Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Arbeitszeitenerfassung in Zukunft gemäß EuGH-Urteil verpflichtend
Der EuGH hat gestern ein spannendes Urteil zur Arbeitszeitenerfassung erlassen. Zukünftig müssen die Gesetzgeber Arbeitgeber verpflichten, die Arbeitszeiten aller Arbeitnehmer klar zu erfassen. Nachdem vor einiger Zeit der Generalanwalt des EuGH eine entsprechende Empfehlung ausgesprochen hatte, war das Urteil keine Überraschung mehr, dennoch hofften einige Arbeitgeber noch, dass zumindest Führungskräfte ausgenommen sind:
https://curia.europa.eu/jcms/upload/docs/application/pdf/2019-05/cp190061de.pdf
https://www.tagesschau.de/wirtschaft/eugh-arbeitszeiten-107.html
Alles in allem ist das Urteil begrüßenswert, schafft aber tonnenweise Probleme, z.B. bei Berufsgruppen wie Ärzten.
Eine Bitte: falls ihr zu diesem Thema diskutiert, haltet Euch an die Boardregeln und vermeidet politische und gesellschaftspolitische Diskussionen. Es gibt genug andere praktische Aspekte zu diskutieren.
Das wird noch spannend, wer das wie umsetzt. Muss ich jetzt für die beiden Mädels im Büro eine Stechuhr kaufen? Kann ich denen die eigene Arbeitszeiterfassung delegieren? Gibt's da eine App für?
RacingTurtles
15.05.2019, 22:05
Das sehe ich genauso Nico, speziell im Handwerk umd Aussendienst/Vertrieb, bleibt spannend:op:
Ein weiteres Beispiel dafür, dass es nicht gut ist, wenn Luxemburg über alle Länder bestimmt.
Ich finde es grausam. Und das sage ich als Vertriebler, der gerne Überstunden macht..
siebensieben
15.05.2019, 22:19
Was ist mit Kleinbetrieben? Und wie ich es verstehe, geht's vor allem um die Arbeitnehmer, die gerne und leichter Überstunden nachweisen wollen. Was, wenn die mit ihrer Arbeitszeit zufrieden sind? Was, wenn die am Ende zu wenig Stunden machen? Was bei "leitenden Angestellten", die gar keine Arbeitszeiten im Vertrag haben? Mehr Fragen als Antworten. Ich glaube, Apps gibt's dafür schon. Aber wahrscheinlich muss das alles wieder nach irgendwelchen Normen sein, die die Sache entsprechend teuer und aufwändig machen.
siebensieben
15.05.2019, 22:20
Ein weiteres Beispiel dafür, dass es nicht gut ist, wenn Luxemburg über alle Länder bestimmt.
Keine Politik, war doch die angesagte Spielregel. ;)
ehemaliges mitglied
15.05.2019, 22:25
Wird wohl nicht si heiß gegessen, wie es derzeit allerorten gekocht wird...
...EuGH gibt den Ländern da einiges an Spielraum, in Bezug auf Branchen, Länderspezifika & Co.
Erstmal abwarten und Tee (oder was auch immer) trinken :dr:
henri_san
15.05.2019, 22:25
Fängt doch schon damit an, wer das kontrollieren soll und wie!
Das wird auch alles noch ein wenig dauern. Die nationalen Gesetzgeber werden zwei Jahre Zeit haben, das in nationales Recht umzusetzen. Und bis dahin wird es allerlei Details geben, die in die nationalen Gesetze implementiert sein werden.
Fängt doch schon damit an, wer das kontrollieren soll und wie!
Du meinst, wer die Arbeitgeber kontrolliert, wie sie das umsetzen und erfassen?
Im schlimmsten Fall ist es ein ausgeschiedener Arbeitnehmer, der den Arbeitgeber anschwärzt.
henri_san
15.05.2019, 22:32
Aber auch anders rum. Wer will dir wie beweisen wie lange du für die Mehrarbeit bzw. Überstunden, spät Abends zuhause, gebraucht hast?
Berettameier
15.05.2019, 22:51
Viel lustiger wird es bei vereinbarter Vertrauensarbeitszeit. Und wie wird dann Arbeitszeit definiert? Was ist z. B. wenn der AN abends beim Einschlafen einen beruflichen Gedanken hat? Ist das dann auch Arbeitszeit? Und wird dann, wenn er während der Arbeit kurz mal etwas privates erledigt entsprechend auch abgezogen?
-> Zumindest in etwas gehobeneren Ebenen wollen viele AN ihr Arbeitsleben sehr flexibel gestalten. Ich bin gespannt, wie die Gesetzgebung so etwas (hoffentlich) berücksichtigt. Sonst verlieren nachher AN und AG. =(
Ausbeutung muss verhindert werden, keine Frage. Das Urteil begrüße ich aber nicht, weil statt Leistung mal wieder Anwesenheit in den Fokus rückt. Wenn jemand in 30h seine Themen/Projekte ordnungsgemäß abarbeitet, sollte er trotzdem 40h gezahlt bekommen ohne Zeit absitzen zu müssen oder zu manipulieren.
Viele Grüße, Marco
ligthning
15.05.2019, 23:16
Da hat einfach nur die Stechuhrherstellerlobby sehr gute Arbeit geleistet ... :dr:
Hypophyse
16.05.2019, 00:26
Nichts Neues bei uns und auch kein Problem in der Praxis.
https://www.ris.bka.gv.at/NormDokument.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10008238&Artikel=&Paragraf=26&Anlage=&Uebergangsrecht=
Ein weiteres Beispiel dafür, dass es nicht gut ist, wenn Luxemburg über alle Länder bestimmt.
Der deutsche Richter am EuGH, Thomas von Danwitz, war an der Entscheidung beteiligt...
„unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts, der Kammerpräsidenten J.‑C. Bonichot, A. Arabadjiev, E. Regan (Berichterstatter), T. von Danwitz ...“
http://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=214043&pageIndex=0&doclang=DE&mode=req&dir=&occ=first&part=1
Spannend wird tatsächlich die Umsetzung. Gerade in zeitintensiven Branchen (Gastro, Kanzleien, Krankenhäuser etc.) und Kleinbetrieben kann man nur auf eine verständige nationale Regelung hoffen.
fireball
16.05.2019, 07:05
Ich finde genau in diesen Berufen sollte es sehr strikt gehandhabt werden. Gerade in der Gastro/Hotelgewerbe Pflege Krankenhäuser wird doch mit der geleisteten Arbeitszeit schindluder getrieben. Und das sicher nicht zu gunsten der AN.
edit: da wird’s dann politisch. Lassen wir’s und warten auf die nationale Regelung.
Ich finde genau in diesen Berufen sollte es sehr strikt gehandhabt werden. Gerade in der Gastro/Hotelgewerbe Pflege Krankenhäuser wird doch mit der geleisteten Arbeitszeit schindluder getrieben. Und das sicher nicht zu gunsten der AN.
Sehe ich genauso. Dort besteht ja auch Anwesenheitspflicht um den Beruf ausüben zu können. Genauso wie bei Paketboten. Aber was ist mit einem Werbetexter, dem ein genialer Einfall am Wochenende kommt? Oder 11h Ruhepause nach einem Geschäftsessen? Das Erfassen von Überstunden ist doch in Spanien ohnehin Pflicht; man hätte die AN einfach stärken sollen diese auch ggü ihrem Arbeitgeber durchzusetzen. Ständig neue Gesetze ohne irgendeinen Fortschritt bei der Durchsetzung bringen niemandem etwas.
Viele Grüße, Marco
wird doch mit der geleisteten Arbeitszeit schindluder getrieben. Und das sicher nicht zu gunsten der AN.
Das hat aber mit diesem Urteil nichts zu tun.
Bisher war es so, dass Überstunden dokumentiert werden müssen. Nun meint der EuGH, das mache ja keinen Sinn, wenn man nicht auch die Basisarbeitszeit erfasst. In Zukunft werden also die Arbeitgeber verpflichtet, die normale Arbeitszeit zu "erfassen", also zu dokumentieren. Es geht nicht darum, Überstunden der Arbeitnehmer besser durchzusetzen, sondern nur darum, die Basisarbeitszeit verpflichtend aufzuschreiben.
Das hat aber mit diesem Urteil nichts zu tun.
Bisher war es so, dass Überstunden dokumentiert werden müssen. Nun meint der EuGH, das mache ja keinen Sinn, wenn man nicht auch die Basisarbeitszeit erfasst. In Zukunft werden also die Arbeitgeber verpflichtet, die normale Arbeitszeit zu "erfassen", also zu dokumentieren. Es geht nicht darum, Überstunden der Arbeitnehmer besser durchzusetzen, sondern nur darum, die Basisarbeitszeit verpflichtend aufzuschreiben.
Im nationalen Recht kann aber durchaus eine überschießenden Umsetzung erfolgen. Das Urteil könnte also als Anlass für eine umfangreichere Regelung genommen werden
biffbiffsen
16.05.2019, 09:38
Fängt doch schon damit an, wer das kontrollieren soll und wie!
Das wird sicher genauso kontrolliert wie bei geringfügig Beschäftigten, da ist das Heute schon Pflicht.
Und das kontrolliert bei jeder Prüfung, also alle 2 Jahre, die Sozialversicherung.
Da darf ich jedesmal ein Jahresprotokoll mitgeben, da sind alle Tage drauf und alles ist von mir und dem Mitarbeiter abgezeichnet.
Mich nervt dieser Zusatzaufwand mittlerweile dermaßen, da denkt man echt drüber nach nur noch alleine zu arbeiten.
ich habe mit und ohne Arbeitszeiterfassung gearbeitet. Die Phase mit Zeiterfassung fand ich besser und für die vielen oben beschriebenen speziellen Fälle gab es auch Regelungen. In allzu komplizierten Fällen eben gesunder Menschenverstand. Ich verstehe die ganze Aufregung nicht.
henri_san
16.05.2019, 12:25
Und das kontrolliert bei jeder Prüfung, also alle 2 Jahre, die Sozialversicherung.
Danke, das wusste ich nicht. :gut:
olivern77
16.05.2019, 13:20
und was in der Abeitszeiterfassung dokumentiert ist, entspricht natürlich zu 100% der gelebten Realität im Arbeitsalltag...
Ich bin in einem Beratungsunternehmen beschäftigt und muss daher meine Arbeitszeiten im Nachgang in SAP erfassen
nach spätestens 6h durchgehender Arbeit muss ich eine Pause machen und ich durfte, bis zur Änderung des Arbeitszeitgesetztes zu Beginn des Jahres, auch nicht mehr als 10h pro Tag arbeiten
Praktisch sieht es so aus, dass man dann eben nach spätestens 6h eine Pause in der Zeiterfassung bucht bzw die Stunden eben über die Woche verteilt um das Tages- bzw Wochenmaximum nicht zu überschreiten
eimsbush
16.05.2019, 14:42
Bei uns wird nach Kopf und nicht nach Arsch bezahlt. Wenn ich in meinen Teams mit sowas anfangen muss, gehen meine besten Leute - und ich direkt mit.
biffbiffsen
16.05.2019, 15:42
da wirst du halt nicht drumrum kommen.
eimsbush
16.05.2019, 16:24
Es wird dann zumindest in meiner Branche echt problematisch. Schon jetzt verändert sich unsere Art zu arbeiten total. Kollaboration, Home Office, etc. es mag ja Branchen geben, in denen man Arbeitnehmer von Ausbeutern schützen muss. Keine Frage. Es gibt aber auch Branchen, die funktionieren total anders. Und dazu muss ich nicht mal nach Tel Aviv oder Palo Alto schauen. Schon jetzt ist Deutschland was Mobilfunk und Internet angeht ungefähr auf Nairobi-Niveau. Wenn wir nun noch die Jobs der Zukunft behördlich verbeamten, dann gute Nacht. China lacht sich ja schon jetzt tot.
Hypophyse
16.05.2019, 17:43
Wenn sich der Arbeitnehmer nicht vor Selbstausbeutung zu schützen vermag, muss das eben der Arbeitgeber für ihn übernehmen.
Das, Roland, ist genau, worum es dem EuGH geht.
ehemaliges mitglied
16.05.2019, 19:09
Was ist mit Kleinbetrieben? Und wie ich es verstehe, geht's vor allem um die Arbeitnehmer, die gerne und leichter Überstunden nachweisen wollen. Was, wenn die mit ihrer Arbeitszeit zufrieden sind? Was, wenn die am Ende zu wenig Stunden machen? Was bei "leitenden Angestellten", die gar keine Arbeitszeiten im Vertrag haben? Mehr Fragen als Antworten. Ich glaube, Apps gibt's dafür schon. Aber wahrscheinlich muss das alles wieder nach irgendwelchen Normen sein, die die Sache entsprechend teuer und aufwändig machen.
Trotzdem gibt es gesetzliche Regelungen, die es einzuhalten und überprüfbar zu machen gilt. Ob AG und AN mit der aktuellen Lösung zufrieden sind ist dabei unerheblich.
avalanche
16.05.2019, 19:39
Bei uns wird nach Kopf und nicht nach Arsch bezahlt. Wenn ich in meinen Teams mit sowas anfangen muss, gehen meine besten Leute - und ich direkt mit.
Wenn es hart auf hart kommt, machst halt aus deine besten Leuten Assoziierte Partner. Dann sollte für ein paar Jahre wieder Ruhe im Karton sein.
Hypophyse
16.05.2019, 19:49
Das, Roland, ist genau, worum es dem EuGH geht.
Das versteht der Leistungsträger aber erst dann, wenn er die Kosten seines Infarkts oder Burnouts vergesellschaftet. :dr:
Und wenn ich schon polemisiere: Wer ständig mehr als zehn Stunden arbeitet, hat keine richtige Arbeit. Echte Produktivität lässt nach spätestens sechs Stunden massiv nach. Wird mehr gefordert, ist die Zeitplanung fehlerhaft.
avalanche
16.05.2019, 20:08
[QUOTE=Hypophyse;6095644Echte Produktivität lässt nach spätestens sechs Stunden massiv nach. [/QUOTE]
Wer Nobelpreisträger fördern will, sollte auf eine Work-Life-Balance Atmosphäre verzichten. Sagt der Chinamann :op:
ehemaliges mitglied
16.05.2019, 20:18
Sagt der Chinamann :op:
Zu dessen Bedingungen aber kaum einer freiwillig arbeiten will.
avalanche
16.05.2019, 20:21
Man kann und soll das jetzt durchaus als Problem oder als Chance sehen ;)
ferryporsche356
16.05.2019, 20:25
Und wenn ich schon polemisiere: Wer ständig mehr als zehn Stunden arbeitet, hat keine richtige Arbeit.
Dann haben 90% aller Selbstständigen, Geschäftsführer und Vorstände keine richtige Arbeit. :rofl:
avalanche
16.05.2019, 20:34
Dann haben 90% aller Selbstständigen, Geschäftsführer und Vorstände keine richtige Arbeit. :rofl:
Richtig! Darum suchen sie sich ja oft auch als Hobby noch eine Aufgabe in der Lokalpolitik ;)
Hypophyse
16.05.2019, 22:14
Dann haben 90% aller Selbstständigen, Geschäftsführer und Vorstände keine richtige Arbeit. :rofl:
Das schon, aber kein Leben.
Hypophyse
16.05.2019, 22:14
Nänänänänänä! :D
Powered by vBulletin® Version 4.2.5 Copyright ©2025 Adduco Digital e.K. und vBulletin Solutions, Inc. Alle Rechte vorbehalten.