So jetzt:
Bitte verzeiht, wenn ich im Folgenden, vielleicht etwas sehr ausführlich, ein mittlerweile typisches Erlebnis mit meinem Verwandten erzähle.
Letztens hatte ich ein bis dahin entspanntes Gespräch mit meinem beratenden Verwandten. Irgendwann erzählte ich aus meinem Erfahrungsbereich. Wir haben in Reutlingen am oberen Ende der Fußgängerzone eine Goldschmiede. Trauringe sind ein elementarer Bestandteil unseres Sommerumsatzes und helfen uns damit über die saure Gurkenzeit in der ersten Jahreshälfte. Abgesehen davon, daß sich jedes Jahr die Regeln wie in der Formel1 ändern und man genau auf tektonische Verschiebungen im Geschäft achten muss, um nicht was zu verpassen gibt es jedoch Konstanten. Eine erwähnte ich ohne zu ahnen, welche Diskussion ich damit auslösen würde.
Ich hatte bei der permanent durchgeführten Analyse (ich führe sorgfältig Buch und notiere das auf den Kostenvoranschlägen) der erfolgreichen und nichterfolgreich abgeschlossenen Beratungsgespräche verschiedene Faktoren für den Erhalt des letztendlichen Zuschlags ausgemacht. Aus den Informationen, die ich unauffälig abfrage, kann ich ableiten, daß Trauringinteressenten im Allgemeinen so gut wie alle in Frage kommenden Geschäfte unserer Fussgängerzone abklappern. Neben der gefühlten Qualität der Beratung und sonstiger Faktoren spielt eine wesentliche Rolle, ob meine Beratung bedingt durch unsere Endlage in der Fussgängerzone am Schluss, oder ganz zu Beginn des "Abklapperns" lag. Ob die Durchschlagskraft unserer Argumente vorherige Gespräche überstrahlen konnte, oder, im Gegenteil, im Laufe der folgenden Gespräche langsam verblassten. Kurz gesagt sind wir die erste Anlaufstelle =40% - sind wir die letzte= 75%.
Diese schlichte und wenig wichtige Ableitung provozierte überraschend zur Gegenrede. "Das glaube ich nicht." Auf den Einwand, daß da eigentlich eine Statistik existiert, die diesen Schluss aufdrängt, kam das absolute Totschlagargument: "Unternehmer, wie Du, neigen dazu sich vehement hinter ihren Glaubensgrundsätzen zu verbarikadieren. Die Folge ist die allseits bekannte Beratungsresistenz"
OK - das kann ich mir sogar gut vorstellen.
Mein beratender Verwandter übersah allerdings Folgendes: Obenzitierte These macht sich letztendlich auch ersteinmal verdächtig nichts anderes als ein Berater-Glaubensgrundsatz zu sein. Dogmen dieser Art haben die für die Beratenen unangenehme Eigenschaft den Berater auf einer überlegenen Schiedsrichterebene zu positionieren.
Ich glaube die Angst davor durch solche Totschlagmethoden in die Zwangsrolle des gläubig Beratung-Annehmenmüssenden zu geraten, macht es Vielen schwer sich für diesen Berufsstand zu erwärmen. Noch dazu, wenn, wie in meinem Falle, die restliche Diskussion nur noch obenzitierte Glaubensgrundsätze und ihre verheerenden Folgen im Gegensatz zum segenspendenden Einsatz eines guten Beraters zum Inhalt hatte. Das war ein schon fast scientologisches Erlebnis. :D
Ich bin sicher, daß gute Bearter durch ihre Perspektivveränderung richtige Ansätze zur Erneuerung von Strategien finden helfen. Ich bin auch sicher, daß viele Firmen nicht mehr existieren würden, wenn nicht gute Berater geholfen hätten. Ich glaube aber auch , daß der schlechte Ruf viel mit Borniertheit (nicht Arroganz) und gezielt eingesetztem Wissensdarwinismus via typischer Bedraterterminologie zusammenhängt.