Zitat von
adriano22
Etwas drastischer ausgedrückt lautet das Credo von Michaels Konzi-Uhrmachers doch," Rock das Werk runter bis zum bitteren Ende, bis die Gangwerte völlig aus dem Ruder laufen,die Uhr gar stehenbleibt, und im Werk massive Schäden entstanden sind. Erst jetzt greifen wir ein und "reparieren" das Ganze. Könnte schlußendlich ein paar Kreuzer billiger sein als die Uhr regelmäßig und gewissenhaft zu pflegen". Ich kann einfach nicht glauben, daß dies die "Philosophie" eines gelernten Uhrmachers, bzw. eines sogenannten "Uhrenliebhabers"ist. Bevor die oben genannten Effekte, wie z.B. massive Gangabweichungen oder gar das Stehenbleiben der Uhr eintreten, läuft die Uhr schon lange Zeit im "Notlaufmodus". Damit meine ich mit annähernd nicht mehr vorhandener Schmierung, weder am Räderwerk, noch an den Unruhzapfen (Stoßsicherung), noch am Gang (zwischen Gangrad und Ankerpaletten)oder am Rotorlager etc.
Die Tatsache, das speziell ein Rolexwerk überhaupt so lange durchhält hat folgende Gründe: Die Aufzugfeder ist äusserst kräftig dimensioniert, liefert ein hohes Drehmoment, das wiederum führt, unter anderem, zu den sehr guten Gangergebnissen dieser Werke.Wenn die Schmierung des sogenannten Gleitzaums ("Rutschkupplung") der Aufzugfeder nachläßt, also zwischen diesem Gleitzaum und der Innenwandung des Federhauses erhöhte Reibung vorliegt, rutscht die Feder erst bei höherer Spannung nach, als es im korrekt geschmiertem Zustand der Fall wäre. Somit wird das Drehmoment was an das Räderwerk weitergereicht noch höher, was die immer noch recht hohe Amplitude auch bei schlechtem Schmierungsstatus erklärt. Die starke Feder ist also Fluch und Segen zugleich.Segen, weil sie gute, stabile Gangwert ermöglicht, Fluch weil sie auch die völlig unzureichend geschmierte Mechanik noch "ungesund" lange antreibt. Ausserdem schwingt eine Unruh annähernd isochron, so daß auch bei eher mäßigen Amplituden noch ganz gute Gangresultate zu beobachten sind.Was auch schon beobachtet wurde ist, daß so mancher "schlauer" Uhrmacher eine stärkere Zugfeder einbaute, um sich eine korrekte, zeitaufwendige Revisionsarbeit zu ersparen.
Nun zur Aussage " Moderne Uhrenöle verharzen nicht mehr ", daß ist generell richtig. Nur bedeutet das nicht, daß sie nicht ebenso verschleißen, was meint daß die Öle mit der Teit ihre Viskosität und ihre rheologischen Eigenschaften (Fließeigenschaften) verändern, und somit ihre Schmierfähigkeit einbüßen, und das nicht erst nach 10 Jahren oder mehr.Die flüchtigen Bestanteile verdunsten das Öl wird dickflüssiger, es vermischt sich mit Abrieb, gerät irgendwann zur regelrechten Schmirgelpaste.Der Schmierungseffekt verkehrt sich ins Gegenteil.
Hier nun ein konkretes Beispiel: Die Schmierung des Unruhzapfens, eines hoch beanspruchten Teiles, speziell bei "Schnellschwingern" wie es z.B. das Kal. 3135 darstellt, 28800 Hs/h. Ein kleines Rechenexempel: 28800 Hs/h bedeuten 28800 Hs/h *24*365*10= 2.522.880.000 Halbschwingungen in 10 Jahren !! Die Schmierung dieses sehr feinen Zapfens, der einen Durchmesser kleiner als 0,1 mm hat wird über die sogenannte Ölblase, einem winzigen Öltropfen im Stoßsicherungslager, zwischen Loch- und Deckstein gewährleistet. Dieses Öl ist nach ca. 5 - 6 Jahren nicht mehr in flüssiger Form vorhanden, ab diesem Zeitpunkt läuft dieser Zapfen f**ztrocken in seinem Steinlager. Das dieser Umstand der hochglänzend, druckpolierten Oberfläche dieses Zapfens nicht gerade zuträglich ist, bedarf wohl keiner weiteren Erklärung.Und die Unruh samt Spirale wird eben bei einer Revision nicht getauscht. Übrigens ein sehr hochpreisiges Teil.
Ähnlich verhält es sich z.B. bei der unteren Lagerbohrung für den Federkern bei 15er-Kalibern. Dieser besteht lediglich aus einer Bohrung in der Grundplatine, also ohne eingepresste Bronzebuchse oder Steinlager. Dieses Lager wird ebenfalls mit Öl geschmiert. Dieser Federkern ist bei einem Werk mit automatischem Aufzug so gut wie ständig in Bewegung, da ja der Rotor beständig Aufzugarbeit leistet. Büßt nun das Öl seine Schmierungseigenschaften ein läuft diese Lagerbohrung aus, verliert das Federhaus seine Führung, es bekommt seitliches Spiel schleift an der Grundplatine und an der Unterseite der Brücke. Ebenso ist der korrekte Eingriff zwischen der Federhausverzahnung und dem nächsten Rad nicht mehr gewährleistet.
Dies sind Beispiele dafür, daß durch unsinnig lange Revisionsintervalle Beschädigungen am Werk entstehen, die nicht durch den Austausch von "ein paar Rädchen", wie es immer so schön heißt, zu beheben sind.Eine Revision stellt eine notwendige und sehr sinnvolle Pflegemaßnahme dar, die langfristig dem Erhalt des funktionstüchtigen Zu-
standes des gesamten Werkes dienen. Um zu ermitteln, ob den ein Uhrwerk der Revision bedarf ist es sicher nicht sinnvoll nur auf den Gang oder die Amplitude zu schielen. Man muß schon noch viele andere Parameter in seine Entscheidung mit einbeziehen. Nur die Uhr "gschwind" auf die Zeitwagge zu schnallen, mit der Aussage "läuft doch, alles in Ordnung" ist schlicht unprofessionell und ist von einer umfassenden, aussagekräftigen Diagnose Lichtjahre entfernt.
Da kaufen sich die Leute eine Uhr für viele Tausend Euro und sind nicht willens diesen bewundernswerten kleinen Maschinen, die Tag für Tag Höchstleistungen vollbringen, alle paar Jahre ein bißchen Pflege im Sinne von Reinigung und Schmierung zukommen zu lassen, was bei einem guten freien Uhrmacher ja auch durchaus bezahlbar ist.
Auch das "Forumsgesetz", daß bei Rolex irgenwelche Zauberer oder begnadete Künstler sitzen, die wahre Wunder vollbringen, die ein freier Uhrmacher "draussen" unmöglich hinbekommt, kann man getrost in den Bereich der Märchen verbannen. Es werden x-fach Threads gepostet über Mikrokratzer, Orangenhaut, Fussel etc. aber im Inneren, im Herzen der Uhr, am Werk, schabt und reibt und scheppert es das es einen graust. Das ganze noch abgesegnet von irgendwelchen unproffesionellen Kommentaren, leider allzu oft ausgesprochen von Uhrmachern.
Was ich leider auch sehr oft lese ist die Aussage, daß ein Uhrmacher, der einem zu einer Revision rät, grundsätzlich ein Abzocker und Täuscher ist,der dem arglosen Uhrenfreund auf diesem Wege, bar jeglicher tatsächlicher technischer Notwendigkeit, das sauer verdiente Geld aus der Tasche zieht. Also die Kollegen, die ich so um mich habe würden niemandem irgendetwas aufschwatzen,wenn die Uhr noch "ok" ist, wird dem Kunden das so mitgeteilt.Ich hoffe, daß dieser Beitrag ausführlich und erhellend genug ist, und meine zugegeben, bösen Kommentare auch fachlich untermauern.
Schönen Abend euch allen !! Adriano22;)