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  1. #1
    Freccione Avatar von blarch
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    Baukostenschätzung

    Hallo Zusammen

    Ich bin Architekt und arbeite in der Schweiz. Nun habe ich mich heute Mittag mit einem Berufskollegen über einen fiktiven Fall unterhalten.

    Nehmen wir mal an ein Architekt macht einen Baubeschrieb und eine dazugehörige Baukostenschätzung. Im Baubeschrieb steht, dass ein offener Kamin (Cheminee) für 20'000 CHF enthalten ist. Diese Position geht aber in der Baukostenschätzung vergessen.

    Wer ist nun für diesen Fehler haftbar? Mein Kollege meinte der Architekt muss für die 20'000 CHF aufkommen. Ich bin allerdings der Meinung, dass der Architekt nur für den entstandenen Schaden (evtl. höherer Hypothek) aufkommen muss und nicht für die 20'000 CHF da diese ja Wertvermehrend sind.

    Im Gesprächsverlauf kamen wir dann zu einer anderen Konstellation. Was passiert in obigen Fall, wenn der Bauherr das Haus oder die Wohnung mit den o.g. Unterlagen (Baubeschrieb und fehlerhafte Baukostenschätzung) an eine dritte Person verkauft? Hätte der Verkäufer dann nicht die Unterlagen ebenfalls prüfen müssen oder kann er sich auf den Fehler des Architekten berufen und nun Schadensersatz in voller Höhe fordern?

    Wie gesagt, handelt es sich zum Glück um einen fiktiven Fall. Allerdings wäre ich sehr interessiert von einem Fachmann (Anwalt) zu hören wie sich die Situation wirklich verhält, am besten nach Schweizer Recht, wobei ich denke, dass sich das nicht grundlegend vom deutschen Recht unterscheiden wird.
    Gruss Wolfgang
    _______________________________________________

  2. #2
    Double-Red
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    Wenn ich einem Planer oder Architekten eine Kostenschätzung abgebe und dabei eine wichtige Position vergesse und es dadurch teurer wird, bin ich
    aus der Nummer raus, weil die Gegenpartei die Pflicht hat meine Positionen nachzuprüfen. Es heisst ja nicht umsonst "Kostenschätzung".

    So ist es zumindest in meiner Branche (Baunebengewerbe) usus
    Geändert von mws (31.01.2011 um 21:06 Uhr)
    Beste Grüße,
    Michael


    "Thank you, Mr. Speaker"

  3. #3
    Moderator Avatar von MacLeon
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    Zitat Zitat von blarch Beitrag anzeigen
    Wie gesagt, handelt es sich zum Glück um einen fiktiven Fall. Allerdings wäre ich sehr interessiert von einem Fachmann (Anwalt) zu hören wie sich die Situation wirklich verhält, am besten nach Schweizer Recht, wobei ich denke, dass sich das nicht grundlegend vom deutschen Recht unterscheiden wird.
    Sei Dir da bitte nicht so sicher. Da gibt es einige Unterschiede.
    Beste Grüße,
    Marcus


    Nakatomi Plaza Christmas Party 1988

  4. #4
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    TOLERANZGRENZEN bei Kostenermittlungen

    Nicht umsonst sieht die HOAI (Honorarordnung für Architekten und Ingenieure) im Grundleistungskatalog des Leistungsbildes Objektplanung Gebäude insgesamt drei vom Architekten mit Vollauftrag geschuldete Kostenermittlungen vor, die dem Bauherrn die Kostenweiterentwicklung transparent vor Augen führen sollen. Angesprochen sind insoweit die Kostenschätzung, die Kostenberechnung und der Kostenanschlag (die Kostenfeststellung ist eine reine rechnerische Zusammenstellung der tatsächlich entstandenen Kosten und hat somit keine Auswirkung mehr auf die Baukostenentwicklung).

    Mit der 5. Änderungsverordnung wurde die Kostenkontrolle als weitere Grundleistung des § 15 HOAI eingeführt und dadurch deutlich gemacht, dass der Architekt stets die wirtschaftlichen Belange seines Auftraggebers im Auge zu behalten und seine Planung und die Bauausführung danach auszurichten hat.

    Einig ist man sich dahingehend, dass die Kostenermittlungen des Architekten, ohne dass diesem gegenüber hieraus ein Vorwurf abgeleitet werden kann, bis zu einer angemessenen Grenze überschritten werden dürfen. Damit soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass die Realisierung eines jeden Bauvorhabens mit einer Reihe von Unsicherheitsfaktoren und Unwägbarkeiten verbunden ist.

    Des weiteren ist das jeweilige Stadium der Kostenprognose des Architekten in die Überlegung mit einzubeziehen, Während die Kostenschätzung in einem relativ frühen Planungsstadium (Vorplanung) zu erstellen ist, liegen dem Kostenanschlag (Grundleistung der Leistungsphase 7) bereits konkrete Ausführungspläne zu Grunde. Dies bedeutet letztlich, dass entsprechend dem Baufortschritt auch der Genauigkeitsgrad der Kostenermittlung ansteigen muss.

    Welche Toleranzrahmen hinsichtlich der Genauigkeit seiner Kostenprognose einem Architekten eingeräumt werden können hängt von verschiedenen Faktoren ab. Dementsprechend ist auch die Rechtsprechung zu diesem Problemkreis sehr divergierend.
    Über haftungsauslösende Überschreitungen wir man aber immer dann nachdenken müssen, wenn folgende Toleranzrahmen überschritten werden:

    Kostenschätzung: 30 %
    Kostenberechnung:20 % bis 25 %
    Kostenanschlag: 10 % bis 15 %

  5. #5
    Zitat Zitat von Alfafahrer Beitrag anzeigen
    ...die Kostenfeststellung ist eine reine rechnerische Zusammenstellung der tatsächlich entstandenen Kosten und hat somit keine Auswirkung mehr auf die Baukostenentwicklung...
    Das stimmt aber so nicht. Denn selbst in der Kostenfeststellung kann es gegenüber der vorherigen Phase (Kostenanschlag) noch Abweichungen geben, die zulässig sind. Ich meine, es sind 5-10% gegenüber dem KA.
    77 Grüße!
    Gerhard

  6. #6
    Steve McQueen Avatar von paddy
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    Zitat Zitat von blarch Beitrag anzeigen
    ...Was passiert in obigen Fall, wenn der Bauherr das Haus oder die Wohnung mit den o.g. Unterlagen (Baubeschrieb und fehlerhafte Baukostenschätzung) an eine dritte Person verkauft? Hätte der Verkäufer dann nicht die Unterlagen ebenfalls prüfen müssen oder kann er sich auf den Fehler des Architekten berufen und nun Schadensersatz in voller Höhe fordern?...
    Wenn der Bauher das Haus verkauft, und die Baubeschreibung nachweislich Grundlage der Einigung war, oder gar als Anlage Bestandteil des Kaufvertrags (was bei Neubauten häufig der Fall ist), haftet zunächst mal der Verkäufer gegenüber dem Verkäufer.

    Zu beurteilen inwieweit dieser Rückgriff auf den Architekten hat, oder was passiert wenn der Käufer objektiv hätte sehen müssen, dass kein Kamin eingebaut war, überlasse ich gerne den Anwälten...
    Ciao

    Andere lassen auch nur mit Wasser kochen.

  7. #7
    Milgauss Avatar von René
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    Lieber Themenstarter,

    aus RA-Sicht nach deutschem Recht:

    Ein Schadenersatzanspruch besteht allgemein, wenn ein Vertrag schuldhaft schlecht erfüllt wurde und daraus ein Schaden entstanden ist.

    In deinem Ausgangsfall sehe ich so direkt keinen Schaden. Der Auftraggeber dachte, er bekommt ein Haus zum Preis x incl. Kamin, tatsächlich muss er aber noch 20.000,00 auf X drauflegen. Das versteht man im Baurecht allgemein als sog. "Sowiesokosten", d. h. er hätte den Betrag für den Kamin, ungeachtet der Schätzung, sowieso aufwenden müssen. Ein echter "Schaden", ausser vielleicht Nachfinanzierungskosten, ist ihm aber nicht entstanden. Denn wenn er den Kamin unbedingt will hätte er die 20 k von Anfang an draufgelegt und wenn er sich dies nicht leisten kann von Anfang an drauf verzichtet.

    Anders kann dies freilich sein, wenn in der Abwandlung des Falles die Kostenschätzung Grundlage eines zu bildenden Pauschalpreises und der Baubeschrieb Teil des vertraglich geschuldeten ist. Denn dann hätte der Verkäufer € 20.000,00 mehr in die Pauschale einberechnet, wenn der Architekt richtig gearbeitet hätte. Dann haftet der Architekt auf Schadenersatz, also die notwendigen Mehraufwendungen, die nicht im Kaufpreis kalkuliert waren. Den Schaden bekommt er abzgl. Selbstbehalt dann aber wohl von seiner Berufshaftpflicht ersetzt.

    VG

    René
    René

  8. #8
    Freccione Avatar von blarch
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    Themenstarter
    OK dafür erst einmal vielen Dank.

    Wie schon gesagt, ging es nur um einen (zum Glück) fiktiven Fall. Aber da lag ich mit meiner Vermutung, dass der Architekt nicht die vollen 20.000,- zahlen muss sondern nur den entstandenen Schaden gar nicht so falsch.

    schönen Abend noch.
    Gruss Wolfgang
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