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  1. #1

    Dornblüth 2007 - Ein Werkstattbericht (Modemburner!)

    D. Dornblüth & Sohn

    Was gibt’s Neues in Kalbe? - Ein Werkstattbesuch 2007
    __________________________________________________ ________________________

    Es ist an der Zeit, mal wieder in Kalbe vorbeizuschauen. „Kalbe an der Milde“, so hatte ich vor drei Jahren meinen ersten Bericht begonnen, da müsse man mal hin, hätte mir ein Uhrenliebhaber empfohlen. So begann damals ein kleines Abenteuer auf der Suche nach handwerklicher Uhrmachertradition!

    Ein Bericht über meinen ersten Besuch in Kalbe 2004 ist hier nachzulesen.

    Es ist Herbst, als ich dieses Mal durch die weiten Landstriche des ‚Altmarkkreises Salzwedel’, etwa 50 Kilometer nordöstlich von Wolfsburg, unterwegs bin. Irgendwie kommt mir das Schweizer Jura mit all seinen Standorten der Schweizer Uhrenindustrie in den Sinn. Ja, hier im Altmarkkreis scheint alles genau so abgeschieden, ruhig, verträumt, fast etwas unwirklich zu sein wie im fernen Vallée de Joux. Die Landschaft ist karg, ein paar Orte fliegen vorbei. Nicht viel los in der Gegend, da bleibt Zeit, sich mit dem Uhrenbau zu beschäftigen.






    Die Straßen sind längst Langem auf dem sogenannten westlichen Niveau, und so kommt man dem Ort der Begierde schnell näher. Kalbe, endlich das Ortsschild, kurz dahinter eine kleine Reminiszenz aus alten DDR-Zeiten, der Trabi, liebevoll in eine Mauer eingelassen.







    Die Stadt selber, ein wenig verträumt, fast menschenleer. Es ist morgens gegen neun Uhr, sicher sind alle schon zur Arbeit. Morbider Charme mischt sich mit modernen Zutaten und renovierten Häusern. Kaugummiautomaten gegen eichene Fenster, Fachwerkkonstruktionen gegen vorgeklebte Rollladenkästen. Die Modernisierer haben ganze Arbeit geleistet.





























    Die alte Kirche. Sie heißen hier eigentlich immer ‚Nikolai-Kirche’, auch in Kalbe. Noch nicht ganz fünf vor zwölf zeigt die Kirchturmuhr an – wohl noch rechtzeitig ist man bei den Renovierungsarbeiten!











    Nach dem kleinen Exkurs durchs Dorf nähern wir uns – vorbei am Stammhaus der Dornblüths in der Ernst-Thälmann-Straße, in dem Dirks Vater Dieter heute noch seinen Uhrenladen betreibt, dem eher moderneren Teil Kalbes, der ‚Westpromenade’.




    Die Manufaktur wird zurzeit erweitert. Schon lange angekündigt, schon lange im Bau – aber der Uhrenbau geht eben vor! Untrügerisches Zeichen der Annäherung ist der hell erleuchtete Raum im Obergeschoss…






    …und das geübte Auge sieht auch schon gleich den Uhrmacher bei der Arbeit…






    Also hereinspaziert. Na ja, vielleicht eher hereingestolpert. Die Manufaktur ist Baustelle, schon eine ganze Zeit lang, aber was soll’s, zwischendurch muss man ja noch die eine oder andere Uhr zusammenbauen, da kann das Grobmotorische an der Kreissäge schon mal warten.






    Dornblüth ist ein Familienbetrieb. Man merkt es sofort am herzlichen Empfang, Dirk und seine Lebensgefährtin begrüßen mich an der Haustüre. Und als Erstes geht’s nicht in die Werkstätten, sondern – zum Frühstuck! Ja, die ‚Familie’ trifft sich – auch Liebe zu Uhren geht durch den Magen – am Frühstückstisch.






    Die ganze ‚Firma’ ist anwesend: Dirk und seine drei Uhrmacher, ein Techniker für die Bearbeitung von Gehäusen, Platinen usw., sowie die beiden Damen im Büro. Übrigens haben alle Uhrmacher bei Vater Dieter gelernt – um schließlich beim Sohn Dirk wieder unter einem Dach zu arbeiten!

    Und dann geht’s zum Manufaktur-Rundgang: Als Erstes gehen wir in die ‚Maschinenhalle’. Ja, es ist schon richtig, das hier ist im wahrsten Sinne des Wortes eine Manufaktur. Alles wird von Hand und mit Hilfe von zum Teil sehr alter Maschinen gemacht. Dirk hat diese vielfach auf Flohmärkten, bei sich zur Ruhe setzenden Kollegen oder einfach per Zufall gefunden.






    Eine alte Kopiermaschine, mit der Dornblüth neuerdings die Gravuren selbst auf Platinen und Brücken anbringt. So ist es möglich, auf ganz individuelle Kundenwünsche einzugehen.








    Eine Maschine zum Kopieren von Senkungen und Bohrungen. Rechts die ‚Musterplatte’, links wird das Werkstück eingespannt, und die Übertragung von rechts nach links erfolgt punktgenau.








    Und eine Maschine zum Herstellen der Zahnräder. In einen Messingstab werden zunächst Rillen eingefräst, sodass jeweils die Dicke der Zahnräder stehen bleibt. Dann werden waagerecht die Zwischenräume zwischen den einzelnen Zähnen ausgefräst,. Zum Schluss wird der Stab in viele kleine Zahnräder aufgeschnitten.






    Im ersten Geschoss des neuen Anbaus ist bereits das Uhrenatelier bezogen. So ganz hat noch nicht alles seinen Platz gefunden, vielfach bedient man sich noch aus Kisten und Kästen. Sechs Werktische, mit natürlichem und künstlichem Licht gut beleuchtet, bieten ausreichen Platz und die Möglichkeit, sich personell noch ein wenig auszubreiten.












    Das ‚Auftragsbuch’, immer griffbereit.




    Der Meister bei der Arbeit…










    …und noch ein paar Impressionen…






















    Wenden wir uns nun einer anderen Abteilung zu, der Abteilung, in der Gehäuse bearbeitet, Platinen, Brücken, Schwanenhälse, Schrauben und sonstige Einzelteile hergestellt, zugerichtet oder sonst wie bearbeitet werden. Der Raum ist unterm Dach des Altbaus untergebracht. Mancher wird sich noch an die Enge des seinerzeitigen „Besprechungszimmers“ erinnern. Auch hier gibt es allerlei bewundernswerte Maschinen, und einer der Mitarbeiter widmet sich im wesentlichen diesen Arbeiten.






    Hier sehen wir eine kleine Drehbank, auf der die Platinen auf den Hundertstel Millimeter genau plangeschliffen werden.










    Eine Vorrichtung zur Anbringung des Sonnenschliffs auf den Brücken und Platinen. Eine Kombination aus Maschinenbautechnik West (Proxxon) und Ost (Präzima).






    …und hier die Vorrichtung zur Vergoldung der Metallteile:






    Auch die Schwanenhälse zur Feinregulierung werden selbst hergestellt, wobei die Metallplatten mit den elektroerodierten Formen zugeliefert werden. Vor dem Ausbrechen der Teile aus der Platte werden die Löcher gesenkt, sodass die Senkkopfschrauben später exakt in die Vertiefung passen. Auch die Gewindebohrung für die seitliche Stellschraube werden bei Dornblüth hergestellt. Manufaktur eben. Eine wahrhaft fummelige Arbeit!












    Die Referenz 99.3 mit kleiner Sekunde, Gangreserve-Anzeige und Zeigerdatum. Eine Weiterentwicklung der Referenzen 99.1 (großes „kleines Datum“) und 99.2 (Gangreserve und kleine Sekunde).






    Hier die „Kleine Sekunde“ in der etwas kleineren Gehäuseausführung und mit dem Werk ‚04 Midi’, links die Rückseite des Stahlgehäuses, rechts die Ausführung mit Gelbgoldgehäuse.





    Und noch einmal die 99.4 links, mit kleiner Sekunde bei der ‚9’ und Zeigerdatum bei der ‚3’ und rechts die 99.3.





    Ein Blick ins Büro…




    …und der Ruhebereich im Garten…






    Und wer genau hingeschaut hat, der hat im Giebel des Anbaus hinter dem Gerüst versteckt ein quadratisches Fenster gesehen…







    Typisch Dornblüth, möchte man sagen: Demnächst wird diese Turmuhr in den Showroom eingebaut, und über Steuerwellen werden Zeiger eines dornblüthschen Zifferblatts hinter dem Giebelfenster die Zeit anzeigen, gut sichtbar von der Straße aus.




    So sind wir am Schluss unseres Rundgangs angekommen. Dirk Dornblüth verabschiedet mich, nicht ohne schnell noch zu erwähnen, dass es voraussichtlich nächstes Jahr einen weiteren Leckerbissen in der Kollektion geben wird. Streng geheim noch, versteht sich. Also wird mich wohl auch nächstes Jahr wieder auf den Weg in die Einsamkeit des Altmarkkreises Salzwedel machen und weiß, dass ich bei Dornblüths immer gerne gesehen bin.

    Wer mehr über Dornblüth und die einzigartige Manufaktur mitten in Sachsen-Anhalt wissen möchte, kann sich unter www.dornblueth.com informieren. Oder er ruft dort einfach mal an. Wenn’s nicht mitten beim Frühstück ist, wird man sich bestimmt aller Fragen gerne annehmen. Und am besten ist es, man schaut mal in Kalbe vorbei. Es lohnt sich!

    Und wer den Bericht als pdf-Datei haben möchte, hier steht er zum Laden bereit!
    77 Grüße!
    Gerhard

  2. #2
    Sea-Dweller
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    Klasse Bericht und tolle Bilder

    Die Dornblüth rückt immer näher, vllt kann ich sie bald mein Eigen nennen
    Gruß Ben



    We make a living by what we get, but we make a life by what we give
    - Winston Churchill

  3. #3
    Mil-Sub Avatar von miboroco
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    Danke dir, der Bericht ist ganz große Klasse
    Gruß: Michael (Er kennt nur Beute keine Feinde)
    „Ich habe es schon oft versucht, aber erst einmal eine Fliege mit einem Dart erwischt. Die hatte aber auch Pech.
    Die saß auf meiner Dartscheibe im Wohnzimmer. Genau in der Triple-20.“
    Phil Taylor "The Power"

  4. #4
    Freccione
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    GENIAL!! Super Bericht Gerhard, Danke fürs mitnehmen!!
    Gruß, Christian
    ------------------------------------------

  5. #5
    Gesperrter User
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    Sehr interessant, danke für den Bericht!

  6. #6
    Yacht-Master
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  7. #7
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    toller Bericht, schön das solche Erfolge auch für kleine Unternehmer noch möglich sind.

    Gruß

    Frank

  8. #8
    680g pures Fleisch! Avatar von GG2801
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    Auch hier einmal mehr vielen Dank fürs Mitnehmen und die tollen Impressionen !!!
    Gerald

    Wenn man mit seinem Zweitwagen zu seinem Drittwagen fährt und merkt, dass man den Schlüssel des Drittwagens in seinem Erstwagen vergessen hat, dann weiß man einfach: Man hat es geschafft.

  9. #9
    PREMIUM MEMBER Avatar von Rolifan
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    Klasse Bericht!!!!!!
    Ein richtiger Lude, das weiß jeder Anfänger im Gewerbe, trägt seinen Notgroschen am Handgelenk: eine Armbanduhr der Marke Rolex
    (Der Spiegel 02.05.1983)
    Beste Grüße Manuel

  10. #10
    Freccione Avatar von Knipser
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    Sehr schöner Bericht. Scheint eine Manufaktur mit sympathischen Menschen zu sein.

    Gruß
    Harry
    Harry

    "Wo ist James Bond, wenn man ihn mal braucht?"

  11. #11
    Freccione Avatar von hoppenstedt
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    Genialer Bericht und Fotos - nicht nur vom Ort & der Manufaktur, sondern auch von den Menschen. die Stimmung kommt gut rüber und macht Interesse nach mehr!

    Danke für die Mühe!!!
    Für mehr Zeit würde ich alle meine Uhren hergeben.
    Beste Grüße: Alfred


  12. #12
    ehemaliges mitglied
    Gast
    Erfrischend anders ! (Im Vgl. zu dem ueblichen Hochglanz-Gedoens).


  13. #13
    Steve McQueen Avatar von AndreasL
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    Klasse Bericht; Danke fürs Mitnehmen

  14. #14
    PREMIUM MEMBER Avatar von Edmundo
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    Schönste Stadt der Welt
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    Genialer Bericht. Danke!

    Dornblüth fasziniert mich schon immer. Ich glaube, ich muss mal da vorbeifahren und eine Dornblüth anprobieren.

  15. #15
    Day-Date Avatar von slimshady
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    4.036
    Super Bericht; danke fürs teilhaben lassen !
    Christian

    Jedem Menschen ist das Denken erlaubt, vielen bleibt es aber erspart.

  16. #16
    Geprüftes Mitglied Avatar von Maga
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    17.02.2004
    Ort
    aus dem schönen Baden
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    13.480
    vielen, vieln Dank ...

    Das ist eine deutsche Uhrenmarke, um die ich früher oder später nicht drumrum komme ...
    Ich bin immer für Sie da
    Markus

    "Ein Auto ist erst dann schnell genug, wenn man morgens davor steht und Angst hat es aufzuschließen" Walter Röhrl

  17. #17
    PREMIUM MEMBER Avatar von Darki
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    Bärlin
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    Danke für Deine Mühe, Gerhard und den Blick über den Tellerrand, den Du uns damit gestattet hast!

    Gruß
    Jens
    Viele Grüße, Jens



    Ein Leben ohne mechanische Armbanduhr ist möglich, aber sinnlos

  18. #18
    Day-Date Avatar von rosédaydate
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    Bernhard
    Bernhard

  19. #19
    Super-Moderator Avatar von NicoH
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    Super - vielen Dank!
    Ich will Immos, ich will Dollars, ich will fliegen wie bei Marvel.

  20. #20
    Comex Avatar von siebensieben
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    17.211
    Themenstarter
    Danke, danke, Leute, für die netten Worte. Ja, ich versuche halt, aus den Bildern mit etwas Text eine kleine Bildergeschichte zu machen. Und manchmal gelingt es wohl.
    77 Grüße!
    Gerhard

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