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Die strafrechtliche Verjährung der Steuerhinterziehung
Verfasser: Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht Rüdiger Spormann, Düsseldorf
Die strafrechtliche Verjährungsfrist bei Steuerhinterziehung beträgt 5 Jahre; dies auch dann, wenn es sich um eine Steuerhinterziehung in einem besonders schweren Fall handelt.
Anders allerdings bei einer gewerbsmässigen Steuerhinterziehung ( § 370 a AO ), die als Verbrechen - nicht mehr nur als Vergehen - ausgestaltet ist, und bei der demzufolge die strafrechtliche Verjährung erst nach 10 Jahren eintritt.
Die in diesem Aufsatz behandelte in der Abgabenordnung und dem Strafgesetzbuch geregelte strafrechtliche Verjährung ist von der steuerrechtlichen Verjährung (also der Möglichkeit für die Finanzverwaltung, einen Steuerbescheid nachträglich zu ändern) zu unterscheiden; letztere kann wesentlich länger sein.
Bei der Beurteilung der strafrechtlichen Verfolgungsverjährung einer Steuerhinterziehung sind Beginn, Unterbrechung und Hemmung der Verjährung bedeutsam.
Beginn der Verjährung
Der Lauf der fünfjährigen strafrechtlichen Verjährungsfrist beginnt mit dem Zeitpunkt der Beendigung der Steuerhinterziehung (§ 369 Abs. 2 Abgabenordnung in Verbindung mit § 78 a des Strafgesetzbuchs); die genannten Gesetze werden im folgenden als "AO" bzw. "StGB" zitiert.
Die Hinterziehung von Veranlagungssteuern (z.B. Einkommensteuer) ist nach allgemeiner Auffassung mit der Bekanntgabe des ersten - wegen der Falschangabe unrichtigen - Steuerbescheides beeendet.
Wenn also für das Jahr 1993 eine unrichtige Einkommensteuererklärung abgegeben wurde und die Veranlagung durch das Finanzamt im April 1994 erfolgte, wäre die Steuerhinterziehung ab Mai 1999 strafrechtlich verjährt.
Soweit zur Steuerhinterziehung durch aktives Tun, also Begehen (Abgabe einer unrichtigen Erklärung).
Wer hingegen steuerbare Einnahmen oder etwa Mehrwertsteuerbeträge vereinnahmt, ohne jemals irgendeine Steuererklärung abzugeben, verwirklicht eine Steuerhinterziehung nicht durch aktives Tun (Begehen), sondern durch Unterlassen.
Nach der insoweit festen Rechtssprechung des Bundesgerichtshofs soll für den Zeitpunkt des Beginns der Verjährung in solchen Fällen darauf abgestellt werden, wann durch dieses Verhalten die Vollendung der Steuerhinterziehung eingetreten ist.
Hierzu sind folgende Grundsätze entwickelt worden:
- Bei Umsatzsteuerhinterziehung durch Unterlassen wird auf die gesetzliche Abgabefrist abgestellt, d.h. hinsichtlich der Jahreserklärung auf den 31.05. des Folgejahres bzw. hinsichtlich der monatlichen Umsatzsteuervoranmeldungen auf den 10. des Folgemonats abgestellt.
- Bei der Einkommensteuererklärung durch Unterlassen wird auf den Zeitpunkt abgestellt, zu dem in dem zuständigen Finanzamt für diese Art Steuerpflichtiger die Veranlagung für das betreffende Jahr "im großen und ganzen" abgeschlossen war. Dies kann regional je nach den Gegebenheiten sehr unterschiedlich sein und dazu führen, daß die fünfjährige strafrechtliche Verjährungsfrist für Einkommensteuer 1993 etwa erst im Jahre 1996 zu laufen beginnt.
Unterbrechung der Verjährung
Durch bestimmte strafprozessuale Handlungen kann der Lauf der Verjährung einmal oder auch wiederholt mit der Folge unterbrochen werden, daß die Verjährung von neuem zu laufen beginnt. Die an sich fünfjährige Verjährung kann dadurch bis zu einem Zeitraum von maximal 10 Jahren verlängert werden (§ 78 c Abs. 3 StGB).
Wichtig und praxisrelevant ist, daß die Verjährung auch dadurch unterbrochen wird, daß dem Beschuldigten die Einleitung eines Steuerstrafverfahrens oder auch nur eines Bußgeldver- fahrens bekannt gegeben wird (§ 376 AO).
Die Verjährungsfrist beginnt in einem solchen Fall neu zu laufen, und zwar bis zur angege- benen Höchstgrenze von 10 Jahren.
Weitere Unterbrechungen der Verjährung sind in § 78 c StGB geregelt. Die Verjährung wird danach zudem unterbrochen etwa durch jede richterliche Vernehmung des Beschuldigten oder allein nur deren Anordnung, jede richterliche Beschlagnahme- oder Durchsuchungsanord- nung, den Erlaß eines Haftbefehls, die Anklageerhebung und anderes mehr.
Hemmung der Verjährung
Im Gegensatz zur Unterbrechung der Verjährung, die den Lauf der Verjährungsfrist jeweils von neuem in Gang setzt, spricht man von einer Hemmung der Verjährung, wenn der Lauf der Verjährung vorübergehend angehalten wird, ohne danach von neuem zu beginnen.
Juristisch spricht man insofern auch vom Ruhen der Verjährung, gesetzlich geregelt in der Vorschrift des § 78 b StGB.
In Steuerstrafsachen ist die Verjährung strafrechtlich gehemmt, wenn die Steuerstrafsache gemäß § 396 Abs. 1 AO bis zum Abschluß des Besteuerungsverfahrens - also der Steuerveranlagung - ausgesetzt wird ( § 396 Abs. 3 AO).
Problematische Fallgestaltungen
Schon die vorangestellten Grundzüge der steuerstrafrechtlichen Verjährungsproblematik lassen erkennen, daß es im Einzelfall durchaus problematisch sein kann, die Frage der strafrechtlichen Verjährung sicher zu beurteilen.
Man denke an die dargelegte Rechtsprechung zum Verjährungsbeginn bei einer Steuerhinterziehung durch Unterlassen (s.o.).
Daß es im Wirtschaftsleben besondere Fallgestaltungen gibt, die eine besondere Verjährungs- problematik aufwerfen, wird niemanden wundern. Man denke etwa an Personengesellschaften in Rechtsform der GbR, bei denen sich im Falle unrichtiger Veranlagung auf Grundlage eines zu niedrigen Feststellungsbescheides der Beginn der Verjährung nicht nach dem Datum des Feststellungsbescheides, sondern nach dem Zeitpunkt der unrichtigen steuerlichen Veranlagung der Mitgesellschafter bestimmen kann; dies kann unter Umständen eine Verschiebung des Verjährungsbeginns um Jahre bedeuten. - Dies kann insbesondere für die Initiatoren der "Abschreibungsgesellschaft" erhebliche Folgen haben, etwa wenn sie sich wegen mittelbarer Steuerhinterziehung starfbar gemacht haben, die fünfjährige Verjährungs- zeit aber erst sehr spät in Gang gesetzt wurde.
Andererseits lohnt es sich natürlich aus Sicht des Verteidigers, die Frage der Verjährung eingehend zu prüfen und unter Umständen zum zentralen Thema der Verteidigung in einer Steuerstrafsache zu machen.
Hier ergeben sich strategische Chancen, die es im Sinne des Mandanten zu nutzen gilt.
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