Zitat von
tat2art
Danke für den Report und die vielen Peking Bilder!
Ich bin Anfang Mai wieder dort und darf mich dann mit der Hitze herumschlagen (Winter ist nicht die schlechteste Zeit für Peking, auch wenn es eben kalt ist).
Freue mich aber trotzdem drauf!
Zu Deinem Bericht:
Ich möchte hier auf keinen Fall eine politische Diskussion lostreten, aber vielleicht interessieren Dich ja selbst einige Hintergrund Infos zum Gezeigten.
Während der Nuller Jahre war ich oft und auch länger in Peking, da meine damalige Partnerin (heute promovierte Ethnologin am Max Planck Institut) dort studiert hat.
Im Fokus ihres Interesses als angehende Ethnologin und Sinologin lag damals das Verschwinden traditioneller Lebensweisen in chinesischen Großstädten.
In dem Zusammenhang haben wir öfters Zeit in den Hutongs verbracht, die damals rapide platt gemacht wurden.
Diese oft zwangsweise Entfernung der Wohnbevölkerung aus wirtschaftlich wichtigen urbanen Zonen haben übrigens auch viele europäische Städte (z.B. Speicherstadt Hamburg) durchgemacht.
Übrig sind heute nur noch einige Vorzeige Hutongs, durch die per Rikscha Touristen aus nah und fern an Boutique Hotels und schicken Geschäften vorbei kutschiert werden.
Das will ich gar nicht be- oder gar verurteilen, da die Lebensverhältnisse dort tatsächlich nicht gerade hygienisch waren. Allerdings verschwand mit den Hutongs auch viel Gemeinschaftsgefühl in der Nachbarschaft, das sich nicht 1:1 auf die heutigen Wohntürme (wohin die Bevölkerung, wenn sie Glück hatte, verfrachtet wurde) übertragen ließ.
Dass es zumindest an einigen wenigen Orten in der Stadt renovierte (oder vollkommen neu aufgebaute!) "Hutongs" gibt, ermöglicht zumindest, dass die damalige Lebensweise nicht ganz vergessen wird.
Nun zum Yonghegong (Lama Temple):
Unbestritten ist dieser eine der Hauptattraktionen für Besucher der chinesischen Hauptstadt, sowohl aus dem Aus- als auch Inland.
Er war tatsächlich seit dem 17. Jahrhundert ein zentraler spiritueller Ort des Reiches und ist daher historisch wie architektonisch extrem wichtig.
Nur: Ein wirklich aktiver tibetisch-buddhistischer Tempel ist er nicht mehr. Oder zumindest war er es in der Zeit meiner häufigen Besuche dort (ca. 2003-2008) nicht.
Die Mönche, die man dort sieht oder sah, waren - trotz ihres Aussehens - keineswegs tibetische Geistliche, sondern ganz normale Chinesen, die um 16:30 Feierabend machten, sich umzogen und nach Hause zu ihren Familien gingen!
Meine Ex, welche die Sprachen beider Völker schon damals fließend beherrschte, konnte das während ihrer Studienbesuche im Yonghegong eindeutig feststellen, wenn sie den Gesprächen dieser Leute dort lauschte oder ihnen gar Fragen zu Ritual und Geschichte des Tempels stellte.
Auch die vielen "tibetischen" Souvenirs, die in den Geschäften rundherum verkauft werden, haben den Himalaya nie erblickt und sind wohl eher in Yiwu oder Guangzhou entstanden als in Lhasa.
Was allerdings super und empfehlenswert rund um den Yonghegong ist, sind die ausgezeichneten vegetarischen Restaurants, die sich auf die (eher südostasiatisch-) buddhistische Tradition des fleischlosen Essens beziehen. Dagegen: Viele tibetische Mönche - einschliesslich HHDL - essen tatsächlich durchaus Fleisch!
Allerdings habe ich mitbekommen, dass die tibetisch-buddhistische Religion im urbanen China sehr populär geworden ist, und der Yonghegong nun tatsächlich auch wieder Pilger anzieht, wenn auch nicht unbedingt Tibeter aus Tibet.
Das Thema politisch in China anzusprechen ist übrigens ziemlich zwecklos; auch junge gebildete Chinesen haben keinerlei Verständnis für "separatistische" Tendenzen.