Anmerkungen zur neuen „Pepsi“ 116719BLRO
Liebe Rolex-Fans,
nun ist es also endlich soweit, Rolex hat auf der Baselworld 2014 zur (zunächst überwiegend) großen Freude der Fangemeinde eine neue GMT-Master II mit der so lange erwarteten blau/roten „Pepsi“-Lünette vorgestellt.
Aber was ist das?! Die neue „Pepsi“ ist nur in einer Weißgoldversion lieferbar und der Preis ist daher naturgemäß „etwas“ höher als für eine Stahluhr. Der Schock sitzt tief, der Unmut ist groß und Rolex wird von einigen Mitgliedern als arrogant, völlig verrückt und geistig umnachtet bezeichnet. Bei genauerer Betrachtung stellt sich aber heraus, daß die Entscheidung eine „Pepsi“ in Weißgold auf den Markt zu bringen nur konsequent ist. Und dies hat technische und damit verbunden natürlich auch wirtschaftliche Gründe, die ich versuchen werde in diesem (sehr textlastigen) Beitrag zu erläutern.
Bereits vor einem Jahr habe ich in einem anderen Beitrag zum Ausdruck gebracht, daß das große Problem in der Keramikfarbe „rot“ liegt. Die Verfahren zur Herstellung von schwarzer, blauer oder auch grüner Keramik sind seit längerem bekannt und diese Keramikfarben sind mit einem einigermaßen vertretbaren Aufwand herzustellen. Bisher war es jedoch nicht gelungen rote Keramik zu erzeugen, aber Rolex hat vor einiger Zeit ein ausgesprochen komplexes Verfahren zur Herstellung roter Keramik patentieren lassen. Nachfolgend erlaube ich mir kurz aus der Patentschrift zu zitieren, um die Problematik der roten Keramik zu verdeutlichen:
“In particular, it is difficult, if not impossible, to obtain to date certain ranges or varieties of red that are strong, bright and stable through time. Numerous tests have been done in this matter, including using coated nanoparticles, especially silica-coated nanoparticles as pigments, but the final ceramics obtained are still known to have muddy and "dirty" colors, rather similar to an undefined brown. The object of the invention precisely aims to overcome these disadvantages by precisely proposing timepiece components, jewels or jewelry pieces made in ceramic in the entire range of desired colors, particularly in the red range.”
Das von Rolex entwickelte und nun erstmals bei der 116719BLRO angewendete Verfahren zur Herstellung roter Keramik ist leider ausgesprochen kompliziert:
“To manufacture the finished piece, the slip casting method is used by proceeding with filtration under pressure of a stabilized colloidal suspension containing isolated particles of nanostructured yttria zirconia and nanoparticles of pigments at the rate of 2% pigment/zirconia by weight, the proportion by weight of solids in the suspension may be between 10 and 60%.The suspension is then forced by a piston through a ceramic filter covered by a filter under pressure on the order of 10 MPa, which remains constant until all of the suspension is filtered. The piece is dried by dessication until the mass is stabilized, then sintered in air between 1200[deg.] C. and 1300[deg.] C. Thus, a bright red ceramic piece is obtained. Here it is mentioned that the nanoparticles/zirconia weight proportions may vary from 0.5 to 5%, subject to that which is indicated in the following example. The filtration pressure may be spread out from 2 to 20 MPa, and the sintering time varies from 30 minutes to 8 hours, while remaining in the red range.”
Rolex hat also das Problem der roten Keramik gelöst und ist nun in der Lage diese herzustellen, aber das Verfahren ist ausgesprochen komplex und damit extrem teuer.
Zusätzlich wird zur Einfärbung des blauen Segmentes der Lünette ein weiteres patentiertes Verfahren eingesetzt, welches in einem vor der Sinterung mit 1200 bis 1300 °C eingeschobenen Zwischenschritt zur, nennen wir es einmal, „Zurückfärbung“ der roten Keramik in blau besteht. Dieses Verfahren ist aber bei weitem nicht derartig komplex wie die Herstellung der roten Keranik selbst und wird bereits bei der im letzten Jahr vorgestellten 116710BLNR mit blau/schwarzer Lünette erfolgreich angewendet. Der Mehrpreis der BLNR zur LN hält sich mit 400 Euro noch einigermaßen in Grenzen und liegt weit unter dem erforderlichen Mehrpreis für die rote Keramik.
Kommen wir nun aber zu einem entscheidenden Schritt: Der Markteinführung der roten Keramik in Form der allseits beliebten und traditionellen blau/roten „Pepsi“-Lünette für die GMT-Master II. Dabei gilt es aber natürlich auch dem extrem aufwendigen Herstellungsverfahren der roten Keramik Rechnung (im wahrsten Sinne des Wortes) zu tragen.
Diese Rechnung geht im Falle einer Stahluhr aber nur schwer auf, da die Kosten für die sehr teure Herstellung der roten Keramik auf eine vergleichsweise günstige Stahluhr umgelegt werden müssten. Eine solche Stahluhr müßte darüberhinaus aber auch noch für einen einigermaßen im Rahmen bleibenden Preis angeboten werden. Rolex wird sich sicherlich auch gefragt haben, ob sie das Risiko eingehen sollen dieses komplexe Verfahren nur für eine bei der doch wirtschaftlich eher unbedeutenden (sorry) Gruppe der Rolex-Freaks gewünschten blau/roten 116710 einzusetzen, da vermutlich nur diese kleine Gruppe bereit wäre den sehr hohen Mehrpreis für eine „Stahl-Pepsi“ zu bezahlen. Zumal sich die 116710LN und auch die im letzten Jahr eingeführte 116710BLNR hervorragend verkaufen und nicht zu erwarten ist, daß die Stückzahlen einer 116710BLRO, von den wenigen Uhren für die Rolex-Freaks einmal abgesehen, im Vergleich zu den bereits erhältlichen Stahl-Varianten übermäßig groß sein werden.
Die Lösung: Die blau/rote Lünette wird in einer Weißgolduhr auf den Markt gebracht, die erstens einen wesentlich höheren Deckungsbeitrag erwirtschaftet und zweitens der Mehrpreis für das Herstellungsverfahren im Gegensatz zu einer Stahluhr wesentlich höher ausfallen kann. Bei einer Weißgolduhr spielt es nunmal weniger eine Rolle, ob sie ca. 2000-2500 EURO teurer ist, als wenn dies bei einer Stahluhr der Fall wäre. Zudem muß sich ein Stahlmodell in einem im Vergleich zur Weißgoldvariante wesentlich schwierigeren und sensibleren preislichen Umfeld bewegen. Trotzdem kann Rolex mit der 116719BLRO die „Traditionskarte“ ausspielen und die Rolex-Freaks haben endlich ihre gewünschte „Pepsi“ wieder, die aber heute im Falle der 116719BLRO aufgrund der oben genannten Gründe einen „veränderten“ Preis hat.
Übrigens wird die Traditionskarte von Rolex nicht auf die eloxierten Alu-Inlays der früheren Generationen gespielt, sondern ganz gezielt auf die Bakelite-Lünette der ersten GMT-Master 6542. Der Grund liegt in der leichten Transparenz der neuen roten Keramik, die an die gläserne Optik der alten Bakelite-Lünetten erinnert.
Noch eine Anmerkung zur auch schon mehrfach diskutierten Umrüstung einer 116710 auf die „Pepsi“-Lünette. Wäre ich bei Rolex mit der Entwicklung der 116719BLRO betraut gewesen, so hätte ich natürlich „Vorkehrungen“ getroffen, daß eine solche Umrüstung schon technisch nicht möglich ist. Hier reichen bereits sehr geringfügige, aber gewollte Maßabweichungen im Zehntelmillimeterbereich und schon ist eine Umrüstung nicht mehr möglich. Ob Rolex diese Möglichkeit der technischen Inkompatibilität genutzt hat, wird sich spätestens dann herausstellen, wenn hier der erste Versuch eine für einen exorbitanten Preis erworbene „Pepsi“-Lünette auf eine 116710 zu montieren scheitert oder glückt. Vielleicht geht ja auch ein Mitglied das Risiko ein, seine demnächst neu erworbene 116719BLRO der Lünette zu berauben und den Versuch macht die Lünette auf eine 116710 zu montieren…..
Viele Grüße
Matthias