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Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Rechnen Sie mit einer sukzessiven Einschränkung des Bargeldverkehrs in den nächsten Jahren?
Norbert Häring: Das läuft seit Jahren und ist erklärtes Programm. In Deutschland ist der Widerstand besonders groß, deshalb wird hier langsam und vorsichtig vorgegangen, so wie das Anfang des Jahres die Autoren eines IWF-Papiers empfohlen haben. Versuchen Sie mal größere Bargeldbeträge von Ihrem Bankkonto abzuheben, wie Ihnen das eigentlich zusteht. Ich empfehle es nicht. Schon wenn Sie häufiger über tausend Euro abheben, oder – noch schlimmer – ein bisschen weniger als tausend Euro, könnte Ihnen das Konto gekündigt werden, weil Sie in Geldwäscheverdacht geraten. Den Händlern wird der Umgang mit Bargeld verleidet, indem es mit absurden Regeln immer teurer gemacht wird. In weiten Teilen Europas gibt es bereits Obergrenzen für Barzahlungen. Die halte ich übrigens für europarechtswidrig, weil Euro-Banknoten das gesetzliche Zahlungsmittel im Euroraum sind. Ein Staat darf doch den Bürgern nicht verbieten, mit dem gesetzlichen Zahlungsmittel der EU zu bezahlen. In Griechenland zahlt man inzwischen schon eine Steuerstrafe, wenn man zu viel bar bezahlt, und man muss Bargeld anmelden, das man zu Hause hat. Die Deutsche Bahn will die Fahrkarte abschaffen und nur noch per Handy abrechnen. Der Verkehrsminister will für den Nahverkehr eine „Deutschlandkarte“ einführen. Auf Festivals, im Stadion, beim Finanzamt und auf vielen anderen Ämtern kann man nicht mehr bar bezahlen. Es gibt noch viel mehr Beispiele – und es werden fast täglich mehr.
Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Würden wir mit dem Bargeld auch ein Stück Freiheit – und damit letzten Endes auch ein Stück Demokratie – aufgeben?
Norbert Häring: Das ist der Hauptgrund, warum ich mich für das Bargeld engagiere. Wer von dem Ausmaß der weltweiten Überwachung durch die Geheimdienste gehört hat, der muss doch extrem naiv sein, wenn er akzeptiert, dass alle unsere Finanztransaktionen digital und überwachbar werden. Überwachbar heißt überwacht. Da gibt es kaum noch einen Unterschied. Und die Zahlungsdaten werden immer feiner, weil immer genauer abgerechnet wird. Wer ist genau wann und wo in welchen Zug oder welchen Bus gestiegen und wann ist er wo wieder ausgestiegen? Wer hat wann und wo ein Fahrrad gemietet und wann und wo wieder abgestellt? All das muss schon zu Abrechnungszwecken aufgezeichnet werden. Was wir im Laden oder im Internet kaufen, erfährt künftig nicht nur die Bank und der Händler, sondern auch noch der Mobile-Payment-Anbieter und womöglich die Kreditkartenfirma, mit der er zusammenarbeitet. Und alle sind mindestens so sehr an der Verwertung und dem Verkauf dieser Daten interessiert, wie an den Gebühren. Wer hat eine heimliche Geliebte und ist damit erpressbar? All das können Geheimdienste dann fast auf Knopfdruck von jedem wissen. Für die Demokratie ist das verheerend.
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