Einige Antworten auf diese Fragen kann ich Euch gerne noch erzählen. Ich hoffe nur, ich langweile Niemanden damit.
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Luigi L. hatte wie schon erwähnt sein wahres Glück in der 5513 gefunden.
Fortan trug er sie Tag und Nacht, sogar zum Schlafen legte er die Uhr niemals ab. Jedesmal, wenn er Nachts wach wurde, versuchte er am immer noch leuchtenden Tritium die Zeit abzulesen. Ob er noch ein wenig weiterschlafen konnte oder ob es schon Zeit war, ans Frühstück zu denken. Sogar beim Sex mit seiner Frau trug er die Uhr stets am Arm.
In seinem Beruf als Architekt trug er stets Anzug und Krawatte, natürlich modisch korrekt immer mit langen Ärmeln. Manchmal fand er es schade, dass die langen Ärmel die Sicht auf die Uhr verdeckten, manchmal war er aber auch ganz froh darum, dass seine Kunden seine Uhr nicht sahen und neidvolle Blicke an seinem Arm kleben blieben.
Die langen Hemdärmel hatten aber auch den Vorteil, dass die Uhr geschützt wurde und so manches Mal, als er an Türkanten, Hauswänden oder beim Einsteigen in seinen feuerroten Alfa hängenblieb war er eigentlich ganz froh darum, dass seiner Uhr nichts passiert ist.
Somit blieb seine 5513 stets in in einem guten Zustand und sah auch nach Jahren noch aus wie neu.
Einige Jahre später, an Weihnachten 1994 überraschte ihn seine Frau mit einer neuen Rolex, einem wunderschönen Turn-O-Graphen mit schlichtem Stahlarmband und einem modischen silbernfarbenen Tapestripe-Blatt, die sie weinge Tage zuvor beim gleichen Konzessionär in Triest gekauft hatte, wo auch er schon neun Jahre zuvor vorstellig war.
Von da an trug er fast nur noch den Turn-O-Graphen. Nicht nur, weil ihm die Uhr nicht minder als seine 5513 gefiel, sondern vor allem auch deshalb, weil es ein Geschenk seiner auch nach zwei Kindern und Jahren der Ehe heißgeliebten Frau war.
Seine 5513 trug er nur noch selten, aber im Urlaub war sie stets sein treuer Begleiter. Vor allem, wenn es wie jeden Sommer an die Cote d'Azur ging, genauer gesagt nach St. Tropez. Hier kam die 5513 zumindest am Hotelpool und gelegentlich beim Schwimmen und Schnorcheln im Meer ein wenig mit der Materie in Berührung, für deren Existenz sie eigentlich gebaut wurde: Wasser!
So auch im Jahr 2005, als er zum mittlerweile 27. Mal seinen Urlaub dort verbrachte. Die Kinder waren schon längst erwachsen und gingen zumindest was den Urlaub anging ihre eigenen Wege. Er genoss den Urlaub zu zweit mit seiner Frau und freute sich schon jedes Jahr auf ein Neues, wenn der Urlaub anstand.
An einem Nachmittag schlenderten Sie gemeinsam durch die Altstadt von St. Tropez, als er plötzlich vor dem Schaufenster eines kleinen Uhren- und Antiquitätenladens in einer Seitenstraße wie angewurzelt stehen blieb. Seine Frau zog an seinem Arm und wollte weiterlaufen, doch er konnte nicht mehr Anders.
Was hatte ihn so plötzlich erstarren lassen?
In dem Schaufenster lag eine 16610LV. Die erste, die er je zu Gesicht bekommen hat.
Irgendein Freund hatte ihm zwar kurz zuvor erzählt, es gäbe seine Uhr jetzt auch in grün, aber so richtig glauben konnte er es nicht. Und nun lag sie vor ihm, getrennt durch eine dicke Panzerglasscheibe.
Die grüne Lünette der 16610LV erinnerte ihn spontan an die grün funkelnden Augen seiner Frau. Noch nie zuvor hatte er so etwas gesehen geschweige denn einen Gedanken daran verschwendet, eine Uhr mit der Farben der Augen seiner Frau zu vergleichen.
"Da will ich 'rein, die muss ich sehen!", sagte er zu seiner Frau, die mehr oder weniger gelangweilt ihrem Mann hinterhertrottete.
Der Händler freute sich über die Kundschaft in seinem Laden, denn trotz Hochsaison war wenig los in St. Tropez. Offensichtlich lockte die Hitze die Touristen eher ins Meer als zum Bummeln in die Stadt.
Nach kurzer Betrachtung stand seine Entscheidung fest. "Die Uhr will ich kaufen!", sagte er zu seiner Frau, die zu seiner eigenen Verwunderung nichts gagegen einwand und ihm sogar noch zusprach. "Wenn sie Dir so sehr gefällt, dann kauf' sie Dir eben. Ich find' sie auch schön."
Beim anprobieren legte er seine alte 5513 auf den Tisch und der Uhrenhändler wurde auf das gute Stück aufmerksam. "Was machen Sie mit Ihrer alten Uhr", fragte er Luigi. "Die behalte ich", gab er zur Antwort.
Daraufhin machte ihm der Uhrenhändler darauf aufmerksam, dass er seine alte 5513 gerne in Zahlung nehmen würde und machte ihm einen fairen Preis.
Nach kurzem hin und her mit seiner Frau dachte er sich, warum eigentlich nicht. Schließlich hatte ihm die Uhr bis zu diesem Tag treue Dienste erwiesen, aber das Angebot des Uhrenhändlers war fair und er hatte ja eine neue Liebe gefunden.
Kurzum einigte man sich auf einen Ankaufspreis, und er verlies nur wenige Minuten später die Laden mit einer in der Nachmittagssonne von St. Tropez strahlend grün leuchtenden Submariner, deren Existenz ihm eine Stunde zuvor noch nicht einmal bewusst war.
Einige Tage später und wieder zu Hause in Triest angekommen schickte er dem Uhrenhändler die Box und Papiere in einem kleinen Päckchen hinterher, sowie sie es kurz zuvor vereinbart hatten.
Auch seine neue 16610LV trug er fortan Tag und Nacht und auch beim Sex blieb diese Uhr wie die andere Uhr auch schon fest mit seinem Arm verbunden.
Luigi ist heute mittlerweile 66 Jahre alt und arbeitet nur noch gelegentlich als Architekt. Zumeist nimmt er nur die Aufträge an, die ihm Spaß machen und Freude bereiten. Seine beiden Kinder stehen mittlerweile im Berufsleben und kommen nur noch gelegentlich in ihrem alten zu Hause vorbei.
Seinem roten Alfa und dem alljährlichen Sommerurlaub in St. Tropez ist er treu geblieben. Immer wenn er am Schaufenster des Uhrenhändlers in den Sommermonaten vorbeischaut, muss er sich an seine alte 5513 erinnern. Etwas wehmütig, manchmal sogar etwas traurig.
Allerdings sind Wehmut und Trauer nur von kurzer Dauer und bereits nach ein paar Schritten, wenn er aus dem Schatten der Seitenstraße in das grelle Licht der Hafenpromenade eintaucht erinnert ihn das grüne funkeln seiner 16610LV, die er nun auch schon seit zehn Jahren am Arm trägt immer wieder an die Augen seiner Frau.
Aber nur zu gerne wüsste Luigi L., was aus seiner 5513 wurde...