Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Milliardenstrafe für Samsung - vorerst!
ehemaliges mitglied 24812
25.08.2012, 11:14
Im Patentstreit zwischen Apple und Samsung verhängte ein Gericht eine Strafe von 1 Mrd. $ - Samsung will in die Berufung gehen.
Sollte dieses Urteil bestätigt werden, dann wären ja wohl alle Hersteller von Android-und WindowsPhone-Geräten betroffen. Funktionen wie Multitouch ist doch in erster Linie eine Funktion des Betriebssystems; und sind wir mal ehrlich, gleich sehen die Touch-Teile von Samsung, Sony, HTC, etc. auch alle aus.
Ich bin gespannt wie es weiter geht.
ludicree
25.08.2012, 11:35
Naja, als ITler sehe ich da jede Menge Trivial-Patente und Geschmacksmuster, die ein ordentliches Gericht überhaupt nicht zulassen sollte. Zweifellos ein Homerun dieser Sieg, auch mit der schön glatten Summe ohne jede Berechnungsgrundlage.
Smartphones... hoffentlich schaltet sich nicht noch Bell ein weil man da in ein Mikro spricht und die Stimme aus einem Lautsprecher kommt.
Sicher ist das ganze bitter für die Asiaten. Jetzt geht eine Milliarde sinnfrei in die eh schon überquellende Apfel-Kasse, zu bezahlen von den ganzen Smartphone-Käufern auf der Welt.
Bilder:
http://img.photobucket.com/albums/v221/Mawal/331ba7a4.jpg
http://img.photobucket.com/albums/v221/Mawal/77f4d67a.jpg
http://img.photobucket.com/albums/v221/Mawal/d21f0b37.jpg
honi soit, qui mal y pense
die Bilderliste lässt sich beliebig fortsetzen...
ehemaliges mitglied 24812
25.08.2012, 12:02
Ja Ulrich, aber nicht nur mit Modellen der Marke Samsung. Du hättest genauso gut Bilder anderer Marken einstellen können und der gezeigte Homescreen ist von Android.
Ich denke Apple hat Samsung exemplarisch ausgewählt. Google war ihnen als Gegner zu groß, zumal ebenfalls ein amerikanisches Unternehmen; HTC wäre zu klein gewesen und hätte zu wenig Aufsehen errregt.
ludicree
25.08.2012, 12:28
Da könnte man auch anfangen nach Dingen zu suchen, deren Aussehen ganz klar von Apple übernommen wurde. Z.B. deren All-in-One PC, jede Art von Laptop... sind alles Konzepte von anderen nur neu verpackt. Regt sich deswegen jemand auf? Es geht doch auch im den Inhalt...
Naja, als ITler sehe ich da jede Menge Trivial-Patente und Geschmacksmuster, die ein ordentliches Gericht überhaupt nicht zulassen sollte. Zweifellos ein Homerun dieser Sieg, auch mit der schön glatten Summe ohne jede Berechnungsgrundlage.
Smartphones... hoffentlich schaltet sich nicht noch Bell ein weil man da in ein Mikro spricht und die Stimme aus einem Lautsprecher kommt.
Sicher ist das ganze bitter für die Asiaten. Jetzt geht eine Milliarde sinnfrei in die eh schon überquellende Apfel-Kasse, zu bezahlen von den ganzen Smartphone-Käufern auf der Welt.
Mal von Anfang an: Patente werden für technische Gegenstände und Verfahren erteilt, die neu sind und auf erfinderischer Tätigkeit beruhen, sich also nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergeben. Die neuere Rechtsprechung in den USA macht es für den Patentanmelder nicht leicht. Ein gutes Patent ist immer so breit wie irgendwie möglich, sodass die Hürde der erfinderischen Tätigkeit gerade so genommen wird.
Die Patentfähigkeit wird zunächst von den Patentämtern geprüft. In Amerika trägt der Patentanmelder dabei eine hohe Verantwortung, er muss von sich aus allen ihm bekannten Stand der Technik mitteilen. Kommt der Patentanmelder dem nicht ordnungsgemäß nach, kann das Patent später nicht durchgesetzt werden, dazu später mehr. Das ist in der Praxis extrem aufwändig.
Die Patentdichte ist seit langem nirgends so hoch wie im Elektronikbereich, daher ist es gar nicht mal so leicht, noch ein Trivialpatent erteilt zu bekommen.
Desweiteren kann das Patent von Wettbewerbern im Zuge eines Einspruchs, und abhängig vom Land entweder innerhalb des Verletzungsverfahrens oder eines Nichtigkeitsverfahrens angegriffen werden, was auch regelmäßig passiert. Hierfür werden Heerscharen von Rechercheuren, Fachleuten und Anwälten bemüht.
Mit einem Patent in Amerika in einem Verletzungsverfahren durchzukommen ist gar nicht so leicht, denn der vermeintliche Patentverletzer kann zunächst die oben beschriebene ordentliche Verfahrensführung im Erteilungsverfahren bemängeln, dann für eine für sich günstige Auslegung des Anspruchs kämpfen und schließlich noch die Patentfähigkeit angreifen. Zudem werden sämtliche im Erteilungsverfahren gemachten Aussagen des Patentanmelders bei der Bestimmung des Schutzbereichs berücksichtigt.
Für die Auslegung eines Patents und die Rechtsbeständigkeit bemühen beide Parteien Experten, die umfangreiche Gutachten erstellen.
In amerikanischen Verletzungsverfahren bekommen die Gegner darüber hinaus vollen Zugang zu sämtlichen für den Fall relevanten Dokumenten, lediglich die Kommunikation mit und zwischen Anwälten ist ausgenommen, deshalb kann man da auch nichts verstecken. Die Anzahl der Dokumente für einen solchen Fall füllen Schiffscontainer.
Bis es also mal um die eigentliche Frage der Patentverletzung geht, gibt es für den Patentinhaber etliche Hürden zu überwinden, was mit "Trivialpatenten" ein bisschen schwierig ist.
Zuguterletzt ging es im vorliegenden Verfahren auch noch darum, ob Samsung Apples Patente vorsätzlich verletzt hat, was teilweise bejaht wurde. Sowas passiert nur in extrem seltenen Fällen und dazu muss auf der Verletzerseite richtig was schief gegangen sein, so etwa wie hier: http://obamapacman.com/2011/07/google-engineer-java-alternatives-all-suck-android-needs-to-negotiate-license/ (hier geht es lässigerweise um das heilige Android ;) )
Nach alledem: Wenn Du für Samsung nachweisen kannst, dass Apples Patente trivial, also nicht rechtsbeständig sind, bin ich mir sicher, dass Du Dein ganzes Leben nie mehr arbeiten musst :dr:
Zusatzinformationen: In Amerika werden Unterlassungsurteile so gut wie nie ausgesprochen, meist geht es, anders als in anderen Ländern, nur um Schadensersatz und Lizenz. Auch ein Grund dafür, warum 95 % aller Verletzungsverfahren vergleichsweise beigelegt werden.
Die oben genannten Verfahren sind meiner persönlichen Meinung nach relativ fair. Der Angegriffene hat jede Menge Verteidigungsmittel und es gibt weitere Instanzen zur Überprüfung.
Natürlich gibt es Einschränkungen: Die Verfahren sind extrem teuer (Apple und Samsung dürften fette zweistellige Millionenbeträge für die Verfahren gezahlt haben) und benachteiligen damit die kleineren Unternehmen, die über so ein Verfahren bankrott gehen können. Außerdem ist Amerika protektionistisch und schützt die heimische Industrie. Dies ist aber ein anderes Verfahren (vor der International Trade Commission) und kam hier nicht zum tragen. Zudem kann man über das Konzept der jury trials streiten, wo Leute ohne Fachkenntnisse das finale Urteil über so ein Verfahren aussprechen. Jurymitglieder können subjektiv sein und es ist eine Wissenschaft für sich, den passenden Gerichtsstandort für ein Verletzungsverfahren zu finden.
http://cdn.iphone-news.org/wp-content/uploads/2012/08/samsung_phones_before_after_iphone.jpg
(c) Iphone News Blog
ludicree
25.08.2012, 13:42
Ich kritisiere auch nicht das Verfahren. Das ist nur das Ergebnis einer leicht entgleisten Patent-Politik insgesamt. Es wird sehr viel Zeug patentiert das eigentlich trivial ist. Je größer der Konzern desto mehr wird versucht angebliches "geistiges Eigentum" in Stein zu schreiben. Bei dem möglichen Spiel aus Rennen um das erste Patent, Prüfung, Einspruch und Gegenmassnahme kann niemand mitspielen, der nicht auch Konzern ist und eine ganze Abteilung von Patent-Spezialisten betreibt - schon aus Kostengründen. Bei den Telefonherstellern ist dies ganz extrem ausgeprägt, weswegen wir auch immer wieder die üblichen Verdächtigen prozessieren sehen.
Das liegt wie gesagt in der Natur der Sache. Ein Patent ist immer gerade so breit wie es muss, sonst hat der Patentanwalt etwas falsch gemacht.
Warum sind Patente so en vogue? Das Kosten-Nutzen-Verhältnis von Patenten ist für innovative Unternehmen ab einer gewissen kritischen Masse an Schutzrechten, die ich leider nicht konkret benennen kann, ausgesprochen gut. Neben der Schaffung von immateriellen Vermögenswerten, die bei einem gut gemanagten Portfolio höher sind als die dafür anfallenden Kosten, lassen sich in etlichen Ländern (z.B. Frankreich oder Großbritannien) mittels Patenten auch Steuern sparen. Die immateriellen Vermögenswerte lassen sich sehr gut versilbern und spielen bei Unternehmensübernahmen eine große, oft sogar die entscheidende Rolle. Und ich rede hier nicht von Motorola, Bosch und dergleichen, sondern gerade von mittelständischen Unternehmen.
Stringer Bell
25.08.2012, 14:21
...der hat meist selbst so derbe die scheisse am bein (zb bzgl. xerox parc), dass er sich selbst als schamlos bezeichnet...:bgdev:
http://www.youtube.com/watch?v=CW0DUg63lqU&feature=youtube_gdata_player
...wenigstens hat das gericht auch entschieden dass tablets trotz apple auch in zukunft abgerundete ecken haben dürfen. :verneig:
Six2sixspecial
25.08.2012, 14:23
http://cdn.iphone-news.org/wp-content/uploads/2012/08/samsung_phones_before_after_iphone.jpg
(c) Iphone News Blog
Das trifft für alle Hersteller zu. Erst ab dem Iphone wurden die Panels für alle entwickelt. Apple hatte es eben als Erster.
Stringer Bell
25.08.2012, 14:34
Das liegt wie gesagt in der Natur der Sache. Ein Patent ist immer gerade so breit wie es muss, sonst hat der Patentanwalt etwas falsch gemacht.
Warum sind Patente so en vogue? Das Kosten-Nutzen-Verhältnis von Patenten ist für innovative Unternehmen ab einer gewissen kritischen Masse an Schutzrechten, die ich leider nicht konkret benennen kann, ausgesprochen gut. Neben der Schaffung von immateriellen Vermögenswerten, die bei einem gut gemanagten Portfolio höher sind als die dafür anfallenden Kosten, lassen sich in etlichen Ländern (z.B. Frankreich oder Großbritannien) mittels Patenten auch Steuern sparen. Die immateriellen Vermögenswerte lassen sich sehr gut versilbern und spielen bei Unternehmensübernahmen eine große, oft sogar die entscheidende Rolle. Und ich rede hier nicht von Motorola, Bosch und dergleichen, sondern gerade von mittelständischen Unternehmen.
das ist sicher sehr kenntnisreich analysiert. in der "natur der sache" liegt es aber nur, wenn diese beim zufällig positivierten recht aufhört. die diskussion ist aber berechtigterweise weiter: die auswüchse, die steuervermeidungspotentiale, die hohe werthaltigkeit (nicht zuletzt nuisance value) dieser patentportfolien geben vielmehr anlass, rechtspolitisch am geltenden immaterialgüterrecht zu zweifeln.
Samsung wird von Apple wohl deshalb gezielt angegangen, weil Samsung Apple in Sachen iPad angepi**t hatte...
ludicree
25.08.2012, 15:37
Das trifft für alle Hersteller zu. Erst ab dem Iphone wurden die Panels für alle entwickelt. Apple hatte es eben als Erster.
Richtig, die ganze Touch-Einheit als zentraler Bestandteil kam mehr oder minder zu einem Zeitpunkt - global.
Das Bild könnte auch ein Pferdekutsche zeigen, dann das erste Auto, dann viele Autos.
Apple hat eine ganzes Technologie-Portfolio entwickelt. Wir sprechen nicht nur über einen Touchscreen: Tausende von anderen Komponenten/Technologien hat Apple erfolgreich zusammengeführt.
Darüberhinaus war Samsung ein wichtiger Supplier für Apple und hat seine gesammelten Erfahrungen letztendlich gegen Apple verwendet.
Gruss,
Bernhard
das ist sicher sehr kenntnisreich analysiert. in der "natur der sache" liegt es aber nur, wenn diese beim zufällig positivierten recht aufhört. die diskussion ist aber berechtigterweise weiter: die auswüchse, die steuervermeidungspotentiale, die hohe werthaltigkeit (nicht zuletzt nuisance value) dieser patentportfolien geben vielmehr anlass, rechtspolitisch am geltenden immaterialgüterrecht zu zweifeln.
Immaterialgüterrechte sind wirtschaftspolitische Instrumente. Das Patentrecht entwickelt sich stets nach dem gleichen Muster: in Drittweltländern spielt es keine Rolle, in "emerging markets" wird es zum Vorteil der heimischen Wirtschaft ausgelegt. In Indien z.B. sind Pharmapatente derzeit so gut wie nicht durchsetzbar. In Erstweltländern hingegen passt man sich den internationalen Gepflogenheiten an. Nahezu alle prosperierenden Länder haben starke Patentgesetze. In China kann man gewerbliche Schutzrechte entgegen der Vorurteile mittlerweile vergleichsweise gut durchsetzen.
Warum ist das so? Patente sind gleichzeitig Innovationsschutz und Innovationsförderungsinstrument. Der Deal lautet also, dass man sein Know-how gegen ein zeitlich begrenztes Monopol veröffentlicht. Und das wird intensiv genutzt: ca. 80 % aller technischen Neuentwicklungen werden ausschließlich in der Patentliteratur offenbart. Der Schutzbereich des einzelnen Patentes ist zudem trotz aller Bemühungen meistens dergestalt, dass es zur Verwirklichung derselben Funktion alternative, ggf. ebenfalls innovative Lösungen gibt. Daher sind Unternehmen aus Ländern mit starken Patentgesetzen in der Regel innovativer als andere und haben im internationalen Vergleich Wettbewerbsvorteile.
Ohne Patente ginge es auch. Aber dann gäbe es heute weder schicke, schnelle Computer noch Medikamente jenseits von Baumrindensud.
+1
Ich habe selber zahlreiche Patente und kann Stringer Bells Ausführungen nicht nachvollziehen.
Gruß,
Bernhard
Marcus, du hast echt wahnsinnig viel Ahnung von der Marterie :gut:
Da ich gerne selbst in die Richtung gehen würde, fände ich es interessant, was du beruflich machst, gere auch PN
Stringer Bell
25.08.2012, 21:28
Ich habe selber zahlreiche Patente und kann Stringer Bells Ausführungen nicht nachvollziehen.
ich habe auch zahlreiche uhren und kann nicht alles nachvollziehen was über sie geschrieben wird.
im ernst, was bitte gibt es da nicht zu verstehen? was ich sage ist ist teil eines uralten und gerade heute wieder heftig ausgetragen streits über die abwägung der gesellschaftlichen nutzen der patente (innovationsincentivierung durch gewährung eines monopols) gegen deren nachteile (wohlfahrtsverluste durch eben diese Monopolisierung aufgrund monopolistischer preise, wettbewerbsverhinderung und abblocken/verteuern ähnlicher und darauf aufbauender innovationen).
was marcus schreibt ist wie gesagt sehr kenntnisreich und sicher alles richtig, nur eben aus welchen gründen auch immer, etwas unvollständig und einseitig. (er schreibt ein bisschen wie ein fördermitglied des "verbandes zur immaterialgüterrechtlichen interessenwahrnehmung von großunternehmen und anderen etablierten patentrechtsinhabern" ;)). habe ich kein problem mit. anderer meinung kann man ja sein, aber diesen jahrhundertealten streit um die vernünftige begrenzung (nicht: abschaffung) des patentrechts, der auf seite 3 eines jeden patentsrechts- oder volkswirtschaftslehrbuchs beschrieben wird, grundsätzlich zu leugnen, wäre einfach albern.
beispiel für das was ich meine zb die ausführungen des berühmten richters richard posner als er apple eine beantragte einstweilige verfügung um die ohren haut ("Judge Richard Posner previously canceled a jury trial in Chicago in the case, and then castigated both Apple and Motorola while calling the entire US patent system 'chaos.' "):
klick (http://arstechnica.com/tech-policy/2012/06/in-bid-for-patent-sanity-judge-throws-out-entire-applemotorola-case/)
oder volkswirt alex tabarrok ("our patent system has became a weapon wielded by large corporations against competitor innovations"):
nochmal klick (http://marginalrevolution.com/marginalrevolution/2012/02/defending-independent-invention.html)
das ist alles was ich sagen wollte! weder will ich patente abschaffen noch auch nur irgendwelche ausführungen des extrem fachkundigen kollegen marcus anzweifeln. ich ergänze nur eine weitere sicht der dinge, nach der das pendel in unserer geltenden rechtsordnung möglicherweise etwas zu stark in richtung schutz des rechteinhabers ausgeartet ist. (gleiche diskussion bekanntlich beim urheberrecht.) aber wenn man diese position nicht kennt, sie leugnet, darüber hinwegschreibt oder sie ignorieren will, dann kann man natürlich auch nicht ausgewogen darüber diskutieren.
Wenn man mal einfach die Handies außen vor lässt und sich nur die Stecker und die Netzteile anschaut, dann merkt man, wie schamlos Samsung da zu werke geht und bei diese Teilen hätte man auch gut und gerne ein anderes, eigenes Design schaffen können.
Stringer Bell
25.08.2012, 23:22
wenn wir schon bei (mE) überzogenem immaterialgüterschutz sind, frage noch an marcus bzgl. eines themas aus einem anderen thread: weißt du warum es eine markenrechtsverletzung darstellen soll, mehr als eine rolex uhr ohne zustimmung des markeninhabers (rolex) in die USA einzuführen, zb bei dei der einreise? (so anscheinend der US zoll und rolex USA...)
merci
olaf
was marcus schreibt ist wie gesagt sehr kenntnisreich und sicher alles richtig, nur eben aus welchen gründen auch immer, etwas unvollständig und einseitig. (er schreibt ein bisschen wie ein fördermitglied des "verbandes zur immaterialgüterrechtlichen interessenwahrnehmung von großunternehmen und anderen etablierten patentrechtsinhabern" ).
Fördermitglied bin ich keines, aber - schwer zu erraten - Patentanwalt. Die Hauptklientel von Patentanwälten besteht übrigens aus kleinen und mittelständischen Unternehmen. Eine meiner Hauptaufgaben seit einigen Jahren ist es, einem Unternehmen beim Erschließen eines für ihn neuen Technologiesektors zu helfen. Das geht, und die patentbezogenen Kosten sind bezogen auf die Gesamtkosten eines solchen Unterfangens im niedrigen einstelligen Prozentbereich.
(wohlfahrtsverluste durch eben diese Monopolisierung aufgrund monopolistischer preise, wettbewerbsverhinderung und abblocken/verteuern ähnlicher und darauf aufbauender innovationen).
1.) Das Monopol ist auf den Gegenstand der Erfindung beschränkt. Wenn das Patent ein Basispatent ist, was z.B. im Elektroniksektor vorkommt (MP3, MP4, GSM etc.), gibt es den FRAND-Einwand (fair, reasonable, and non-diskriminatory), sodass jeder gegen Zahlung einer angemessenen Lizenzgebühr weiter am Markt teilnehmen kann.
2.) Das Patentrecht steht in Konkurrenz zum Wettbewerbsrecht. Dies ist von den Gesetzgebern aber gewollt, da sie die Vorteile überwiegen sehen. Einige unserer obersten Wettbewerbshüter in Brüssel scheinen das übrigens nicht so ganz verstanden zu haben.
3.) Wie schon geschrieben, geht gesellschaftlicher Wohlstand nachweislich mit einem starken Patentrecht einher. Dies lässt sich in Europa leicht sehen: Deutschland, Frankreich und England haben traditionell starke Patentsysteme, Italien, Spanien und Griechenland eher schwache.
beispiel für das was ich meine zb die ausführungen des berühmten richters richard posner als er apple eine beantragte einstweilige verfügung um die ohren haut ("Judge Richard Posner previously canceled a jury trial in Chicago in the case, and then castigated both Apple and Motorola while calling the entire US patent system 'chaos.' "):
klick (http://arstechnica.com/tech-policy/2012/06/in-bid-for-patent-sanity-judge-throws-out-entire-applemotorola-case/)
Da ging es um eine beantragte einstweilige Verfügung, die in Amerika nur in seltenen Fällen gewährt wird. Judge Posner hat sich an Recht und Gesetz gehalten und keine Willkür walten lassen. Zum Glück, wie ich finde.
oder volkswirt alex tabarrok ("our patent system has became a weapon wielded by large corporations against competitor innovations"):
nochmal klick (http://marginalrevolution.com/marginalrevolution/2012/02/defending-independent-invention.html)
Ein von Nichtwissen durchzogener Artikel. Es steht so viel Falsches darin, dass ich jetzt nicht im Detail darauf eingehen will.
das ist alles was ich sagen wollte! weder will ich patente abschaffen noch auch nur irgendwelche ausführungen des extrem fachkundigen kollegen marcus anzweifeln. ich ergänze nur eine weitere sicht der dinge, nach der das pendel in unserer geltenden rechtsordnung möglicherweise etwas zu stark in richtung schutz des rechteinhabers ausgeartet ist. (gleiche diskussion bekanntlich beim urheberrecht.) aber wenn man diese position nicht kennt, sie leugnet, darüber hinwegschreibt oder sie ignorieren will, dann kann man natürlich auch nicht ausgewogen darüber diskutieren.
Klar begünstigt das System größere Unternehmen (wie ich eingangs schon schrieb), aber das ist bei allem so. Der Gesetzgeber bemüht sich übrigens um einen Interessenausgleich, nur dauert das sehr lange. Das Internetrecht ist z.B. noch ungeschrieben. Es könnte auch sein, dass der Gesetzgeber auf die vermehrt auftretenden nichtpraktizierenden Rechteinhaber eingehen muss (die übrigens häufig von Investmentbanken gesponsort sind, auch in Deutschland gibt es Patentfonds).
wenn wir schon bei (mE) überzogenem immaterialgüterschutz sind, frage noch an marcus bzgl. eines themas aus einem anderen thread: weißt du warum es eine markenrechtsverletzung darstellen soll, mehr als eine rolex uhr ohne zustimmung des markeninhabers (rolex) in die USA einzuführen, zb bei dei der einreise? (so anscheinend der US zoll und rolex USA...)
merci
olaf
Das hat mit der Erschöpfung des Rechtes, hier des Markenrechtes, zu tun. Der Hintergrund ist, dass der Markenrechtsinhaber entscheiden können soll, wo seine Waren vertrieben werden und durch wen und trägt weiterhin dem Umstand Rechnung, dass unterschiedliche Länder unterschiedliche Anforderungen an die Produkte und ggf. unterschiedliche Preisniveaus haben können. Berüchtigtes Beispiel: Abercrombie & Fitch gab es lange Zeit nur in den USA und alles, was es hier zu kaufen gab, kam aus von A&F nicht gewollten Importen.
Die gewerblichen Schutzrechte greifen in den USA anders als in Europa nicht nur bei gewerbsmäßigem Handeln. In den USA können auch Privatpersonen Patente verletzen. In Deutschland gilt: da die bösen Buben nicht immer die Wahrheit sagen (bzw. gar nichts sagen müssen, keiner muss sich hier selbst belasten), muss man halt Vermutungen anstellen, ab wann einer gewerblich handelt und wann etwas zum Selbstzweck passiert. Die Grenzen sind relativ eng.
Stringer Bell
26.08.2012, 00:15
danke marcus! (für meinen geschmack allerdings totaler "overreach", die einfuhr durch eine privatperson ohne jedes indiz der gewerblichkeit solchen rechtsfolgen zu unterwerfen.)
ich nehme dann an, die EU internen graumarktimporte sind aus EU rechtlichen grundsaetzen privilegiert, das heißt der erschöpfungsgrundsatz scheint bei diesen importen nicht zu gelten, sonst wuerde rolex die ja sicher unterbinden...
und falls du doch noch irgendwann bock hast, substantiiert auf den tabarrok zu kommentieren, wuerde mich das natürlich interessieren.
die produktidee fürs investmentbanking nehme ich direkt am montag mit in die arbeit...;)
merci nochmals
olaf
http://parislemon.com/post/30201176418/and-boy-have-we-patented-it
docpassau
26.08.2012, 08:45
an genau die Key Lecture kann ich mich auch noch gut erinnern, danach kam bei mir sofort der "haben will" Reflex.
und falls du doch noch irgendwann bock hast, substantiiert auf den tabarrok zu kommentieren, wuerde mich das natürlich interessieren.
1.) Der Autor geht davon aus, dass die Erfinder in ihrem Kämmerlein sitzen und wie Daniel Düsentrieb irgendwas erfinden. Das ist aber realitätsfern. Die Community ist gut vernetzt, man bildet sich fort, trifft sich auf Messen, unterhält sich miteinander (hoffentlich mit Geheimhaltungsvereinbarungen) und erhält so viele Anregungen von außen. So unabhängig sind die Erfinder also nicht.
2.) Das zwei Personen die gleiche Erfindung zur gleichen Zeit machen (die kleinste Zeiteinheit im Patentwesen ist ein Tag, also innerhalb des gleichen Tages), ist extrem unwahrscheinlich. Vielleicht machen sie die innerhalb eines gewissen größeren Zeitraumes, aber dann war halt einer zuerst und der andere später.
3.) Die meisten Länder haben Korrekturmechanismen für den wahrscheinlicheren Fall, dass einer eine Erfindung früher gemacht hat, aber nicht zum Patent angemeldet oder anderweitig offenbart. In Deutschland gibt es ein Vorbenutzungsrecht. In Amerika gilt (derzeit noch) das "first to invent"-Prinzip, die Erfindung gehört dem ersten Erfinder. Amerika steckt mitten in der größten Patentreform der Geschichte (der Amerika Invents Act), da gilt dann das "first inventor to file"-Prinzip (ähnlich wie in Deutschland, das man "first to file" nennen kann) und dann wird es ein "prior use right" geben.
4.) "Kopieren" wird deswegen so selten in Patentstreitigkeiten geltend gemacht, weil das keine Anspruchsgrundlage ist. Es wird behauptet. Kopieren ist rechtlich gesehen eine Frage des unlauteren Wettbewerb.
Stringer Bell
27.08.2012, 21:52
danke marcus, muss ich noch mal in ruhe durch den kopf gehen lassen - deine ausführungen und tabarroks.
in der englischen presse gibt es viele technischen und wirtschaftlichen analysen zu der ganzen sache, hier zb eine, wonach samsungs kopiertaktik immer noch die beste war die zur verfuegung stand...
http://pandodaily.com/2012/08/25/copying-works-how-samsungs-decision-to-mimic-apple-paid-off-in-spades/
Vielleicht ganz interessant im direkten Vergleich:
http://nicklazilla.tumblr.com/post/29202801252/samsung-is-apples-biggest-fan
JakeSteed
28.08.2012, 14:22
Mal davon abgesehen, dass die Milliarde Dollar am Ende ja wahrscheinlich so nicht stehenbleiben wird und mit Sicherheit noch etwas nach unten korrigiert werden wird, ist Samsung ja nach wie vor einer der großen Zulieferer für Apple und hat zB am iphone alleine glaube ich 26% Anteil an Bauteilen. D.h., wenn sich das kommende Ei gut verkauft, ist das auch gut für Samsung. Ebenso wie bei vorherigen Gerätegenerationen.
Und trotz der hohen Wellen die die Schlacht vor allem in den Medien geschlagen hat, ich denke dass man Apple-intern wesentlich entspannter ist, was Patentverletzungen speziell durch Samsung angeht. Und obwohl diese Breitseite gegen Samsung ging, so war (vom psychologischen Aspekt her) doch eher Google/Gesamt-Android damit gemeint, was Steve zu Lebzeiten ja bereits zum persönlichen Feldzug und Lebenszweck erklärt hat.
Samsung wirds überleben, so breit wie die aufgestellt sind. Apple profitiert (wie immer). Lachender Dritter ist vielleicht MS Windows Phone 8, die den verbleibenden Geräteherstellern zumindest Rechtssicherheit bieten können und so in den kommenden Jahren wieder ein paar % mehr Marktanteil hat.
Und was das Gerichtsurteil an sich und die Höhe des Schadensersatzes angeht, so schlägt dieses doch in diesselbe Kerbe, wie die anderen Auswüchse des zunehmenden U.S. Protektionismus. Wie zB eine milliardenschwere Ausschreibung für ein Tankflugzeug, die so oft wiederholt wird, bis Boeing den Zuschlag erhält, wie zB eine Finanzaufsicht, die bis Ende 2008 komplett gepennt hat und nun dafür umso eifriger ermittelt. Und zwar ausschließlich gegen ausländische Institute. Oder zB ein neuer Crashtest, bei dem alle Autos plötzlich ganz schön unsicher sind. Bis auf die amerikanischen. Etc. pp.
ehemaliges mitglied
28.08.2012, 14:28
Der Produzent von Minority Report wird sich ärgern die Zoom- und Wischgesten nicht zum Patent angemeldet zu haben. Oder hat das jemand vorher woanders schon gesehen?
http://www.youtube.com/watch?v=NwVBzx0LMNQ
Stringer Bell
02.09.2012, 18:21
hmmm komisch im neuen spiegel (nach MR, NYT, SZ, posner, EU kommissar, uvam...) steht jetzt auch ein kritischer artikel über das patentrecht:
"...patente entwickeln sich so immer mehr zu instrumenten der vehinderung. die frage ob eine firma wie apple heute noch gegründet werden könnte, ist deshalb nicht weit hergeholt..."
aber da ich ja inzwischen weiss dass das alles nur ahnungsloser quatsch ist, freue ich mich einfach auf den garantiert steigenden lebensstandard, je "stärker" der patentschutz ist und je mehr patentrechtsstreitigkeiten es gibt!
:ka:
Stringer Bell
04.09.2012, 22:25
ah, hier kommen jetzt noch die absoluten amateure zu wort, die CIOs dieser welt: :D
<Apple's win over Samsung in the landmark patent infringement case ended last week has CIOs venting about a patent system they say threatens to curb competition and innovation of mobile computers and applications.
...
Kippelman said the case was emblematic of a system in which some technology patents are broad enough that almost any patent could be accidentally copied.
...
Anschuetz also said he grew frustrated with the patent system after looking to patent information system techniques for UL and discovering most ideas have been patented and, it seems in some cases, “10 times over.” “It’s a minefield and it makes you go, ‘oh hell, if I get anywhere with this, I’m going to get sued.’” He said the United States Patent Office needs to reassess what fundamentally can get patented. If the system “stays as is, [it] will prove an ever-increasing impediment to innovation.”>
http://blogs.wsj.com/cio/2012/08/31/cios-hold-apple-samsung-verdict-in-contempt/?mod=wsjcio_hps_cioreport
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