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Prof. Rolex
Hi Stephen,
Dein Beitrag begeistert und entsetzt mich gleichermaßen. Du hältst der Fangemeinde auf ausgesprochen subtile und teilweise kryptische Art den Spiegel vor und was dort zu sehen ist, ist teilweise tatsächlich bedenklich. Insbesondere Dein Resume wird hoffentlich nachdenklich stimmen (setzt natürlich Denkfähigkeit voraus) und dazu führen, daß nicht mehr jede auch noch so merkwürdige Uhr kritiklos “bewundert” wird.
Der von Dir sehr treffend beschriebene “Händlerpool” ist sicher ein Haifischbecken, in das sich nur begeben sollte wer selbst ein Hai ist oder zumindest deren Verhaltensweise sehr gut kennt, denn gutmütige Delphine werden gnadenlos gefressen. Wobei ich verschämt zugeben muß, daß ich für manche aus diesem “Händlerpool” eine gewisse Bewunderung hege, denn einige beherrschen den Vertrieb und das damit verbundene Erzeugen des “Habenwollen”-Effektes meisterlich. Die leider immer wieder vorkommenden Betrugsfälle sind hiervon natürlich ausgenommen.
Und was das, nennen wir es einmal “Posen” betrifft, so fühle auch ich mich ertappt. Wo sonst bekomme ich beispielsweise für meine gute, alte 1655 eine solche Aufmerksamkeit gepaart mit Begeisterungsstürmen? Im “richtigen” Leben wird höchstens einmal gefragt was denn das für eine merkwürdige “Kirmesuhr” sei und das ist dann doch wirklich frustrierend. Nicht anders ergeht es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit den Besitzern anderer “Vintage”-Uhren, denn auch eine in unserem Sinne angemessene Bemerkung über beispielsweise eine PN-Daytona (die “andere” Kirmesuhr) ist wohl so selten wie ein Kugelblitz, von irgendwelchen “domed”-Plexigläsern, roten Schriftzügen, etc. will ich gar nicht sprechen. Und Stephen, was Deine “arabischen” Rolex betrifft, so werden diese im Alltag höchstens eine Anti-Terror-Einheit auf den Plan rufen, aber sicher keine Begeisterungsstürme auslösen.
So wird auch der von Dir dargestellt Mechanismus des “bewussten Hypens” verständlich, denn die angemessene Aufmerksamkeit für unsere Uhren erhalten wir nur in den einschlägigen Foren oder auf den von Dir angesprochen Treffen. Da können wir uns dann selbst feiern, was im “richtigen” Leben eben doch meist schwerfällt (“Jetzt fängt der schon wieder mit seinen häßlichen und überteuerten Uhren an!”). In dem sehr begrenzten Feld der Foren ist es dann auch kein großes Problem mehr, die von Dir angesprochenen “Hype”-Effekte zu erzeugen, die dann durch die “Meute” (da schließe ich uns alle ein) potenziert werden.
Nur dadurch können auch die Preise für die entsprechenden Uhren erzielt werden, denn außerhalb der entsprechend konditionierten Sammlerwelt erkennt niemand was wir da so am Handgelenk herumtragen. Es gibt ja auch wirklich keinen rationalen Grund für einen Handaufzugschronographen mit einem massenweise gefertigen Fremdkaliber und einer dem damaligen Zeitgeist geschuldeten merkwürdigen Zifferblattausführung Preise im Bereich leibhaftiger Luxuslimousinen zu bezahlen, wobei die Luxuslimousine im Alltag wenigstens noch höchst komfortabel und sicher von A nach B fährt und dabei auch noch von jedem erkannt wird. Es ist daher auch kein Zufall, daß der richtige “Vintage-Hype” erst mit dem Internet und den aufkommenden Uhrenforen begann, denn vorher war es doch recht mühsam und zeitintensiv Gleichgesinnte zu finden und kollektives “Hypen” war nahezu unmöglich.
Selbstverständlich sagen wir, daß der Grund für unsere Rolex-Leidenschaft die Technik, das Design (?!) und die überragende Qualität der Uhren ist. Aber sind wir doch einmal ehrlich, natürlich wollen wir auch etwas Aufmerksamkeit für unsere Uhren haben und freuen uns über entsprechende Bewunderung. Ich gebe dies gerne zu, finde auch nichts Verwerfliches dabei und einen gewissen “Prestige”-Effekt des Rolex-Tragens gebe ich ebenfalls gerne zu. Wir sind sicherlich alle Opfer geschickter Marketing-Strategien, die Emotionen wecken und uns ein “gutes” Gefühl vermitteln in das richtige Produkt investiert zu haben. Ferdinand Piech hat einmal gesagt: “Gäbe es keine Emotionen, würden wir alle Toyota fahren”, auf Uhren übertragen: ”Gäbe es keine Emotionen, würden wir alle Casio tragen”…..
Gruß
Matthias