Käpt’n Percy und das Ewige Eis - die längste Reise meines Lebens...
Was für eine Scheissidee! Hättest du nicht einfach mal die ****** halten können, wie dies schon einst Dieter Nuhr empfahl? Aber nein. Einmal nicht nachgedacht. Und jetzt sitze ich hier. Und warte auf meinen Flug. Es ist der Vierte seit gestern Mittag.
Was war passiert? Letzten Monat erzählte mir ein Kollege von einer Traumreise, die er demnächst beruflich machen werde. Respektive vielleicht auch nicht, denn sein Terminplan könnte ihm noch einen Strich durch die Rechnung machen. „Wenn’s nicht klappt, gib‘ einfach Bescheid. Dann fahr‘ ich für Dich.“ erwiderte ich, mehr aus Spaß. Ein paar Wochen später dann der Anruf: „Habe alles geklärt. Du fährst!“ DAFUQ?!?!
Die Herausforderung: wie gelangt man binnen 36 Stunden von einem Schiff, das in Gran Canaria liegt, zu einem anderen Schiff an der Chilenischen Küste? Gar nicht mal so einfach.
Insgesamt 34 Stunden werde ich unterwegs sein, bis ich meine Enddestination erreicht habe. Dazwischen liegt die längste Reisezeit meines bisherigen Lebens. Der längste Flug. Die erste Äquator-Überquerung (die habe ich natürlich vollkommen verschlafen). Drei Kontinente binnen 24 Stunden.
Mein Handgepäck besteht aus zwei Kameras, vier Objektiven und zwei Badehosen. Der Rest ist verstaut in zwei Koffern, die hoffentlich die insgesamt vier Flüge wohlbehalten überstehen. Wenn nicht, habe ich ein Problem. Ein großes Problem. Denn: ein Schiff wartet nicht. Und zwei Badehosen, und seien sie auch noch so hübsch anzuschauen, sind nicht die angemessene Bekleidung für das, was ich vor habe: eine Reise ans Ende der Welt.
Käpt’n Percy und das Ewige Eis. Stay tuned.....
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Ich hatte einen Denkfehler in meiner Rechnung. Es sind nicht 36 Stunden Zeit, vom einen Schiff zum Anderen zu kommen. Es sind 34 Stunden. Ein ziemlich fataler Denkfehler. Aber dazu später.
Mein Weg weg von der AIDAnova auf Gran Canaria war klar geplant. Zunächst nach München, dann nach Frankfurt. Von dort aus nach Buenos Aires und dann weiter nach Santiago de Chile. Heutzutage kein Problem. Sollte man meinen.
Stutzig werden hätte ich bereits können – und sollen – als mich das Buchungssystem der Lufthansa beim Check-In mittels App mehrfach herauswarf. Also ran an den Schalter in Gran Canaria. Und diesen mit meinem Anliegen denn auch gleich eine Stunde lang blockieren. Zeitweise vier Flughafenmitarbeiter kümmern sich um mein Anliegen, während die Business Class Gäste hinter mir langsam die fiesesten und qualvollsten Tötungsmethoden für mich ausdenken. Gott, wie unangenehm.
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Nach einer Stunde dann ein Teilerfolg. Ich erhalte zumindest mal eine Bordkarte bis München. Für den ersten Trip der Reise. In München soll ich dann die Lufthansa fragen, wo das Problem liegt. Alles klar.
Zu meiner Freude gibt es noch ein Upgrade auf die Business Class. Damit sitze ich dann zwar exakt inmitten der Leute, die mich eben noch lynchen wollten aber – egal. Schwieriger: die Belgische Familie direkt hinter mir, dessen Säugling nicht nur alle 48 Sekunden einen Schrei-Anfall bekommt (dagegen helfen Kopfhörer), sondern sich kurz vor Ankunft noch einmal richtig deftig in die Windeln.... aber lassen wir das.
In München erhalte ich dann, neben vielen interessanten Infos, meine Weiterflüge betreffend, tatsächlich meine restlichen Bordkarten. Auf geht’s nach Frankfurt. Mit gehöriger Verspätung und – einem Gangplatz. Ganz weit hinten. Ich fliege viel. Ich fliege gerne. Der Vorteil eines Gangplatzes erschließt sich mir allerdings auch heute nicht. Nachdem sich meine Schulter diverse Male abwechselnd von Rucksäcken und – sorry – fetten Ärschen gepunched sieht, flippe ich fast aus. Ich denke abwechselnd an Michael Douglas in Falling Down und Jack Nicholson in Anger Management. Letzterer überwiegt zum Glück. Nach Frankfurt ist es ja nur ein Katzensprung. Goooooosfrabaaaah!
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Nächste Ernüchterung bei Ankunft. Der Flug nach Buenos Aires beginnt an den C-Gates. Ich lande an A. Die beiden Teile des Frankfurter Flughafens sind im Sicherheitsbereich nicht miteinander verbunden. Also raus aus A, nach vorne stapfen und alles nochmal von vorne. Auf diese Weise schrumpft der einst beruhigende Zwischenstopp erneut zu einer knappen Geschichte.
Wenigstens eine Brezn geht sich aber doch noch aus. Interessant: von der Lounge an den C-Gates kann man direkt zum Flugzeug. Das startet dann auch überpünktlich. Mein erstes Mal 747-8. Platz 82A im Oberdeck ist extrem empfehlenswert. Meilen ausgeben, selten sinnvoller als für ein Upgrade auf einem 14 Stunden Flug.
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Die Businessclass Bestuhlung der Lufthansa wird ja auch hier im Vielfliegerthread ab und an belächelt, mir reicht’s zum Schlafen. Mehr brauch‘ ich nicht. Nach 8 Stunden davon erwache ich gerade rechtzeitig zum Sonnenaufgang über Brasilien. Meine erste Äquatorüberquerung habe ich somit wie gesagt verschlafen.
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Ankunft in Buenos Aires und die Frage: was ist nun mit meinem Gepäck. Man kann jenes nämlich nur über drei Stationen einchecken. Mehr sieht das Baggage Tag nicht vor. Sprich in Argentinien wäre Schluss für meine zwei Koffer. Raus aus dem Sicherheitsbereich, Koffer holen, anstellen, Koffer abgeben, wieder Sicherheitskontrolle. Und das Alles in etwa anderthalb Stunden.
Eine liebe Servicemitarbeiterin der Lufthansa sagt mir, dass sie mein Gepäck doch durchchecken könne. Somit weniger Stress für mich. Doch – klappt das auch? Ein Freund schreibt mir parallel, dass EZE, neben Paris CDG der schlimmste Flughafen sei, was Gepäck angehe. Super! Manche Infos will man lieber gar nicht hören.
Am Schalter der Latam erhalte ich dann meine neuen Gepäckabschnitte und man bestätigt mir auch nochmal, dass die Koffer an Bord seien. Na dann, nix wie los zum letzten Teilstück der Reise nach Santiago de Chile.
Dort angekommen warten gefühlt ca. 5.000 Personen an der Immigration. Die Schlange ist zwar dauernd in Bewegung und Gratis Wifi lässt die Zeit kürzer erscheinen, dennoch dauert es ewig, bis ich durch bin.
Auf zum Gepäckband, von Weitem sehe ich schon meine beiden Koffer, ab durch die Zollkontrolle und – Geschafft!! Ich bin da! Jetzt kann nichts mehr schiefgehen. Eigentlich.
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Ein Fahrer wartet mit einem Schild der Reederei. So hieß es. Tut er aber nicht. Dichtestes Gedränge, hunderte Menschen mit Schildern, keiner für mich. Ich laufe zum anderen Ausgang, auch dort nichts. Verdammt! Unter der mir mitgeteilten Telefonnummer ist ebenfalls niemand zu erreichen. Was bleibt? Taxi.
Ein Taxi Mensch fragt, wohin ich will. Er leitet mich zu einem zweiten Fahrer, der zu einem dritten. Es geht zu einem Taxi. Allerdings nicht dem ersten in der Reihe, sondern Wagen Nummer fünf oder sechs. Seltsam.
Ich schaue mir das Auto an. Es ist das Einzige in der Reihe, wessen Kennzeichen sowohl vorne wie auch hinten abmontiert sind. Gedanklich schaue ich mich selbst einmal an. Mich kleinen Volldepp, der er da steht mit Louis Vuitton und Rimowa bestückt, mit Rolex am Arm und zwei Einstecktüchern im edlen Jacket. Logisch. Ich wäre sicherlich ein dankbar leichtes Opfer. Irgendwie – ungut.
Wie kommste da jetzt raus? Ich sage meinem Fahrer, dass ich keinerlei Bargeld dabei hätte und daher unbedingt mit Kreditkarte zahlen müsse. Er fragt nochmal nach: „You have no Cash?“ No! Er geht zum Kofferraum und lädt mein Gepäck wieder aus. „Take another one“. Aber gerne doch. Sehr sehr gerne.
Der erste Taxifahrer in der Reihe nimmt sich meiner an. Er trägt eine gelbe Weste mit irgendwas wie „Official Santiago Taxi“ drauf. Passt. Los geht’s. Die Nutzung von Google Maps seinerseits bringt ebenfalls ein gutes Gefühl. Ankunft am Hafen: 16:19 Uhr. Abfahrt des Schiffes: 17:00 Uhr. Jetzt darf nichts mehr schiefgehen.
Während der Fahrt will er weitere Informationen von mir. Problem dabei: er spricht kein Wort Englisch, ich kein Wort Spanisch. So unterhalten wir uns mittels Google Translator. Schöne neue Welt.
Ankunft im Hafen von San Antonio. Es stellt sich heraus, dass er einfach eine Straße eingegeben hat, aber keine Ahnung hat, wo das Passagierterminal ist. Das Schiff ist auch noch so klein, dass man es zwischen den Kränen und Hafengebäuden nicht sehen kann.
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Er fragt nach dem Weg, ich halte derweil Ausschau. Irgendwann sehe ich sie dann, die Seabourn Quest. Wir fahren zum Terminal. Es ist 16:30 Uhr. Mein Versuch, den Hafenmitarbeitern klar zu machen, man möge beim Schiff Bescheid sagen, dass ich nun da bin, scheitert.
„No Sir, Ship is already gone” WHAT????!!!! “Sorry Sir, 4 PM was end. It’s gone.” NOOOOO!!!!!
Gedanklich sehe ich mich bereits mit meinen Koffern an der Pier sitzen und der Quest nachwinken, als ich jemanden in Uniform erblicke. „Mr. Schoeler? Glad you made it. We’re waiting for you.” Na Gott sei Dank!
Schnell durch die Sicherheitskontrolle und über die sich bereits im Abbau befindliche Gangway an Bord. Check-In dann später, Seenotrettungsübung auch verpasst, kaum bin ich auf meiner Kabine, legen wir auch schon ab. Das war verdammt knapp!
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Nach einem Negroni an der Bar bei Sonnenuntergang bestelle ich mir noch ein Club Sandwich auf die Kabine. Mehr geht heute einfach nicht. Vollkommen erledigt falle ich ins Bett. Was für ein Tag!
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