sehende Halterung gesteckt und dann von unten mit dem Bunsenbrenner erwärmt. Die gewünschte blaue Farbe entsteht bei 298 ° Celsius. Diesen kurzen Moment muss man genau treffen, denn unter 298° werden die Schrauben erst braun und dann lila und ab 305° Celsius werden die Schrauben schäbig grau. Die Farbgebung meiner Schrauben ist übrigens nicht langweilig einheitlich, sondern individuell schattiert. Das war natürlich ein Teil meines Konzepts und kein Versehen!
Anschließend wurden Brücken und Platine in einem elektrisch aufgeladenen Salzlösungsbad rotvergoldet. Jedes Teil ca. 1,5 – 3 Minuten in das Vergoldungsbad und dann zuerst mit Wasser und dann mit Spiritus wieder gereinigt.
Es gab noch die Möglichkeiten ein paar Schmankerl für das Werk zu erwerben:
- Schwanenhalsregulierung
- Gravierte Stoßsicherung
- Schraubenunruh
- Sperr- und Aufzugsrad mit Sonnenschliff
Ich wollte Alles. Und ich glaube, das hat sich gelohnt:
Die Schmankerl wurden dann allerdings auch von Meisterhand eingebaut:
Danach erfolgte der angeleitete Zusammenbau des Werkes:
Und fertig:
Das montierte Werk wurde dann von Uhrmachermeister Flüthe mit der Zweitwaage einreguliert:
Die Montage des Zifferblatts und das Setzen der Zeiger war dann wieder Sache der beiden Uhrmacher. Hätte man natürlich auch selber machen können, aber da ich nicht ausreichend viele Ersatzzifferblätter und Zeiger dabei hatte, habe ich das gerne den Profis überlassen.
Und das Ergebnis:
Ich werde morgen noch einige Bilder der Uhr, insbesondere des schönen Werkes bei Tageslicht machen. Ich bin ein sehr schlechter Kunstlichtfotograf, daher bitte ich noch um etwas Geduld.
Die Uhr hat dieses Gesicht bekommen:
Ich hoffe der Bericht hat Euch gefallen. Ich kann jedem Uhrenfreund nur empfehlen mal so ein Uhrmacherseminar zu besuchen. Man bekommt tolle Einblick in die Uhrmacherarbeit und am Ende kann man sogar noch eine schöne Uhr mit nach Hause nehmen.
Mir hat es auf jeden Fall sehr viel Spaß gemacht!
P.S:
Das ist übrigens Gustav, der Seminarhund. Er gehört einem der Teilnehmer
![]()
Ergebnis 1 bis 20 von 27
Hybrid-Darstellung
-
09.01.2011, 23:21 #1
Uhrenwochenende im Münsterland
Liebe Grüße - Brasi
-
09.01.2011, 23:35 #2
- Registriert seit
- 15.04.2006
- Beiträge
- 1.675
Lieben Dank für´s Mitnehmen
LG Christoph
-
10.01.2011, 03:28 #3ehemaliges mitgliedGast
Klasse.
-
10.01.2011, 07:08 #4
Klasse Bilderbericht
; vielen Dank fürs Mitnehmen
-
10.01.2011, 08:14 #5
- Registriert seit
- 09.04.2006
- Ort
- Lüneburger Heide
- Beiträge
- 1.862
Toller Start in die Woche, danke für`s mitnehmen!
Gruß,
Tim
-
10.01.2011, 08:21 #6
Klasse Bericht und tolles Ergebnis! Danke für die ausführliche Dokumentation. Zwei Fragen: Was ist das für ein Klotz für dem Gebäude? Erdwärmepumpe? Städtisches Umspannwerk? Das Ding ist sauber gestaltet - aber ob's dahin passt, ist eine andere Frage. - Warum baut man eine Arbeitsfläche aus rustikaler Fichte/Kiefer? Da findet man doch keine Schraube wieder - und das Aufkleben eines weißen Zettels als Werkfläche mutet da schon etwas komisch an.
77 Grüße!
Gerhard
-
10.01.2011, 08:31 #7
-
10.01.2011, 08:53 #8
- Registriert seit
- 13.06.2010
- Ort
- Österreich
- Beiträge
- 2.417
Toller Bericht und schöne Fotos!
Danke
Und das sind wirklich alle Einzelteile? Mehr ist in einer Armbanduhr nicht drinViele Grüße, Elmar
-
10.01.2011, 09:21 #9
eine schöne Uhr isses geworden, Respekt....ich wußte nicht daß man in sowas "an nem WE" reinschnuppern kann, faszinierend, wie hoch sind da etwa die Kosten?
Greetingz,
Oliver
I used to jog, but the ice cubes kept falling out of the glass. (David Lee Roth)
-
10.01.2011, 09:25 #10
Hi, Preise des Seminars und weitere Infos gibts hier: http://www.uhrenseminare-fluethe.de/uhrenseminar.html
Die Schmackerl (siehe Startpost) kosten noch etwas zusätzlich...Liebe Grüße - Brasi
-
10.01.2011, 09:44 #11
So, hier noch die versprochenen Tageslicht Bilder des Werkes. Bei den Farben der Schrauben bitte ich zu beachten, dass das ein sehr koplexer Vorgang ist, der von einem Laien erstmalig durchgeführt wurde.
Zudem ist das Werk durch die die einzigartig schattierten Schrauben absolut individuell und fälschungssicher
Und noch das Gesicht der Uhr. Sie hat mein Lieblings Zifferblatt, im Stil einer Heeres-Dienstuhr:
Geändert von Brasi (10.01.2011 um 09:47 Uhr)
Liebe Grüße - Brasi
-
10.01.2011, 18:02 #12
- Registriert seit
- 16.04.2009
- Beiträge
- 622
Danke für den interessanten Bereich!
Ist eine schöne Uhr geworden!
Gruß Jürgen
-
10.01.2011, 12:54 #13
Astrein
!
Meine Frau will mich zu meinem nächsten "Runden" auch auf ein solches Seminar schicken.
Martin
"Whatever you do, don't congratulate yourself too much."
-
10.01.2011, 13:35 #14
Dann möchte ich die hier mit meinem 1. Post auch nochmals herzlich gratulieren zu dem gelungenem Werk und den tollen individuellen Schrauben. ;-)
-
12.01.2011, 06:04 #15
klasse bericht. auf solch ein seminar hätte ich auch lust....
Gruß Florian
-
13.01.2011, 00:41 #16
-
13.01.2011, 10:23 #17
Cool, sieht echt gut aus. Glückwunsch!
Grüße
Dirk
-
13.01.2011, 12:19 #18
- Registriert seit
- 01.01.2010
- Beiträge
- 645
Tolle Fotos und super Bericht
...und Danke für den Input. Seit längerer Zeit überlege ich an einem neuem Uhrenprojekt; ein selbst zusammengebauter Wecker ist für mich als ausgewiesenen Grobmotoriker in jeder Hinsicht eine Herausforderung.Gruß, Uwe
-
14.01.2011, 15:08 #19
Vielen Dank für die vielen, positiven Rückmeldungen!!
Bisher hatte ich noch kein Foto vom verbauten Werk mit der (unbewegten) Schraubenunruh machen können, da die Uhr aufgezogen war. Das hole ich nun nach:
Liebe Grüße - Brasi
-
14.01.2011, 16:22 #20
- Registriert seit
- 03.12.2007
- Ort
- Wien und nordwestlich
- Beiträge
- 535
Ich glaub, das hätte auch ins Hauptforum gepasst ... toll erzählt, Danke dafür!
lG,
Christian
Ähnliche Themen
-
Grüße aus dem Münsterland
Von Jörg_P im Forum New to R-L-XAntworten: 2Letzter Beitrag: 05.02.2011, 13:08
Lesezeichen