Bullit
07.02.2017, 22:50
Liebe Foristi,
das in vielen Vintage-Rolex verwendete Kaliber 1575 verfügt ja bekanntlich über eine "augenblickliche" Datumschaltung (manchmal auch springende Datumschaltung genannt). Das Datum schaltet also im Bruchteil einer Sekunde, im Gegensatz zu einer schleichenden Schaltung, bei der man im Datumfenster über Stunden mitverfolgen kann, wie sich die Datumscheibe eine Position weiterdreht (z.B. beim ETA 7750). Aber wie ist das eigentlich technisch umgesetzt? Im Folgenden der Versuch einer Erklärung.
Der Anlass mich mit dem Thema zu beschäftigen war übrigens, dass die Datumscheibe meiner 1665 gehakt hat. Außerdem wollte ich endlich mal eine gebürstete, silberne Scheibe einbauen.
http://i896.photobucket.com/albums/ac161/Delgetti/1575%20Datumschaltung/001_Bild1.jpg (http://s896.photobucket.com/user/Delgetti/media/1575%20Datumschaltung/001_Bild1.jpg.html)
Hier das Werk nach Entfernen des Zifferblatts.
http://i896.photobucket.com/albums/ac161/Delgetti/1575%20Datumschaltung/002_Bild2.jpg (http://s896.photobucket.com/user/Delgetti/media/1575%20Datumschaltung/002_Bild2.jpg.html)
Das Stundenrad greift permanent in das Datumsrad ein und dreht dieses kontinuierlich weiter. Da das Stundenrad sich im Uhrzeigersinn dreht, dreht sich das Datumsrad gegen den Uhrzeigersinn. Aus naheliegenden Gründen wurde hier ein Übersetzungsverhältnis von 2:1 gewählt. ;)
http://i896.photobucket.com/albums/ac161/Delgetti/1575%20Datumschaltung/003_Eingriff.jpg (http://s896.photobucket.com/user/Delgetti/media/1575%20Datumschaltung/003_Eingriff.jpg.html)
Der "Zusammenbau Datumsrad" besteht im Prinzip aus 2 Elementen: Dem Zahnrad und der darunter angeordneten Nockenscheibe (die mit dem Schaltfinger an der Oberseite verbunden ist). Zahnrad und Nockenscheibe sitzen zwar auf derselben Achse, sind aber nicht starr miteinander verbunden. Im Zahnrad befindet sich eine sichelförmige Nut, auf der Nockenscheibe ein kleiner Pin, der im zusammengebauten Zustand in die Nut greift. Die Teile lassen sich also um ca. 45° gegeneinander verdrehen. Wozu das gut ist, sehen wir gleich.
http://i896.photobucket.com/albums/ac161/Delgetti/1575%20Datumschaltung/004_Datumsscheibe.jpg (http://s896.photobucket.com/user/Delgetti/media/1575%20Datumschaltung/004_Datumsscheibe.jpg.html)
http://i896.photobucket.com/albums/ac161/Delgetti/1575%20Datumschaltung/005_Nockenscheibe.jpg (http://s896.photobucket.com/user/Delgetti/media/1575%20Datumschaltung/005_Nockenscheibe.jpg.html)
Die Nockenwippe mit der Rubinrolle am freien Ende wird von einer starken Feder gegen die Nockenscheibe gedrückt. Diese Federkraft ist es, die später die Energie für den "augenblicklichen" Datumwechsel liefert. Da die Bauteile unter dem Datumsrad und der Datumraste liegen und ich den Mechanismus nicht zerlegen wollte, hier eine kleine Fotomontage zur Erklärung.
Die Einzelteile: Nockenwippe, Rubinrolle und Feder
http://i896.photobucket.com/albums/ac161/Delgetti/1575%20Datumschaltung/006_Teile-Nockenwippe.jpg (http://s896.photobucket.com/user/Delgetti/media/1575%20Datumschaltung/006_Teile-Nockenwippe.jpg.html)
Und so liegen sie im Werk:
http://i896.photobucket.com/albums/ac161/Delgetti/1575%20Datumschaltung/007_Werk2.jpg (http://s896.photobucket.com/user/Delgetti/media/1575%20Datumschaltung/007_Werk2.jpg.html)
Last but not least gibt es dann noch die Datumraste. Wie man hier sieht, hält sie mit geringer Kraft die Datumscheibe in Position, indem sie mit einem flachen Zylinder zwischen zwei Zähne der Datumscheibe greift. Dieser Zylinder ist übrigens exzentrisch gelagert, so dass die Lage der Datumscheibe feinjustiert werden kann (falls die Ziffer im Datumsfenster des Zifferblatts zu hoch oder zu niedrig sitzt).
http://i896.photobucket.com/albums/ac161/Delgetti/1575%20Datumschaltung/008_Jumper.jpg (http://s896.photobucket.com/user/Delgetti/media/1575%20Datumschaltung/008_Jumper.jpg.html)
Hier nochmal das Einzelteil:
http://i896.photobucket.com/albums/ac161/Delgetti/1575%20Datumschaltung/009_Jumper.jpg (http://s896.photobucket.com/user/Delgetti/media/1575%20Datumschaltung/009_Jumper.jpg.html)
Jetzt zum Ablauf. Dieser lässt sich in 2 Phasen unterteilen:
Energieaufbau, also Spannen der Feder -> dauert ca. 23 h 59 min 59,9 sec
Schaltvorgang -> dauert ca. 0,1 sec
Da die Nockenscheibe ja unter dem Zahnrad verborgen liegt, werde ich zur Erklärung eine vereinfachte CAD-Darstellung zu Hilfe nehmen, in der ich das Zahnrad transparent dargestellt habe. Fangen wir mit unserer Betrachtung einfach mal in den frühen Morgenstunden an. Man sieht, dass der Pin der Nockenscheibe am Ende der Nut anliegt. Da sich das Datumsrad gegen den Uhrzeigersinn dreht, nimmt es also die Nockenscheibe mit.
http://i896.photobucket.com/albums/ac161/Delgetti/1575%20Datumschaltung/010_Ablauf1.jpg (http://s896.photobucket.com/user/Delgetti/media/1575%20Datumschaltung/010_Ablauf1.jpg.html)
Unter dem Zahnrad sieht die Situation so aus:
http://i896.photobucket.com/albums/ac161/Delgetti/1575%20Datumschaltung/011_CAD1.jpg (http://s896.photobucket.com/user/Delgetti/media/1575%20Datumschaltung/011_CAD1.jpg.html)
Im Verlauf der folgenden Stunden drehen sich nun Zahnrad und Nockenscheibe ganz langsam immer weiter. Dabei wird durch die Form des Nockens die Nockenwippe immer weiter nach links bewegt und die starke Feder immer weiter gespannt.
http://i896.photobucket.com/albums/ac161/Delgetti/1575%20Datumschaltung/012_CAD2.jpg (http://s896.photobucket.com/user/Delgetti/media/1575%20Datumschaltung/012_CAD2.jpg.html)
Um Mitternacht rutscht dann die Rubinrolle über die Kante des Nockens, läuft die "Gerade" entlang und dreht dabei den Nocken schlagartig um ca. 45° weiter. Auf der Oberseite machen der kleine Pin und der Schaltfinger diese blitzschnelle 45°-Drehung natürlich mit. Das Ganze ist nur möglich, weil es die sichelförmige Nut im Zahnrad gibt. Der Schaltfinger wirft bei seiner Drehung die Datumscheibe eine Position weiter (gegen den kleinen Widerstand der Datumraste, die natürlich auch eine Kerbe weiterspringt). Dieser ganze Vorgang dauert nur den Bruchteil einer Sekunde.
http://i896.photobucket.com/albums/ac161/Delgetti/1575%20Datumschaltung/013_CAD3.jpg (http://s896.photobucket.com/user/Delgetti/media/1575%20Datumschaltung/013_CAD3.jpg.html)
Ansicht vor und nach dem Schaltvorgang:
http://i896.photobucket.com/albums/ac161/Delgetti/1575%20Datumschaltung/014_Vergleich.jpg (http://s896.photobucket.com/user/Delgetti/media/1575%20Datumschaltung/014_Vergleich.jpg.html)
Hier das Ganze nochmal als Video: Einmal der komplette Umlauf und eine Zeitlupe des Schaltvorgangs (allerdings nur um zu demonstrieren, dass auch bei Zeitlupenfaktor 10 nix zu sehen ist – der Schaltvorgang läuft einfach zu schnell ab).
https://vimeo.com/202968616
Die Datumschaltung erfolgt also in dem Moment, wenn die Rubinrolle über die Kante des Nockens rutscht. Damit die Uhr zu diesem Zeitpunkt auch 12 Uhr anzeigt, muss der Uhrmacher durch sehr langsames Drehen an der Krone genau den Schaltzeitpunkt abpassen und dann die Zeiger auf 12 Uhr-Stellung setzen. Mal sehen, wie gut mir das gelungen ist.
https://vimeo.com/202969837
Kann man gelten lassen. :D
Jammerschade, dass diese schöne Mechanik völlig im Verborgenen werkelt. Bleibt einem nur der Blick ins Datumsfenster auf die gebürstete, silberne Scheibe. :jump:
http://i896.photobucket.com/albums/ac161/Delgetti/1575%20Datumschaltung/015_fertig.jpg (http://s896.photobucket.com/user/Delgetti/media/1575%20Datumschaltung/015_fertig.jpg.html)
Gruß
Erik
das in vielen Vintage-Rolex verwendete Kaliber 1575 verfügt ja bekanntlich über eine "augenblickliche" Datumschaltung (manchmal auch springende Datumschaltung genannt). Das Datum schaltet also im Bruchteil einer Sekunde, im Gegensatz zu einer schleichenden Schaltung, bei der man im Datumfenster über Stunden mitverfolgen kann, wie sich die Datumscheibe eine Position weiterdreht (z.B. beim ETA 7750). Aber wie ist das eigentlich technisch umgesetzt? Im Folgenden der Versuch einer Erklärung.
Der Anlass mich mit dem Thema zu beschäftigen war übrigens, dass die Datumscheibe meiner 1665 gehakt hat. Außerdem wollte ich endlich mal eine gebürstete, silberne Scheibe einbauen.
http://i896.photobucket.com/albums/ac161/Delgetti/1575%20Datumschaltung/001_Bild1.jpg (http://s896.photobucket.com/user/Delgetti/media/1575%20Datumschaltung/001_Bild1.jpg.html)
Hier das Werk nach Entfernen des Zifferblatts.
http://i896.photobucket.com/albums/ac161/Delgetti/1575%20Datumschaltung/002_Bild2.jpg (http://s896.photobucket.com/user/Delgetti/media/1575%20Datumschaltung/002_Bild2.jpg.html)
Das Stundenrad greift permanent in das Datumsrad ein und dreht dieses kontinuierlich weiter. Da das Stundenrad sich im Uhrzeigersinn dreht, dreht sich das Datumsrad gegen den Uhrzeigersinn. Aus naheliegenden Gründen wurde hier ein Übersetzungsverhältnis von 2:1 gewählt. ;)
http://i896.photobucket.com/albums/ac161/Delgetti/1575%20Datumschaltung/003_Eingriff.jpg (http://s896.photobucket.com/user/Delgetti/media/1575%20Datumschaltung/003_Eingriff.jpg.html)
Der "Zusammenbau Datumsrad" besteht im Prinzip aus 2 Elementen: Dem Zahnrad und der darunter angeordneten Nockenscheibe (die mit dem Schaltfinger an der Oberseite verbunden ist). Zahnrad und Nockenscheibe sitzen zwar auf derselben Achse, sind aber nicht starr miteinander verbunden. Im Zahnrad befindet sich eine sichelförmige Nut, auf der Nockenscheibe ein kleiner Pin, der im zusammengebauten Zustand in die Nut greift. Die Teile lassen sich also um ca. 45° gegeneinander verdrehen. Wozu das gut ist, sehen wir gleich.
http://i896.photobucket.com/albums/ac161/Delgetti/1575%20Datumschaltung/004_Datumsscheibe.jpg (http://s896.photobucket.com/user/Delgetti/media/1575%20Datumschaltung/004_Datumsscheibe.jpg.html)
http://i896.photobucket.com/albums/ac161/Delgetti/1575%20Datumschaltung/005_Nockenscheibe.jpg (http://s896.photobucket.com/user/Delgetti/media/1575%20Datumschaltung/005_Nockenscheibe.jpg.html)
Die Nockenwippe mit der Rubinrolle am freien Ende wird von einer starken Feder gegen die Nockenscheibe gedrückt. Diese Federkraft ist es, die später die Energie für den "augenblicklichen" Datumwechsel liefert. Da die Bauteile unter dem Datumsrad und der Datumraste liegen und ich den Mechanismus nicht zerlegen wollte, hier eine kleine Fotomontage zur Erklärung.
Die Einzelteile: Nockenwippe, Rubinrolle und Feder
http://i896.photobucket.com/albums/ac161/Delgetti/1575%20Datumschaltung/006_Teile-Nockenwippe.jpg (http://s896.photobucket.com/user/Delgetti/media/1575%20Datumschaltung/006_Teile-Nockenwippe.jpg.html)
Und so liegen sie im Werk:
http://i896.photobucket.com/albums/ac161/Delgetti/1575%20Datumschaltung/007_Werk2.jpg (http://s896.photobucket.com/user/Delgetti/media/1575%20Datumschaltung/007_Werk2.jpg.html)
Last but not least gibt es dann noch die Datumraste. Wie man hier sieht, hält sie mit geringer Kraft die Datumscheibe in Position, indem sie mit einem flachen Zylinder zwischen zwei Zähne der Datumscheibe greift. Dieser Zylinder ist übrigens exzentrisch gelagert, so dass die Lage der Datumscheibe feinjustiert werden kann (falls die Ziffer im Datumsfenster des Zifferblatts zu hoch oder zu niedrig sitzt).
http://i896.photobucket.com/albums/ac161/Delgetti/1575%20Datumschaltung/008_Jumper.jpg (http://s896.photobucket.com/user/Delgetti/media/1575%20Datumschaltung/008_Jumper.jpg.html)
Hier nochmal das Einzelteil:
http://i896.photobucket.com/albums/ac161/Delgetti/1575%20Datumschaltung/009_Jumper.jpg (http://s896.photobucket.com/user/Delgetti/media/1575%20Datumschaltung/009_Jumper.jpg.html)
Jetzt zum Ablauf. Dieser lässt sich in 2 Phasen unterteilen:
Energieaufbau, also Spannen der Feder -> dauert ca. 23 h 59 min 59,9 sec
Schaltvorgang -> dauert ca. 0,1 sec
Da die Nockenscheibe ja unter dem Zahnrad verborgen liegt, werde ich zur Erklärung eine vereinfachte CAD-Darstellung zu Hilfe nehmen, in der ich das Zahnrad transparent dargestellt habe. Fangen wir mit unserer Betrachtung einfach mal in den frühen Morgenstunden an. Man sieht, dass der Pin der Nockenscheibe am Ende der Nut anliegt. Da sich das Datumsrad gegen den Uhrzeigersinn dreht, nimmt es also die Nockenscheibe mit.
http://i896.photobucket.com/albums/ac161/Delgetti/1575%20Datumschaltung/010_Ablauf1.jpg (http://s896.photobucket.com/user/Delgetti/media/1575%20Datumschaltung/010_Ablauf1.jpg.html)
Unter dem Zahnrad sieht die Situation so aus:
http://i896.photobucket.com/albums/ac161/Delgetti/1575%20Datumschaltung/011_CAD1.jpg (http://s896.photobucket.com/user/Delgetti/media/1575%20Datumschaltung/011_CAD1.jpg.html)
Im Verlauf der folgenden Stunden drehen sich nun Zahnrad und Nockenscheibe ganz langsam immer weiter. Dabei wird durch die Form des Nockens die Nockenwippe immer weiter nach links bewegt und die starke Feder immer weiter gespannt.
http://i896.photobucket.com/albums/ac161/Delgetti/1575%20Datumschaltung/012_CAD2.jpg (http://s896.photobucket.com/user/Delgetti/media/1575%20Datumschaltung/012_CAD2.jpg.html)
Um Mitternacht rutscht dann die Rubinrolle über die Kante des Nockens, läuft die "Gerade" entlang und dreht dabei den Nocken schlagartig um ca. 45° weiter. Auf der Oberseite machen der kleine Pin und der Schaltfinger diese blitzschnelle 45°-Drehung natürlich mit. Das Ganze ist nur möglich, weil es die sichelförmige Nut im Zahnrad gibt. Der Schaltfinger wirft bei seiner Drehung die Datumscheibe eine Position weiter (gegen den kleinen Widerstand der Datumraste, die natürlich auch eine Kerbe weiterspringt). Dieser ganze Vorgang dauert nur den Bruchteil einer Sekunde.
http://i896.photobucket.com/albums/ac161/Delgetti/1575%20Datumschaltung/013_CAD3.jpg (http://s896.photobucket.com/user/Delgetti/media/1575%20Datumschaltung/013_CAD3.jpg.html)
Ansicht vor und nach dem Schaltvorgang:
http://i896.photobucket.com/albums/ac161/Delgetti/1575%20Datumschaltung/014_Vergleich.jpg (http://s896.photobucket.com/user/Delgetti/media/1575%20Datumschaltung/014_Vergleich.jpg.html)
Hier das Ganze nochmal als Video: Einmal der komplette Umlauf und eine Zeitlupe des Schaltvorgangs (allerdings nur um zu demonstrieren, dass auch bei Zeitlupenfaktor 10 nix zu sehen ist – der Schaltvorgang läuft einfach zu schnell ab).
https://vimeo.com/202968616
Die Datumschaltung erfolgt also in dem Moment, wenn die Rubinrolle über die Kante des Nockens rutscht. Damit die Uhr zu diesem Zeitpunkt auch 12 Uhr anzeigt, muss der Uhrmacher durch sehr langsames Drehen an der Krone genau den Schaltzeitpunkt abpassen und dann die Zeiger auf 12 Uhr-Stellung setzen. Mal sehen, wie gut mir das gelungen ist.
https://vimeo.com/202969837
Kann man gelten lassen. :D
Jammerschade, dass diese schöne Mechanik völlig im Verborgenen werkelt. Bleibt einem nur der Blick ins Datumsfenster auf die gebürstete, silberne Scheibe. :jump:
http://i896.photobucket.com/albums/ac161/Delgetti/1575%20Datumschaltung/015_fertig.jpg (http://s896.photobucket.com/user/Delgetti/media/1575%20Datumschaltung/015_fertig.jpg.html)
Gruß
Erik