Downhill mit Downsyndrom - geht das? - (oder:da ist eine Sache die mir nicht gefällt)
Hallo zusammen,
heute möchte Euch gerne von etwas erzählen, was mich sehr freut und sehr stolz macht. Ich bin in letzter Zeit überwiegend stiller Mitleser, weil ich viel arbeite und aber auch versuche viel Zeit mit meiner Familie zu verbringen. Uhrentechnisch bin ich versorgt, Wartelisten und Uhren zu doppelten Listenpreisen haben mir auch ein bisschen die Lust genommen.
Aber egal, darum geht es hier nicht. :flauschi:
Es geht hier um etwas sehr erfreuliches, auch wenn der zweite Teil des Titels es nicht vermuten lässt.
Vor fast 16 Jahren (Dez. 2009) wurde bei unserem ungeborenen Sohn Simon das Downsyndrom (Trisomie 21) festgestellt. Damals schrub ich meine Gefühle auf und postete sie auch in einem anderen Forum, in dem es sehr persönlich zuging. (Da hatte ich mit Rolex noch nix an der Brause)
Wer Lust hat, kann sich das gerne durchlesen,
Da ist eine Sache die mir nicht gefällt.
Dies waren die Worte der Ärztin beim 3D-Ultraschall am Freitag, den 18.12.2009 um ca 10.30 Uhr, die uns den Boden unter den Füßen weggezogen haben.
Eigentlich wollten Nadine (meine Freundin) und ich nur den Geburtstermin und das Geschlecht unseres Nachwuchses bestimmen lassen, doch es sollte anders kommen:
Nach der „normalen“ Untersuchung fielen dann die o.g. Worte mit dem Verdacht auf Trisomie21 sprich „Down-Syndrom“ da das Nasenbein nicht richtig ausgeprägt war/ist.
Die folgenden 4 Stunden liefen dann wie in Trance ab. Uns ist eine sofortige Fruchtwasseruntersuchung nahegelegt worden die wir dann auch sofort machen haben lassen. Die lief auch recht krass ab, da der zweite Arzt sich schon ziemlich sicher war und nun am besten auch Nabelschnur-Blut haben wollte um das Endergebniss des Testes zu beschleunigen. Leider hat dies nicht so geklappt. Und da sitzt man daneben, sieht auf dem Bildschirm sein Sohn (das wussten wir mittlerweile) und daneben eine „riesige“ Nadel. Unfassbar. Unwirklich.
Tja... dann hieß es abwarten. Der Schnelltest sollte trotzdem Abends schon vorliegen - die Stunden bis dahin waren geprägt von Eltern/Geschwister informieren, heulen und funktionieren was die Arbeit angeht. Jedenfalls fingen da die schwersten Stunden unseres Lebens an. Man hatte uns schon gesagt das wir - wenn das End-Ergebniss vorliegt - uns entscheiden dürfen/müssen... Und das in der 20sten Woche - das Kind ist 300-400g und 30cm groß - Alles dran - lebensfähig!
Um 21.00 Uhr haben wir dann den Anruf erhalten, dass sich der Verdacht bestätigt hat - Zack - das letzte Fünkchen Hoffnung weg.
Taub - Dumpf - Heulen - Fluchen - Versuchen aufzuwachen - Leere
Warum wir? Angst! Angst die richtige Entscheidung zu treffen - Angst egoistisch zu sein - Angst zu einem anderen Entschluss wie der Partner zu kommen - Angst davor, kurz vor Weihnachten Gott spielen zu dürfen!
Das komplette Wochenende bestand dann darin sich mit den Menschen zu unterhalten die am engsten bei einem stehen: Familie und die Freunde.
Auch hier die gleiche Ohnmacht - und immerwieder Tränen!
Unsere Gedanken schwankten mit der Tageszeit: Kommen lassen - Abruch - Wir schaffen das - Ich kann das nicht - usw. Im Prinzip immer im Kreis.
Montag morgen ging es dann zur „normalen“ Frauenärztin zur Nachuntersuchung wegen der Fruchtwasseruntersuchung. Hier wurde uns dann erklärt wie ein möglicher Abruch aussehen sollte: Nadine hätte bei bei vollem Bewusstesein wehenfördernde Mittel bekommen und hätte das Kind ganz „normal“ bekommen müssen. Ob es dann nachher oder vorher getötet würde spielt für uns dann auch keine Rolle mehr...
Am 21.12.2009 haben wir uns dann quasi ein zweites Mal für unser Kind entschieden! Wir hätten (Nadine wahrscheinlich noch weniger) mit einem Abruch leben können, denn dieser ist unwiderruflich und mit einer Brutalität verbunden die alles andere in den Schatten stellt.
Den Weg den wir nun gehen werden wird mit Sicherheit kein leichter sein. Wir werden ein Behindertes Kind bekommen. Wir schwer die Behinderung wird, kann niemand sagen. Aber wer weiß schon was alles bei einem „normalen Kind“ passiert... Vielleicht wird ja mein Sohn der erste MTB-Downhiller mit „Down“-Syndrom... Das wärs doch, oder??? :-)
Wir gehen nun offensiv und offen damit um, auch um anderen die Angst zu nehmen mit uns umzugehen. Das wäre nämlich ein Problem was ich hätte.
relevant für diesen Thread ist aber einer meiner letzten Sätze damals: Vielleicht wird ja mein Sohn der erste MTB-Downhiller mit „Down“-Syndrom... Das wärs doch, oder??? :-)
Nunja. Der junge Mann wird im Februar 16, hat sich prächtig entwickelt und ist überaus ehrgeizig und sportlich. Neben Trampolinspringen und Parcour ist das Filmen und Schneiden von Videos ein großes Hobby. Und außerdem liebt Simon es, mit dem Rad zu fahren. Klar, ich leb es vor und auch sein Bruder ist dem MTB-Virus verfallen - aber nie habe ich versucht, ihn in Richtung meiner damaligen Aussage zu führen.
Im letzten Jahr bin ich mit ihm ein, zwei Runden in Winterberg gefahren und da war er dann auch endgültig angefixt. Und wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hat, dann zieht er das durch. Wir sind also dieses Jahr auf dem Pumptrack unterwegs gewesen und auch im Urlaub saßen wir viel auf dem Rad.
https://up.picr.de/50168902qn.png
Einen Besuch auf dem Pumprack kann ich übrigens jedem Biker empfehlen. Unabhängig ob man in den Bikepark will oder nicht.
Am Montag war es dann soweit. Meine Frau war nicht da und wir haben unseren ersten Bikeparktrip ins Sauerland nach Winterberg gemacht.
Für meine Ansprüche nicht mehr der beste Park, aber die Anfängerstrecken bieten genau das, was Simon zunächst benötigt. Er muss die im Pumptrack erlernten Techniken auch im (leichten) Gefälle und auf Erde umsetzen.
https://up.picr.de/50169018he.png
Die Konditionen hätten besser sein können. Es war leicht matschig und warm war es auch nicht. Beste Voraussetzung dafür, in der ersten Runde in Kurve 5 schon zu stürzen. :kriese:
Da hab ich gedacht, das war's. Aber weit gefehlt:
https://up.picr.de/50168993fv.png
Wir ca 12 Abfahrten gefahren. Insg. 1500 Tiefenmeter bei 30Km (inkl. Lift)
Klar, wirklich Downhill war es nicht wirklich - wenn man aber bedenkt, dass die meisten Aktivitäten für Menschen mit Trisomie 21 ein Vielfaches schwerer sind, war das die verdammte Red Bull Hardline ;)
Seinen Bruder Jonas (12) konnte man natürlich mit so seichten Trails nicht locken - er hat sich einer anderen Gruppe angeschlossen und ist die roten und schwarzen Strecken gefahren. Sein Vorhaben, zum ersten Mal das Roadgap zu springen, konnte er auch erledigen. Gut, wenn man einen Papa hat, der ihn "rüberzieht".
https://up.picr.de/50169050sz.png
Ein rundum gelunger Tag, der mir gezeigt hat, wieviel Simon im Stande ist zu leisten.
Ich sooo stolz auf ihn.
Selbstverständlich mussten wir das Ganze auch im Video festhalten, gemeinsam schneiden und im Anschluss auf seinen YouTube-Kanal geladen werden. Schaut mal gerne mal rein und wenn Ihr ihm eine Freude machen wollt, hinterlasst eine Nachricht, ein Like und folgt ihm. Ist mal was anderes als bei einer Umfrage teilzunehmen. ;)
https://youtu.be/ffZ-Fx61xFE?si=9UCbn0FwPejUw8uh
Das war's auch schon. Ich hoffe es gefällt Euch genau so gut wie mir und ihr hattet Freude beim Lesen.
Beste Grüße
Sebastian