Wanderer zwischen den Welten (aus WamS)
Folgenden Artikel habe ich auf der Welt am Sonntag Homepage gerade entdeckt:
http://www.wams.de/data/2006/06/25/931071.html?s=1
Wanderer zwischen den Welten
Was haben Elle MacPherson und René Weller gemeinsam? Ihre Rolex. Keiner anderen Uhrenmarke gelingt es, so extrem unterschiedliche Käuferschichten anzusprechen
Es gibt nur zwei Plätze auf der Welt, an denen man keine Rolex tragen sollte. Erstens beim Wassersport in der Bucht vor dem Hotel "Le Saint Géran" auf Mauritius. Dort, auf dem Meeresgrund im Indischen Ozean, wurden bereits Dutzende Luxusuhren bei Wasserski-Stürzen für immer versenkt. Der Boden ist einfach zu schlammig, als daß je eine Uhr wiedergefunden würde. Zweitens am sogenannten Rolex Beach auf Ibiza.
Hier, direkt in der Einflugschneise für Party-Touristen aus aller Welt, liegen billig wirkende Menschen mit ihren teuren Uhren. Oder anders gesagt: Hier ist genau der Schlag Rolex-Besitzer versammelt, der als Werbeträger für den Genfer Konzern nicht taugt - und der alle gängigen Klischees unterstützt. Um nur zwei zu nennen: "Rolex-Träger sind laut." Oder: "Alles Angeber".
Und so ist es ja auch. Manchmal zumindest. Der Ex-Boxer René Weller zum Beispiel trägt seine goldene Yachtmaster zu Karottenjeans und Bomberjacke. Passend zum Boxhandschuh mit Brilli-Verzierung, der an einer massiven, goldenen Kette um seinen Hals hängt. Selten wirkte eine Rolex geschmackloser.
Andererseits gibt es die Bilder von Supermodel Elle MacPherson. Braungebrannt am Strand der Bahamas-Insel Harbour Island, beim Fotoshooting für die Sports Illustrated Swimsuit Edition 2006. Sie trägt einen weißen Bikini. Und eine goldene Daytona. Nie war Rolex glamouröser, stilsicherer.
Mythos Rolex. Das ist ein Image zwischen Scheinwerferlicht und Rotlicht. Zwischen Feingeist und Proll. Keine andere Luxus-Uhr wird von so vielen, so verschiedenen Menschen begehrt wie eine Rolex. Gemunkelt wird, daß die Schweizer Manufaktur eine Million Uhren pro Jahr verkauft, mehr Gold als jede andere Uhrenfirma verarbeitet und dabei rund zwei Milliarden Euro umsetzt. Zum Vergleich: Die italienische Konkurrenz von Officine Panerai stellt im selben Zeitraum nur 30 000 Uhren her.
Genaue Zahlen über Rolex erfährt die Öffentlichkeit allerdings nicht. Das Unternehmen ist eine private Gesellschaft und pflegt seine geheimnisvolle Aura. Interviews mit dem Geschäftsführer? Gibt es nicht. Unternehmensführungen? So gut wie ausgeschlossen. Jahresgewinn? Streng geheim.
Bekannt ist hingegen: Der Dalai Lama ist Rolex-Träger. Ludwig Erhard war es. Party-Macher Michael Ammer ist es immer noch - trotz Insolvenz. Und Schlagersänger Rainhard Fendrich hatte seine beim Koks-Entzug auf Mallorca dabei. Der Revolutionär Che Guevara besaß eine, Fidel Castro auch - obwohl beide ideologische Probleme mit Luxus-Labels haben dürften. Und in Hamburgs Blankenese, im Berliner Grunewald oder in München-Grünwald gilt eine Rolex als adäquates Geschenk zum Abitur. Oder als Belohnung fürs Nicht-schon-wieder-Sitzenbleiben.
Irgendwie scheint also jeder eine Rolex zu haben oder zu tragen, und damit hat Rolex das geschafft, was Volkswagen seit Jahren versucht. Horizontale Expansion. Um die ganze Angebotspalette vom Kleinstwagen zur Oberklasse abzudecken, versuchen die Wolfsburger ihren Phaeton zu etablieren. Aber die Luxuslimousine von VW hat ein Image-Problem. Sie ist einfach zu sehr Golf. Zumindest im Hinterkopf der anspruchsvollen Käufer.
Eine Hemmschwelle, die Rolex-Käufer nicht zu kennen scheinen, auch wenn es bei dem Uhrenhersteller die gesamte Angebotspalette gibt. Preislich wie geschmacklich. Die Genfer verkaufen schlichte Uhren aus Stahl, Einstiegspreis 2515 Euro. Was, um beim VW-Vergleich zu bleiben, ungefähr der Polo-Klasse im Luxus-Segment entspricht. Aber Rolex hat auch goldene, brillantbesetzte Modelle mit Armbändern in Tigerfell-Optik. Das teuerste Modell im aktuellen Katalog kostet 181 455 Euro. Dafür gibt es aber auch Spitzenqualität.
Denn Rolex, das waren einmal Meilensteine der Uhrmacherkunst. In Genf wurde 1905 die erste Armbanduhr entworfen, neun Jahre später bestätigte man dem Unternehmen, erstmals eine Armbanduhr mit der Präzision eines Marine-Chronometers geschaffen zu haben. 1926 dann der größte Erfolg: Rolex läßt sich die weltweit erste wasserdichte Uhr patentieren - die berühmte Oyster. Noch heute trägt die wichtigste Linie des Hauses diesen Namen. Daß die Rolex-Uhrmacher in letzter Zeit nur wenige große Neuerungen hervorgebracht haben, egal. Denn noch immer bestätigen Juweliere, daß die Qualität der Genfer Uhren gegenüber vielen ihrer Mitbewerber herausragend sei.
Außerdem steht Rolex für Kontinuität. Das Design der besagten Oyster-Linie hat sich über die Jahrzehnte nur behutsam verändert. Eine Rolex ist ein Design-Klassiker und deshalb auch die meistkopierte Uhr der Welt. Für vermögende Single-Männer gilt der Tip: Legen Sie für den Disco-Besuch ihre elegante, unauffällige, 100 000 Euro teure Grande Complication in den Safe. Tragen Sie lieber eine Stahl-Rolex. Denn die wird wenigstens von Frauen als ein Statussymbol erkannt. Weltweit.
Gerade das wird für die Firma Rolex allerdings mittlerweile zum Problem. Eine Rolex zu tragen, das wirkt mitunter fast einfallslos. Weil es einfach so viele - echte, falsche oder nur ähnlich ausschauende - gibt. Und weil man kein Uhren-Experte sein muß, um sich für eine Rolex zu erwärmen.
Dennoch gibt es viele Gründe, weshalb die unterschiedlichsten, vermögendsten Menschen am Ende ihre Kaufentscheidung zugunsten einer Rolex treffen. Der vielleicht einleuchtendste Grund dürfte allerdings keine Rolle spielen - weil er den wenigsten bekannt ist. Und vom Uhrenimperium aus der Schweiz auch nicht propagiert wird. Dabei steht fest: Wer Rolex kauft, tut Gutes. Wenn auch auf Umwegen. Denn weil der Firmengründer Hans Wilsdorf keine Kinder hatte, brachte er sein Unternehmen in eine Stiftung ein. Und dieser fließen die Gewinne des Hauses in erster Linie zu. Aktuell unterstützt die Stiftung unter anderem SOS-Kinderdörfer und Umweltschutzvorhaben. Rolex tragen mit reinstem Gewissen ist also möglich. Und schön funkeln tun sie obendrein. Alexander Stilcken
Artikel erschienen am 25. Juni 2006
RE: Wanderer zwischen den Welten (aus WamS)
Hay Flo,
ganz schön viel für die Uhrzeit ( 01: 52 Uhr) dennoch ein sehr interesannter Artikel!
danke fürs einstellen :gut:
RE: Wanderer zwischen den Welten (aus WamS)
Zitat:
Original von Ralph
Hay Flo,
ganz schön viel für die Uhrzeit ( 01: 52 Uhr) dennoch ein sehr interesannter Artikel!
danke fürs einstellen :gut:
dito, Danke dir :gut:
RE: Wanderer zwischen den Welten (aus WamS)
Interessanter Artikel, schön geschrieben und in vielen Belangen auf den Punkt gebracht.
Nur mit einem Absatz bin ich nicht wirklich klargekommen.
Es kommt so rüber als hätten die Uhren des unteren Preissegmentes eine weniger gute Qualität als die "Einstiegsmodelle"
Dabei wird aber meines Erachtens aussen vorgelassen, dass der Preisunterschied im Wesentlichen nur aufgrund der verwendeten Materialien (Edelmetalle,Edelsteine etc.) zustande kommt. Das ist aber meiner Meinung nicht gleichbedeutend mit Verarbeitungsqualität. Wenn man mal ehrlich ist, ist die eine zusätzliche komplikation der DD nicht wirklich so viel komplizierter/teurer als eine DJ.Diese gibt es allerdings auch in schnödem Stahl.
Ein wenig irreführend also dieser Absatz - oder was denkt ihr???
Zitat:
Original von Flo777
Die Genfer verkaufen schlichte Uhren aus Stahl, Einstiegspreis 2515 Euro. Was, um beim VW-Vergleich zu bleiben, ungefähr der Polo-Klasse im Luxus-Segment entspricht. Aber Rolex hat auch goldene, brillantbesetzte Modelle mit Armbändern in Tigerfell-Optik. Das teuerste Modell im aktuellen Katalog kostet 181 455 Euro. Dafür gibt es aber auch Spitzenqualität.
Ob man von Rolex als wirklichen Luxusuhrenhersteller sprechen kann kommt doch wohl immer auf den Betrachtungswinkel an. Vor Allem im Vergleich zu Patek, VC, Blancpain, AP und Breguet mit Ihren Grande Complications und Ewigen Kalendern. Da kommt doch eine schlichte "Drei Zeiger Uhr" oder ein Chronograph eher popelig daher, auch wenn diese mit über und über Edelsteinen besetzt sind!
Gruss,Oliver
RE: Wanderer zwischen den Welten (aus WamS)
Zitat:
Original von [Dents]Milchschnitte
Dabei wird aber meines Erachtens aussen vorgelassen, dass der Preisunterschied im Wesentlichen nur aufgrund der verwendeten Materialien (Edelmetalle,Edelsteine etc.) zustande kommt. Das ist aber meiner Meinung nicht gleichbedeutend mit Verarbeitungsqualität.
Der Einfluß des höheren Materialpreises rechtfertigt an und für sich noch keine derartige Preisdifferenz ... die Verarbeitungsqualität ist bei einer DD im Wesentlichen schon um Einiges höher als bei einer DJ ...
Was nun größere Komplikationen angeht ... vor einiger Zeit habe ich mich mit dem Vertreter einer kleineren Manufaktur in Wien unterhalten und gefragt, warum ein bestimmtes Modell nur in Gold angeboten wird und nicht in Stahl .... Antwort: die Entwicklung eines neuen Werkes im Rahmen einer kleineren Manufaktur ist so extrem aufwändig, daß der Preisunterschied nicht ins Gewicht fallen würde ... ich bin mir nicht mehr sicher, ob ich die Zahlenrichtig im Kopf habe ... so weit ich mich erinnere ging es um 25-30k für das Modell in Gold ... er meinte, für ein Modell in Stahl müßten sie immer noch um die 20k verlangen und da würde die Klientel, die sich von einer solchen Uhr angesprochen fühlt, wohl gleich zum Gold-Modell greifen ...
RE: Wanderer zwischen den Welten (aus WamS)
Mir gefällt Dieser Satz-->
"Und in Hamburgs Blankenese, im Berliner Grunewald oder in München-Grünwald gilt eine Rolex als adäquates Geschenk zum Abitur.
Oder als Belohnung fürs Nicht-schon-wieder-Sitzenbleiben." :D
Ansonsten sollte man dem, was im Feuilleton noch dazu in der "Springerpresse" steht, nicht zuviel Bedeutung beimessen :muede: