RSS-Feed anzeigen

Donluigi

Morgenlauf

Bewerten
Sonntag, 5.45: Wecker klingelt. Aber ich bin ohnehin schon wach. In der Hochphase des Trainings läuft alles von allein. Hoch, 2 Stück Obst, ein Glas lauwarmes Wasser. Noch kurz ins Netz, Vergleichszeiten des gestrigen Tags auf den Runtimer laden. Die Kenianer haben wieder gut vorgelegt, schnelle Burschen. Aber man darf sich da nicht von beeindrucken lassen, da ist auch viel Taktik dabei. Rennen werden im Kopf gewonnen. Und dort verliert man sie auch. Atmung ist wichtig. Takt, Frequenz, Einklang, Erfahrung. Die kochen auch nur mit Wasser.

Im Wald dann schnell noch die Schuhe an. Federleicht und perfekt im Sitz. Mein Fuß bildet sofort eine Einheit mit ihm, die Jungs haben wieder ganze Arbeit geleistet. Erste Aufwärmübungen. Der Schuh greift gut, lautlos im Aufsatz und kraftvoll im Abstoß. "Wie ein Puma", denke ich, aber nur kurz. Das Training wartet. Die Bedingungen sind perfekt. Luft ist sauber, der Frühnebel macht sie erfrischend und reichhaltig, das Waldmoos ist angenehm feucht. Guter Grip. Der Sandboden gibt unter Belastung leicht nach, die Feuchtigkeit hat eine angenehm beschaffene Kruste geschaffen. Waldboden, normal ja nicht mein bevorzugtes Terrain, aber das spektakuläre Panorama entschädigt.

Die Strecke ist jetzt quasi menschenleer, um die Uhrzeit sind nur die Profis unterwegs. Man versteht sich wortlos. Angenehm, das ganze Gepose und Gebalze fällt weg. Man kennt seine Zeiten, weiß um Qualitäten und Leistungstiefs der anderen, nickt anerkennend und spielt sein Programm ab. ich mag den Wettkampf, aber nicht hier, nicht jetzt. Der Weg ist das Ziel.

Die ersten Schritte in leichtem Tempo. Sehnen und Muskeln harmonieren perfekt, sitzen stramm und geschmeidig wie ein Maßanzug. Das Blut pumpt frischen Waldsauerstoff durch den Körper. Der dreht jetzt hoch wie ein Ferrari im Leerlauf. Quäl mich! Zwiebel mich! Aber jetzt ist Contenance entscheidend. Betriebstemperatur muß erreicht werden, jegliche Überbelastung jetzt könnte gravierende Folgen haben. "Anfängerfehler" denke ich, und der Lauf 98 durch die Kordilleren kommt mir in den Sinn.

Noch 3 Kilometer die leichte Böschung hoch und es kann losgehen. Der Fuß findet den richtigen Halt instinktiv, das Terrain hier kenne ich wie meine Westentasche. Hier könnte ich blind laufen. Wobei: laufen trifft es nicht. Es ist eher ein schweben, mit gelegentlichem Bodenkontakt der Füße, um Richtung zu beeinflussen und um sich zu vergewissern, daß der Boden noch da ist. Mein Körper schneidet durch die Morgenluft wie ein aerodynamisch perfekt geformtes Objekt von Arp oder Brancusi. Kaum eine Verwirbelung ist zu spüren. Alle Komponenten laufen im Einklang, perfekte Effizienz. Das Zusammenspiel der Muskeln und Sehnen, der Adern und Venen, Gelenke federn, Muskeln kontrahieren. Geschmeidigkeit. Atmung. Taktfrequenz. Gefühlt dürfte mein Puls jetzt bei 80 liegen, denn der Kopf arbeitet jetzt auf einer Ebene jenseits der Leistung und Belastung. Vor meinem geistigen Auge sehe ich das Meer...


...ein Scheiß! Aber pünktlich um 10 auf dem Berg gewesen, und das, obwohl es gestern bis halb 4 ging. Micki fands scheiße, zu kalt, zu früh. Außerdem kennt er es nicht, daß er hinterher rennen muß. Aber er war tapfer. Wir waren tapfer. Die 2 Kilometer fühlten sich an wie ein Sack Nüsse. Aber immerhin fast am Stück durchgelaufen und nach den kurzen Pausen hat es Spaß gemacht, wieder "Gas" zu geben. Zeit nehm ich noch nicht, im Gehen wäre ich nicht viel langsamer.

Aber hey: ich war laufen!

"Morgenlauf" bei Facebook speichern "Morgenlauf" bei Google speichern "Morgenlauf" bei Twitter speichern

Stichworte: - Stichworte bearbeiten
Kategorien
Kategorielos

Kommentare

  1. Avatar von MacLeon
    Der Thomas Mann des Laufsports
  2. Avatar von dapit
    herrlich.
  3. Avatar von pelue
    Hab auf den Satz gewartet: "... und plötzlich bin ich aufgewacht!".

    Geil geschrieben, Tobias. Morgens laufen rockt!
  4. Avatar von COMEX
    TOBIAS! Wann kommt das Buch! OMG, was habe ich gelacht!!!!!

    DANKE, Nurmi!
  5. Avatar von pelue
    Don Achill - die Lokomotive aus Neuleiningen
  6. Avatar von KVSUB
    LooL, laufen ist immer Scheiße, ich hasse es abgrundtief, ich kann dem Laufen noch nicht einmal ansatzweise irgendetwas abgewinnen und erst recht nicht Morgens, trotzdem laufe ich 4 mal die Woche zwischen 8 und 10 Kilometer.

    Toll und erfrischend geschrieben, weiter so, sowohl beim laufen als auch beim schreiben, dann bleibe ich auch dabei!
  7. Avatar von JakeSteed
    Lol, herrlicher Text. Ich seh's wie KVSUB. Das "Runners High" will sich nicht einstellen. Auch schwierig bei 100kg und ca. 3 km Strecke. Aber der Vorteil ist, dass man den Kopf freikriegt fürs daily business und wenn man dann daheim unter der Dusche steht, freut man sich, dass man schon etwas getan hat obwohls erst 6 ist.
  8. Avatar von Signore Rossi
    Tobias, ich bin entzückt! Mit Deinem heutigen Trainingsumfang bist du exakt zwei Kilometer mehr gelaufen als ich!

    Keep on Running!
  9. Avatar von Wolnex
    Was für eine Disziplin, 5.45 Uhr wird für mich immer utopisch sein
  10. Avatar von eos
    Herrlich! Weiter so!
  11. Avatar von Doktor Krone
    Ein Talent zum Schreiben hast Du hier nicht zum ersten Mal bewiesen, sehr geil! Mehr davon, bitte! Und halt uns "auf dem Laufenden" ...
  12. Avatar von niksnutz
    respekt,respekt mein lieber ...und sehr schön geschrieben ich freue mich schon auf die fortsetzung!
  13. Avatar von heintzi
    Orientiere Dich nicht an den Kenianern, die machen Dir sonst die Zeiten kaputt!
  14. Avatar von PCS
    GROSSARTIG!!!!!!!
  15. Avatar von Passion
    Wahnsinn!

    Wie Du schreiben kannst!

Trackbacks