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  1. #1
    PREMIUM MEMBER Avatar von Prof. Rolex
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    Unterschiede des Magnetfeldschutzes der Milgauss seit 1955

    Liebe Rolex-Fans,
    der folgende Beitrag beschäftigt sich mit den Unterschieden des Magnetfeldschutzes der diversen Milgauss-Referenzen. Hier zunächst eine Zeittafel, die die Referenzen der Milgauss seit 1955 zeigt:

    ca. 1955-1963 : Ref. 6541
    ca. 1963-1989: Ref. 1019
    seit 2007: Ref. 116400

    Es gibt noch eine vierte Referenz, die jedoch ein Sonderstellung einnimmt. Es ist die 6543, von der in den 50er Jahren angeblich nur etwa 80 Exemplare gebaut wurden. Diese Referenz unterscheidet sich wohl im Magnetfeldschutz von der 6541, dazu später mehr.

    Auf die physikalischen Grundlagen und die Technik des Magnetfeldschutzes soll hier nur kurz eingegangen werden, da zu diesem Thema bereits ein ausführlicher Beitrag bei RLX zu finden ist: Die Milgauss und der Magnetismus

    Zum Schutz des Uhrwerkes wird das physikalische Prinzip des Faradayschen Käfigs angewendet, der bekanntlich auch vor Blitzschlägen schützt. Aufgrund der engen Wechselwirkung von Elektrizität und Magnetismus schützt der Faradaysche Käfig aber nicht nur vor elektrischen, sondern auch vor magnetischen Feldern. Allerdings ist bei Uhren ein Käfig aus Weicheisen erforderlich, der aufgrund der Materialeigenschaften nicht als Uhrengehäuse, sondern nur als zusätzliches Innengehäuse verwendet werden kann.

    Wo liegen aber nun die Unterschiede im Magnetfeldschutz der diversen Milgauss-Referenzen?

    Ref. 6541:


    (Quelle: vintagewatches.it)

    Das Innengehäuse aus einem Ersatzteilkatalog R4 für das in der 6541 verbaute Kaliber 1065M/1080:


    Der Magnetfeldschutz besteht nur aus einen „halben“ Innengehäuse bestehend aus dem Innenreif 7181 und dem inneren Bodendeckel 7182. Beide zusammen bilden aber noch keinen geschlossenen Faradayschen Käfig. Dieser entsteht erst mit montiertem Zifferblatt:

    (Quelle Usprungsbild: vintagewatches.it)

    Die 6541 verfügt also über ein „halbes“ zusätzliches Innengehäuse, welches erst zusammen mit dem Zifferblatt einen Faradayschen Käfig bildet.


    Ref. 6543:


    (Quelle: RLX-Mitglied „kaiserfranz“)

    Leider ist es mir bisher nicht gelungen die genauen Unterschiede zwischen 6541 und 6543 herauszufinden. Desöfteren ist zu lesen, daß die 6543 eine amagnetische Unruh- und Hemmungsgruppe verwendet hat und das Innengehäuse (der Faradaysche Käfig) daher überflüssig war, wohingegen die 6541 über ein solches Innengehäuse verfügte. Aber stimmt das?

    Einem mir vorliegenden Ersatzteilkatalog R4 kann folgendes entnommen werden:
    Die Kaliber 1065M und 1080 sind baugleich und das Kaliber 1066M unterscheidet sich nur durch die Unruh/Spirale von dem 1065M/1080. Worin der genaue Unterschied der Unruhen und Spiralen von 1065M/1080 und 1066M allerdings liegen, darüber gibt der Katalog keine Auskunft. War es vielleicht eine spezielle amagnetische Legierung?

    Interessanterweise führt der Ersatzteilkatalog R4 für Kaliber 1065M/1080 und 1066M ein identisches Innengehäuse auf. Es kann daher davon ausgegangen werden, daß alle mit diesen Kalibern ausgerüsteten Milgauss auch über ein solches Innengehäuse verfügten

    In einem hier einmal von „newharry“ gezeigten R20-Auszug von 1973 ist sowohl für die 6541, als auch für die 6543 das Kaliber 1080 angegeben. Meines Wissens nach wurden sowohl 1065M/1080, als auch 1066M in der 6541 verbaut. Welches „spezielle“ Kaliber wurde aber dann in der 6543 eingesetzt?

    Tatsache scheint zu sein, daß die 6543 über einen anderen äußeren Gehäuseboden als die 6541 verfügt. Ist der äußere Boden vielleicht aus Weicheisen und daher wurde bei der 6543 auf den inneren Boden verzichtet?

    Wo liegen nun tatsächlich die Unterschiede zwischen 6541 und 6543, denn die eingangs zitierte „Lehrmeinung“ (6541: antimagnetisch mit Innengehäuse, 6543: amagnetisch ohne Innengehäuse) bedarf vermutlich einer Korrektur.


    Ref. 1019:


    (Quelle: RLX-Galerie)

    Das Innengehäuse aus einem Ersatzteilkatalog R6 für das in der 1019 verbaute Kaliber 1580:


    Der Magnetfeldschutz besteht nun im Gegensatz zur 6541 aus einen „ganzen“ Innengehäuse bestehend aus dem Schutzgehäuse 8125 und dem inneren Bodendeckel 8126, die zusammen den Faradayschen Käfig bilden. Das Zifferblatt wird auf das Schutzgehäuse 8125 aufgesetzt und ist damit nicht mehr Bestandteil des Faradayschen Käfigs. Der Bodendeckel 8126 wird dabei durch die kreuzförmige Feder 8127 nach Einschrauben des äußeren Gehäusebodens gehalten.

    Hier der äußere Gehäuseboden mit der Feder 8127:

    (Quelle: siehe Bild)

    Der innere Bodendeckel 8126:

    (Quelle: siehe Bild)

    Und das Schutzgehäuse 8125 („gelber Ring“ zwischen Uhrwerk und äußerem Gehäuse) in eingebautem Zustand:

    (Quelle: siehe Bild)


    Ref. 116400:


    (116400 aus meiner Sammlung)

    Der Faradaysche Käfig der 116400 (Auszug aus dem Booklet zur 116400):


    Das Innengehäuse der 116400 besteht wie bereits bei der 1019 aus insgesamt zwei Teilen. Einem oberen Teil, welches auf der Zifferblattseite des Werkes mittels dreier Schrauben befestigt wird und auf welches dann das Zifferblatt aufgesetzt wird. Und einem unteren Teil, welches in das äußere Uhrengehäuse geschraubt wird. Beide Teile bilden in zusammengebauten Zustand dann den Faradayschen Käfig des Uhrwerkes.

    Im Gegensatz zur 1019 ist das Innengehäuse der 116400 aber wesentlich dicker und auch auf die Bodenfeder der 1019 wird verzichtet, dafür ist der massive Innenboden eingeschraubt.

    Tony A. hat hier vor einiger Zeit ein interessantes Datenblatt zur 116400 gezeigt:

    (Quelle: RLX-TechTalk Classics)

    In diesem Datenblatt sieht es so aus, als ob die Hemmungsgruppe DIREKT einwirkenden 1000 Gauss widerstehen kann, da der Magnet direkt neben der Hemmungsgruppe gezeichnet ist. Da aber der Faradaysche Käfig das Uhrwerk bereits vor Magnetfeldern abschirmt, könnten ca. 5000 Gauss außerhalb des Käfigs anliegen, damit durch die zwei konstruktiven Imperfektionen des Käfigs (Zeiger- und Kronenwellenbohrung, siehe eingangs erwähnter RLX-Beitrag) noch ca. 1000 Gauss im Inneren ankommen.

    Würde also die Hemmungsgruppe tatsächlich direkt anliegenden 1000 Gauss widerstehen, so könnte die Milgauss äußerlich anliegenden Magnetfeldern von ca. 5000 (!) Gauss widerstehen. Voraussetzung wäre natürlich auch, daß die übrigen Teile des Kaliber 3131 die dann im Inneren noch wirkenden 1000 Gauss „unbeschadet“ überstehen.

    Seit längere Zeit habe ich schon die Vermutung, daß die Milgauss 116400 für wesentlich größere Magnetfelder als deren Vorgänger 1019 und 6541/6543 ausgelegt ist, da die Faradayschen Käfige der Vorgängermodelle viel dünnere Wandstärken aufweisen.

    Ob die 116400 aber tatsächlich 5000 Gauss widersteht oder ob die Zeichnung in dem Datenblatt mal wieder einer der typischen „Rolex-Fehler“ ist, weiß nur Rolex selbst. Tatsache ist aber, daß die bereits auf äußerlich wirkende 1000 Gauss ausgelegten Vorgängerreferenzen im Vergleich zur 116400 einen wesentlich „dünneren“ Magnetfeldschutz aufweisen.

    So, ich denke das „reicht“ für heute, Ergänzungen und Korrekturen sind wie immer ausdrücklich erwünscht.

    Viele Grüße
    Matthias
    The difference between men and boys is the price of their toys.

  2. #2
    ehemaliges mitglied
    Gast
    Klasse Matthias !
    mille grazie


  3. #3
    PREMIUM MEMBER Avatar von Prizzi
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    Ein sehr interessanter Beitrag
    Vielen Dank Matthias!

    Schade nur, dass Rolex die technischen Verbesserungen bei der 116400 nicht eindeutiger beschreibt und den wahrscheinlich gesteigerten Magnetfeldschutz mehr hervorhebt. Eigentlich unterstreicht der Fehler im Booklet ("1000 Gauss bzw. Tesla" anstatt "0,1 Tesla") jedoch nur eine gewisse Nachlässigkeit im Hinblick auf diese technischen Feinheiten.
    Grüße, Prizzi

  4. #4
    680g pures Fleisch! Avatar von GG2801
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    Wie immer sehr informativ !
    Gerald

    Wenn man mit seinem Zweitwagen zu seinem Drittwagen fährt und merkt, dass man den Schlüssel des Drittwagens in seinem Erstwagen vergessen hat, dann weiß man einfach: Man hat es geschafft.

  5. #5
    Mil-Sub Avatar von Coney
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    Sehr interessant, jetzt mag ich meine Weiße noch ein bisschen lieber...
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    Christian

  6. #6
    Freccione Avatar von RBLU
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    RE: Unterschiede des Magnetfeldschutzes der Milgauss seit 1955

    Der Beitrag ist sehr gut!

    Trotz "Science" kann man es drehen oder wenden wie man will: Der Rolexmagnetschutz ist auch nicht besser als bei anderen Uhren!

    Gruss,
    Bernhard
    Gruss,
    Bernhard

  7. #7
    Mil-Sub Avatar von newharry
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    Freue mich sehr einen weiteren großartigen Beitrag von Dir hier zu finden!
    Harald

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  8. #8
    Deepsea
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    sehr informativ vielen dank dafür

  9. #9
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    Vielen Dank für den Beitrag, der einige von mir bislang nicht gestellte Fragen beantwortet.
    Für einen Vergleich des Magnetfeldschutzes habe ich der 116400 die technischen Daten der legendären IWC 500.000 A/m gegenüber gestellt. Die IWC verfügte bekanntlich nicht über ein Weicheiseninnengehäuse. Der außerordentlich hohe Magnetfeldschutz wurde ausschließlich über konstruktive Eingriffe am Uhrwerk hergestellt. So verfügte die IWC über eine Spirale aus einer Niob-Zirkoniumlegierung. Außderdem waren Ankerrad, Ankerradgabel sowie Anker- und Unruhwelle aus einer antimagnetischen Legierung gefertigt. Hier ist eine Parallele zur 116400 zu erkennen. Die Spirale ist aus einer vergleichbaren Niob-/Hafniumlegierung gefertigt und das Ankerrad aus einer antimagnetischen Legierung. Von den übrigen Bauteilen ist nichts bekannt. Erstaunlich ist, dass die IWC mit diesem technologischen Aufwand einen solch hohen Magnetfeldschutz erreichen konnte (wenngleich die Spirale dafür eine relativ schlechte Temperaturkompensation zeigte und das Werk deshalb als nicht sehr gleichlaufstabil gilt).
    Der technologische Aufwand von Rolex erreicht annähernd das IWC-Niveau und ist zusätzlich durch ein dickwandiges Innengehäuse gekennzeichnet. Aus dem Bauch heraus würde ich auch vermuten, dass der Magnetfeldschutz der 116400 auf einem wesentlich höheren Niveau liegt als von Rolex angegeben wird.
    Da hilft nur testen. Wer traut sich? (Ich nicht!)

    Grüße
    Klaus

  10. #10
    Double-Red Avatar von OrangeHand
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    Eine herrliche Übersicht der Schutzvorrichtungen hast Du in Deinem Beitrag herausgearbeitet. Vielen Dank Matthias
    Superlative Grüße, Frank

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  11. #11
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    Tech Talk pur

    vielen Dank für die Mühe

  12. #12
    Milgauss Avatar von Nicolas
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    Vielen Dank für die Infos!
    Wäre wirklich interessant zu wissen, wieviel die 116400 denn tatsächlich ab kann

  13. #13
    Administrator Avatar von PCS
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    Wieder mal Erstklassig!!!!
    Gruß Percy



    "Ferner wird hier auch auf Ihrem Profil sehr viel Diversität benötigt."

  14. #14
    Explorer
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    Es gibt noch eine Ungereimtheit nachzutragen:
    In den von Matthias eingestellten technischen Charkateristika der 116400 wird mit zwei Strichen auf die paramagnetischen Materialien hingedeutet, nämlich auf das Ankerrad und auf die Ankerradgabel. Danach müssten beide Bauteile antimagnetisch ausgeführt sein. In dem Booklet zur 116400 ist aber nur von einem antimagnetischen Ankerrad die Rede.
    Ich habe den Eindruck, dass Rolex mit der 116400 ein wenig tief stapelt.

    Grüße
    Klaus

  15. #15
    Officially Certified DoT Winner 2013, 2014 & 2016 Avatar von ferryporsche356
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    Vielen Dank. Ein ( wie immer) sehr informativer Post.


    Beste Grüße,
    Charly

    WWWWDWWWWWWWWWWWWWWDWDWWWWWDWWWWWWDWWWWWWWWDD

  16. #16
    ehemaliges mitglied
    Gast

  17. #17
    Freccione Avatar von RBLU
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    Ueber Magnetfeldschutz wird immer recht viel geschrieben oder spekuliert, aber aktuelle Messungen werden nie/kaum durchgefuehrt

    Mich wuerde auch z.B. interessieren, ob das Datumfenster ein Problem darstellt oder nicht?

    IWC hat mal einige Messungen durchgefuehrt, nachdem die einen Auftrag fuer Minentaucheruhren von der Bundewehr bekommen haben.

    Es ist mir klar, dass ein Druckmessung einfacher bewerkstelligt werden kann.

    Gruss,
    Bernhard
    Gruss,
    Bernhard

  18. #18
    ehemaliges mitglied
    Gast
    Original von RBLU
    (...) Mich wuerde auch z.B. interessieren, ob das Datumfenster ein Problem darstellt oder nicht? (...)
    Hi Bernhard,

    zu diesem Thema müsste es aber schon einen Thread geben.

    Ich glaube, auch von Prof. Rolex.

  19. #19
    Mil-Sub Avatar von newharry
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    Original von Tschebyscheff
    Original von RBLU
    (...) Mich wuerde auch z.B. interessieren, ob das Datumfenster ein Problem darstellt oder nicht? (...)
    Hi Bernhard,

    zu diesem Thema müsste es aber schon einen Thread geben.

    Ich glaube, auch von Prof. Rolex.
    Die Milgauss und der Magnetismus
    Harald

    "All the world's a stage,
    And all the men and women merely players."

  20. #20
    ehemaliges mitglied
    Gast
    Original von newharry
    Original von Tschebyscheff
    Original von RBLU
    (...) Mich wuerde auch z.B. interessieren, ob das Datumfenster ein Problem darstellt oder nicht? (...)
    Hi Bernhard,

    zu diesem Thema müsste es aber schon einen Thread geben.

    Ich glaube, auch von Prof. Rolex.
    Die Milgauss und der Magnetismus

    Hi Harald,

    ja genau der.

    Danke.

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