Besuch bei D. Dornblüth und eine kleine Führung durch die Firma

Wie Ihr ja bereits diesem Thread entnehmen konntet, waren wir gestern bei Dirk Dornblüth und er hat uns seine Firma inkl. Showroom und Werkstätten gezeigt.
Hier ein kurzer Bericht über dieses außerordentlich gelungene und sehr interessante Event, das Gerald freundlicher Weise für uns organisiert hat.

Zunächst mal was zur Lage:

D. Dornblüth & Sohn
Westpromenade 7
D-39624 Kalbe/Milde
http://www.dornblueth.com/

Wer nicht gleich auf die Karte gucken will: Das liegt fast genau zwischen Hamburg, Braunschweig und Berlin im Nirgendwo. Bis zur nächstgrößeren Stadt wie z.B. Wolfsburg sind es 60km, bis Magdeburg 70km. Eine wirkliche Horrorvorstellung für einen Stadtliebenden Menschen dort auszuwachsen oder zu leben, aber anscheinend ideal, um schöne Uhren zu bauen.

Die Anreise aus Berlin ist in zwei Stunden machbar, das TomTom-Navi kräht "Sie haben Ihr Ziel erreicht" an einer Stelle, die so überhaupt nicht nach Uhrenmanufaktur aussieht. Wie sich herausstellen sollte, sind die Karten in diesem Bereich etwas unpräzise, was die Hausnummern angeht, aber schon wenige hundert Meter weiter fanden wir dann das Firmengebäude:



Im Prinzip ein Einfamilienhaus mit ein paar Erweiterungen, nur die außen angebrachte Uhr und die großen Fenster des Showrooms im vorderen Teil lassen erahnen, dass hier feine Armbanduhren von Dirk Dornblüth hergestellt werden.

Bevor es in die heiligen Hallen ging, gab es erstmal eine Stärkung und Getränke um eine Basis für die folgende Führung zu haben.



Von den ursprünglich angemeldeten Teilnehmern blieb etwas mehr als eine Handvoll übrig, was sich aber in den teilweise doch recht engen Werkstätten als Vorteil erwies.


Im unteren Teil der Werkstatt befinden sich die Sachen für's Grobe. Naja, grob ist vieleicht das falsche Wort, weil die Platinen ja auch kaum größer als ein Fünfmarkstück sind, aber unten werden in der Hautsache die Basismaterialen für den späteren Zusammenbau gefertigt, d.h. vor allem Platinenteile, Gravuren, Drehen, Bohren, Fräsen, Messen. Sowas bekommt man im Erdgeschoss öft zu sehen:



Hier mal ein paar Bilder aus dem Maschinenpark:



Hierbei handelt es sich um eine Präzisionsbohrmaschine aus dem Jahr 1954. Das Gerät wiegt zwei Tonnen und wurde um eine moderne Messelektronik erweitern, die man links oben im Bild sehen kann. 15,862mm liest man auf der Anzeige, d.h. hier wird im Bereich von Tausendstel Millimetern gemessen. Der Bohrer dieser Maschine wird in einem Ölbad bzw. Ölfilm zentriert, die Präzision entsteht erst, wenn das Gerät läuft und der Bohrer rotiert.

Um die fertigen Teile vermessen zu können und danach zu entscheiden, ob sie verwendet werden oder nicht, gibt es einen eigenen Vermessungsplatz:



Hier ist eine Kopierbohrmaschine zu sehen:



Auf der rechten Seite liegt die Bohrschablone, auf der linken Seite der Rohling. Mit einem Taster fährt man in die Bohrungen in der Schablone und der Bohrer auf der anderen Seite bohrt gleichzeitig in den Rohling.

Schablonen finden auch beim Gravieren oder Fräsen Verwendung. Hier sieht man eine etwas größere Schablone, die zusammen mit einer Kopierfräse verwendet werden kann, um Teile auszuschneiden oder Gravuren anzubringen:



Hier sieht man einen Gehäuserohling. Die Teile werden zugeliefert und auch die weitere Verarbeitung zur Gehäusegrundform im Elektroerosionsverfahren ( http://de.wikipedia.org/wiki/Drahterodieren ) geschieht nicht bei Dornblüth selbst.

Gedrehter Rohling:


Gehäuse nach dem Schneiden im Elektroerosionsverfahren:


http://www.youtube.com/watch?v=NG6etxpp7HY
http://www.youtube.com/watch?v=ABAEFjV3sEc&NR=1
http://www.youtube.com/watch?v=pBueWfzb7P0

Die Schnittflächen haben danach übrigens ein ziemlich cool aussehendes Finish, dunkel und wie groß gestrahlt. Passt aber nicht zu Dornblüth Uhren, deshalb werden die Flächen dann in der Werkstatt weiter bearbeitet:




Im oberen Stockwerk haben wir uns zunächst angeschaut wie der Genfer Streifenschliff, Pardon, Kalber Streifenschliff auf die Platinen kommt:



... und wie Zahräder von der Stange geschnitten werden:





Danach werden noch die Flächen bearbeitet und das Zahnrad wird noch gehärtet und angelassen. Es entstehen zu kleine Wunderwerke wie dieses Differential:



Das Ganze liegt auf einem Tuch Zewa, daher die Beulen in der Unterlage. Wenn man das weiss, kann man sich erst vorstellen wie klein hier gebaut wird. Das Kaum sichtbare Kegelrad, dass sich hinter der Achse versteckt ist kleiner als so eine "Zewa-Beule".

In der Galvanikabteilung der Firma können dann einzelne Teile vergoldet werden:




Im Nachbarzimmer ging es dann nur noch um den Zusammenbau und das letzte Finish. Die Zifferblätter stellt Dornblüth nicht selbst her, die kommen von einem Zulieferer. Wahlweise mit gedruckten oder applizierten Ziffern (schwarz, blau, gold, silber):



Dann werden die Einzelnen Teile Stück für Stück nicht mal einer Hand voll Mitarbeitern zusammengebaut.





Das Lagersteinsortiment von oben: Kleine Glasröhrchen in denen unendlich kleine Lagersteine aufbewahrt werden.



Hier werden die Zeiger gebläut. Wir wissen jetzt bei welchem Wetter das am besten geht, aber wir wollen ja nicht alle Geheimnisse der Firma verraten, deshalb schweigen und genießen wir ...



Ganz zum Schluss ist dann so etwas 'draus geworden:



Die Uhren sind traumhaft schön, bitte schaut auf die Dornblüth Webseite oder im Netz, dort gibt es sicher noch bessere Aufnahmen.

Die Führung war wirklich klasse und ich bin noch jetzt begeistert wie wenig high-tech und wie viel Leidenschaft man braucht um solche Uhren fast ausschließlich in Handarbeit zu fertigen.
Wenn Leute Manufakturarbeit hinterherjagen und auf Wertschöpfung in Deutschland Wert legen, dann sind sie bei Dirk Dornblüth an der richtigen Adresse. Die hauseigene Fertigungstiefe ist schon heute enorm und das mit einer Handvoll passionierter Mitarbeiter in einer Firma so groß wie ein Einfamilienhaus. Kontrastprogramm zu großen Hallen, in denen unter Neonlicht Uhren vom Band laufen und Menschen nur noch die Qualität kontrollieren. Keine Heerscharen von Uhrmachern in weissen Kitteln, sondern Mitarbeiter, denen klar ist, dass sie alleine für die Qualität des Endprodukts verantwortlich sind und die stolz von ihrer Arbeit erzählen.


Wer heute bestellt, bekommt seine Uhr übrigens im Februar nächsten Jahres. Dirk Dornblüth fertigt derzeit ca. 10-15 Uhren pro Monat und plant derzeit nicht die Kapazitäten zu erhöhen. Sehr sympathisch.

Als kleines Bon-Bon, dass ich keinem vorenthalten möchte hat dann Matthias noch ein Schmuckstück mit die die Werkstatt gebracht: Den Schiffschronometer der Gorch Fock:






Man beachte den Respekt des Meisters vor der Uhr: Fingerlinge beim Anfassen des Schiffschronometers!






Vielen Dank an Herrn Dornblüth und seine Familie/Mitarbeiter für die Möglichkeit die Firma von innen zu sehen. Vielen Dank auch an Gerald für die Organisation und das "in die Hand nehmen" des Themas. Es war ein toller Tag!